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Zeiller, Martin: Centvria IV. Variarvm Quæstionvm. Bd. 4. Ulm, 1660.

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Die 72. Frag/ des 4. Hundert.
mitern rathe/ seine Töchtere zu beschlaffen/ damit
Er ein größere Sünde abwendete: Aber es war
ihme nicht erlaubt/ seine Töchtern zur Schande
Jhnen zu überlaßen; wann anders es Jhme
ernst/ solches zu thun/ gewest seyn solte. Dann
nicht Alle von diser des Loths That gleiches Ur-
theil fällen; aber in deme übereinkommen/ wann
Er des Willens gewesen/ seine Töchter zur Unehr
zu übergeben/ daß er gesündiget/ und Sie/ mit ih-
rer Schand/ der Gäste Keuschheit zu erhalten/
nit gezwungen/ noch durch Vätterlichen Gewalt/
dahin gebracht haben werden können. Daher
Etliche darfür halten/ daß Er/ wegen der un-
versehenen Sach/ bestürzt/ disen unweisen Rath
ergriffen; Andere aber/ daß diser heylige Mann
vermeint habe/ daß/ durch solche ermdrigung/
und Lindigkeit/ die Sodomiter solten erweichet
werden/ von solchem Bubenstuck abzustehen;
dieweil/ wann ie Sie von beeden übeln nicht laßen
wolten/ es beßer gewesen were/ das größere/ so wider
die Natur/ zu verhindern/ und das mindere zuzu-
laßen; als wann Einer einem Götzen entweder
seinen Sohn/ oder einen Ochsen/ aufopfern wolte/
und Er davon nicht zu bringen/ so solte ich zwar
ihme nicht rathen/ daß Er den Ochsen opferte;
aber wol solte ich den Sohn verbergen/ auf daß
ehunder des Thiers/ als des Menschen Blut/
dem Teufel aufgeopfert werde. Also ist es beßer/
Schmach leiden/ als anthun; vom Hunger ster-

ben/
A a iij

Die 72. Frag/ des 4. Hundert.
mitern rathe/ ſeine Toͤchtere zu beſchlaffen/ damit
Er ein groͤßere Suͤnde abwendete: Aber es war
ihme nicht erlaubt/ ſeine Toͤchtern zur Schande
Jhnen zu uͤberlaßen; wann anders es Jhme
ernſt/ ſolches zu thun/ geweſt ſeyn ſolte. Dann
nicht Alle von diſer des Loths That gleiches Ur-
theil faͤllen; aber in deme uͤbereinkommen/ wann
Er des Willens geweſen/ ſeine Toͤchter zur Unehr
zu uͤbergeben/ daß er geſuͤndiget/ und Sie/ mit ih-
rer Schand/ der Gaͤſte Keuſchheit zu erhalten/
nit gezwungen/ noch durch Vaͤtterlichen Gewalt/
dahin gebracht haben werden koͤnnen. Daher
Etliche darfuͤr halten/ daß Er/ wegen der un-
verſehenen Sach/ beſtuͤrzt/ diſen unweiſen Rath
ergriffen; Andere aber/ daß diſer heylige Mann
vermeint habe/ daß/ durch ſolche ermdrigung/
und Lindigkeit/ die Sodomiter ſolten erweichet
werden/ von ſolchem Bubenſtuck abzuſtehen;
dieweil/ wann ie Sie von beeden uͤbeln nicht laßen
woltẽ/ es beßeꝛ geweſen were/ das groͤßere/ ſo wider
die Natur/ zu verhindern/ und das mindere zuzu-
laßen; als wann Einer einem Goͤtzen entweder
ſeinen Sohn/ oder einen Ochſen/ aufopfern wolte/
und Er davon nicht zu bringen/ ſo ſolte ich zwar
ihme nicht rathen/ daß Er den Ochſen opferte;
aber wol ſolte ich den Sohn verbergen/ auf daß
ehunder des Thiers/ als des Menſchen Blut/
dem Teufel aufgeopfert werde. Alſo iſt es beßer/
Schmach leiden/ als anthun; vom Hunger ſter-

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A a iij
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[373/0397] Die 72. Frag/ des 4. Hundert. mitern rathe/ ſeine Toͤchtere zu beſchlaffen/ damit Er ein groͤßere Suͤnde abwendete: Aber es war ihme nicht erlaubt/ ſeine Toͤchtern zur Schande Jhnen zu uͤberlaßen; wann anders es Jhme ernſt/ ſolches zu thun/ geweſt ſeyn ſolte. Dann nicht Alle von diſer des Loths That gleiches Ur- theil faͤllen; aber in deme uͤbereinkommen/ wann Er des Willens geweſen/ ſeine Toͤchter zur Unehr zu uͤbergeben/ daß er geſuͤndiget/ und Sie/ mit ih- rer Schand/ der Gaͤſte Keuſchheit zu erhalten/ nit gezwungen/ noch durch Vaͤtterlichen Gewalt/ dahin gebracht haben werden koͤnnen. Daher Etliche darfuͤr halten/ daß Er/ wegen der un- verſehenen Sach/ beſtuͤrzt/ diſen unweiſen Rath ergriffen; Andere aber/ daß diſer heylige Mann vermeint habe/ daß/ durch ſolche ermdrigung/ und Lindigkeit/ die Sodomiter ſolten erweichet werden/ von ſolchem Bubenſtuck abzuſtehen; dieweil/ wann ie Sie von beeden uͤbeln nicht laßen woltẽ/ es beßeꝛ geweſen were/ das groͤßere/ ſo wider die Natur/ zu verhindern/ und das mindere zuzu- laßen; als wann Einer einem Goͤtzen entweder ſeinen Sohn/ oder einen Ochſen/ aufopfern wolte/ und Er davon nicht zu bringen/ ſo ſolte ich zwar ihme nicht rathen/ daß Er den Ochſen opferte; aber wol ſolte ich den Sohn verbergen/ auf daß ehunder des Thiers/ als des Menſchen Blut/ dem Teufel aufgeopfert werde. Alſo iſt es beßer/ Schmach leiden/ als anthun; vom Hunger ſter- ben/ A a iij

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Zitationshilfe: Zeiller, Martin: Centvria IV. Variarvm Quæstionvm. Bd. 4. Ulm, 1660, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zeiller_centuria04_1660/397>, abgerufen am 22.11.2024.