Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zeiller, Martin: Centuria Variarum Quæstionum. Bd. 1. Ulm, 1658.

Bild:
<< vorherige Seite

Die XCV. Frag.
die beschriebnen Personen keuscher gelebt/ so würde
man auch die Feder anders geführet haben.

Das Böse und Lasterhaffte lesen wir darumb
nicht/ daß es zur ärgerniß/ sondern zur Wissenschafft
der Histori/ und Abscheu vor den Lastern dienen
soll. Wenn ich die finstere Nacht betrachte/ erken-
ne ich/ wie herrlich das Sonnen-Liecht seye; sehe
ich einen Blinden/ so erfreue ich mich/ daß ich mein
gut Gesicht habe und dancke Gott darvor; saget A-
damus Olearius,
in der Vorrede/ über Johann
Albrechts von Mandelslo Morgenländischer Rei-
sebeschreibung. Was seyn für Sachen in deß Le-
vini Lemnii
Büchern de occultis naturae mira-
culis,
so auch Teutsch gemacht worden/ zu finden?
man thut aber darumb dieselbe/ weil sie Aergerniß
bey etlichen geben möchten/ nicht auß dem Buch.
Ein keusches Gemüt wird durch Lesung der Bulsa-
chen nicht verführt; ein Unkeusches aber wird auch
ohne Lesung derselben/ ja/ wann es gleich gar nicht
lesen kan/ durch Trieb seiner bösen Natur/ durch
Anhör- und Erzehlung hurischer Händel/ und böse
Verleiter/ auch gegebne Exempel/ in Unkeuschheit
gerahten; sonderlich/ wann die Mütter ihren Töchtern
zu bulen vergönnen/ sie bey nachts mit ihren Liebha-
bern auff den Gassen herumb lauffen lassen; oder
wol gar in einem Gemach mit ihrem Bulen ein-
sperren; wie wider solche Müttern/ auch die El-
tern/ so die Brüderlein und Schwesterlein/ in einer
Cammer/ und wol gar in einem Bette/ in ihren jun-

gen

Die XCV. Frag.
die beſchriebnen Perſonen keuſcher gelebt/ ſo wuͤrde
man auch die Feder anders gefuͤhret haben.

Das Boͤſe und Laſterhaffte leſen wir darumb
nicht/ daß es zur aͤrgerniß/ ſondern zur Wiſſenſchafft
der Hiſtori/ und Abſcheu vor den Laſtern dienen
ſoll. Wenn ich die finſtere Nacht betrachte/ erken-
ne ich/ wie herrlich das Sonnen-Liecht ſeye; ſehe
ich einen Blinden/ ſo erfreue ich mich/ daß ich mein
gut Geſicht habe und dancke Gott darvor; ſaget A-
damus Olearius,
in der Vorrede/ uͤber Johann
Albrechts von Mandelslo Morgenlaͤndiſcher Rei-
ſebeſchreibung. Was ſeyn fuͤr Sachen in deß Le-
vini Lemnii
Buͤchern de occultis naturæ mira-
culis,
ſo auch Teutſch gemacht worden/ zu finden?
man thut aber darumb dieſelbe/ weil ſie Aergerniß
bey etlichen geben moͤchten/ nicht auß dem Buch.
Ein keuſches Gemuͤt wird durch Leſung der Bulſa-
chen nicht verfuͤhrt; ein Unkeuſches aber wird auch
ohne Leſung derſelben/ ja/ wann es gleich gar nicht
leſen kan/ durch Trieb ſeiner boͤſen Natur/ durch
Anhoͤr- und Erzehlung huriſcher Haͤndel/ und boͤſe
Verleiter/ auch gegebne Exempel/ in Unkeuſchheit
gerahten; ſonderlich/ wañ die Muͤtter ihrẽ Toͤchtern
zu bulen vergoͤnnen/ ſie bey nachts mit ihren Liebha-
bern auff den Gaſſen herumb lauffen laſſen; oder
wol gar in einem Gemach mit ihrem Bulen ein-
ſperren; wie wider ſolche Muͤttern/ auch die El-
tern/ ſo die Bruͤderlein und Schweſterlein/ in einer
Cammer/ und wol gar in einem Bette/ in ihren jun-

