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Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764].

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Der Mittag.
Unter dem Grase versteckt, und scheint unfähig zu scha-
den:

Aber Verderben und Tod sitzt auf dem gistigen Kamme,
Weh dem, der sie verletzt! Sie wird sich grimmiger
rächen,

Als die Apulische Spinne, von deren durchdringendem
Gifte

Nur die mächtge Musik mit wildem Tanze befreyet.

Glückliches Land, in welchem der Mittag mit
kühleren Stunden

Ueber die Gegenden herrscht! Wo bald verhüllende
Wolken

Vor der sengenden Gluth den matten Wanderer schir-
men;

Oder ein frischer fächelnder Wind aus Westen sich auf-
macht,

Und den Schweißvergiessenden kühlt. Dann sinket oft
Schlummer

Unter dem sanften Geräusch der immer lispelnden Esche
Auf den Schäfer herab; und kräftiger hauchen dann
um ihn

Aromatische Kräuter, so wie sie die Wildniß hervor-
bringt.

Wenn uns nicht Wälder von Zimmt, so wie in Jn-
dien, duften,

Uns nicht Ananas speißt, uns nicht der Cocos erfrischet;
So

Der Mittag.
Unter dem Graſe verſteckt, und ſcheint unfaͤhig zu ſcha-
den:

Aber Verderben und Tod ſitzt auf dem giſtigen Kamme,
Weh dem, der ſie verletzt! Sie wird ſich grimmiger
raͤchen,

Als die Apuliſche Spinne, von deren durchdringendem
Gifte

Nur die maͤchtge Muſik mit wildem Tanze befreyet.

Gluͤckliches Land, in welchem der Mittag mit
kuͤhleren Stunden

Ueber die Gegenden herrſcht! Wo bald verhuͤllende
Wolken

Vor der ſengenden Gluth den matten Wanderer ſchir-
men;

Oder ein friſcher faͤchelnder Wind aus Weſten ſich auf-
macht,

Und den Schweißvergieſſenden kuͤhlt. Dann ſinket oft
Schlummer

Unter dem ſanften Geraͤuſch der immer lispelnden Eſche
Auf den Schaͤfer herab; und kraͤftiger hauchen dann
um ihn

Aromatiſche Kraͤuter, ſo wie ſie die Wildniß hervor-
bringt.

Wenn uns nicht Waͤlder von Zimmt, ſo wie in Jn-
dien, duften,

Uns nicht Ananas ſpeißt, uns nicht der Cocos erfriſchet;
So
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[66/0074] Der Mittag. Unter dem Graſe verſteckt, und ſcheint unfaͤhig zu ſcha- den: Aber Verderben und Tod ſitzt auf dem giſtigen Kamme, Weh dem, der ſie verletzt! Sie wird ſich grimmiger raͤchen, Als die Apuliſche Spinne, von deren durchdringendem Gifte Nur die maͤchtge Muſik mit wildem Tanze befreyet. Gluͤckliches Land, in welchem der Mittag mit kuͤhleren Stunden Ueber die Gegenden herrſcht! Wo bald verhuͤllende Wolken Vor der ſengenden Gluth den matten Wanderer ſchir- men; Oder ein friſcher faͤchelnder Wind aus Weſten ſich auf- macht, Und den Schweißvergieſſenden kuͤhlt. Dann ſinket oft Schlummer Unter dem ſanften Geraͤuſch der immer lispelnden Eſche Auf den Schaͤfer herab; und kraͤftiger hauchen dann um ihn Aromatiſche Kraͤuter, ſo wie ſie die Wildniß hervor- bringt. Wenn uns nicht Waͤlder von Zimmt, ſo wie in Jn- dien, duften, Uns nicht Ananas ſpeißt, uns nicht der Cocos erfriſchet; So

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Zitationshilfe: Zachariae, Justus Friedrich Wilhelm: Poetische Schriften. Bd. 4. [Braunschweig], [1764], S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zachariae_schriften04_1764/74>, abgerufen am 21.11.2024.