gen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0363" n="347"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">XCV</hi>.</hi> Frag.</hi></fw><lb/>
die be&#x017F;chriebnen Per&#x017F;onen keu&#x017F;cher gelebt/ &#x017F;o wu&#x0364;rde<lb/>
man auch die Feder anders gefu&#x0364;hret haben.</p><lb/>
        <p>Das Bo&#x0364;&#x017F;e und La&#x017F;terhaffte le&#x017F;en wir darumb<lb/>
nicht/ daß es zur a&#x0364;rgerniß/ &#x017F;ondern zur Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chafft<lb/>
der Hi&#x017F;tori/ und Ab&#x017F;cheu vor den La&#x017F;tern dienen<lb/>
&#x017F;oll. Wenn ich die fin&#x017F;tere Nacht betrachte/ erken-<lb/>
ne ich/ wie herrlich das Sonnen-Liecht &#x017F;eye; &#x017F;ehe<lb/>
ich einen Blinden/ &#x017F;o erfreue ich mich/ daß ich mein<lb/>
gut Ge&#x017F;icht habe und dancke Gott darvor; &#x017F;aget <hi rendition="#aq">A-<lb/>
damus Olearius,</hi> in der Vorrede/ u&#x0364;ber Johann<lb/>
Albrechts von Mandelslo Morgenla&#x0364;ndi&#x017F;cher Rei-<lb/>
&#x017F;ebe&#x017F;chreibung. Was &#x017F;eyn fu&#x0364;r Sachen in deß <hi rendition="#aq">Le-<lb/>
vini Lemnii</hi> Bu&#x0364;chern <hi rendition="#aq">de occultis naturæ mira-<lb/>
culis,</hi> &#x017F;o auch Teut&#x017F;ch gemacht worden/ zu finden?<lb/>
man thut aber darumb die&#x017F;elbe/ weil &#x017F;ie Aergerniß<lb/>
bey etlichen geben mo&#x0364;chten/ nicht auß dem Buch.<lb/>
Ein keu&#x017F;ches Gemu&#x0364;t wird durch Le&#x017F;ung der Bul&#x017F;a-<lb/>
chen nicht verfu&#x0364;hrt; ein Unkeu&#x017F;ches aber wird auch<lb/>
ohne Le&#x017F;ung der&#x017F;elben/ ja/ wann es gleich gar nicht<lb/>
le&#x017F;en kan/ durch Trieb &#x017F;einer bo&#x0364;&#x017F;en Natur/ durch<lb/>
Anho&#x0364;r- und Erzehlung huri&#x017F;cher Ha&#x0364;ndel/ und bo&#x0364;&#x017F;e<lb/>
Verleiter/ auch gegebne Exempel/ in Unkeu&#x017F;chheit<lb/>
gerahten; &#x017F;onderlich/ wan&#x0303; die Mu&#x0364;tter ihre&#x0303; To&#x0364;chtern<lb/>
zu bulen vergo&#x0364;nnen/ &#x017F;ie bey nachts mit ihren Liebha-<lb/>
bern auff den Ga&#x017F;&#x017F;en herumb lauffen la&#x017F;&#x017F;en; oder<lb/>
wol gar in einem Gemach mit ihrem Bulen ein-<lb/>
&#x017F;perren; wie wider &#x017F;olche Mu&#x0364;ttern/ auch die El-<lb/>
tern/ &#x017F;o die Bru&#x0364;derlein und Schwe&#x017F;terlein/ in einer<lb/>
Cammer/ und wol gar in einem Bette/ in ihren jun-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[347/0363] Die XCV. Frag. die beſchriebnen Perſonen keuſcher gelebt/ ſo wuͤrde man auch die Feder anders gefuͤhret haben. Das Boͤſe und Laſterhaffte leſen wir darumb nicht/ daß es zur aͤrgerniß/ ſondern zur Wiſſenſchafft der Hiſtori/ und Abſcheu vor den Laſtern dienen ſoll. Wenn ich die finſtere Nacht betrachte/ erken- ne ich/ wie herrlich das Sonnen-Liecht ſeye; ſehe ich einen Blinden/ ſo erfreue ich mich/ daß ich mein gut Geſicht habe und dancke Gott darvor; ſaget A- damus Olearius, in der Vorrede/ uͤber Johann Albrechts von Mandelslo Morgenlaͤndiſcher Rei- ſebeſchreibung. Was ſeyn fuͤr Sachen in deß Le- vini Lemnii Buͤchern de occultis naturæ mira- culis, ſo auch Teutſch gemacht worden/ zu finden? man thut aber darumb dieſelbe/ weil ſie Aergerniß bey etlichen geben moͤchten/ nicht auß dem Buch. Ein keuſches Gemuͤt wird durch Leſung der Bulſa- chen nicht verfuͤhrt; ein Unkeuſches aber wird auch ohne Leſung derſelben/ ja/ wann es gleich gar nicht leſen kan/ durch Trieb ſeiner boͤſen Natur/ durch Anhoͤr- und Erzehlung huriſcher Haͤndel/ und boͤſe Verleiter/ auch gegebne Exempel/ in Unkeuſchheit gerahten; ſonderlich/ wañ die Muͤtter ihrẽ Toͤchtern zu bulen vergoͤnnen/ ſie bey nachts mit ihren Liebha- bern auff den Gaſſen herumb lauffen laſſen; oder wol gar in einem Gemach mit ihrem Bulen ein- ſperren; wie wider ſolche Muͤttern/ auch die El- tern/ ſo die Bruͤderlein und Schweſterlein/ in einer Cammer/ und wol gar in einem Bette/ in ihren jun- gen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zeiller_centuria01_1658
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zeiller_centuria01_1658/363
Zitationshilfe: Zeiller, Martin: Centuria Variarum Quæstionum. Bd. 1. Ulm, 1658, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zeiller_centuria01_1658/363>, abgerufen am 27.11.2024.