Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

vierdes Buch.
Darüm/ wan er entbohten würde/ solte er in diesem
neuen kleide erscheinen.

Also hatte Nitokris schon in vorraht sorge getra-
gen gegen diese zeit. Und das kahm auch itzund sehr
wohl zu statten. Ihr vorsatz war/ den König straks zu
besuchen. Straks wolte sie ihn des Josefs geschiklig-
keit offenbahren. Aber es konte nicht sein. Die Reichs-
stände waren bei ihrem Herrn Vater versamlet. Er
hielt mit ihnen raht über seine Treume. Darüm wol-
te es ihr/ als einem Frauenzimmer/ nicht gebühren/
bei so einer großen versamlung der Herren/ den König
anzusprechen. Ja es wolte ihr/ als einer Tochter/
nicht geziemen/ den Vater in seinen so wüchtigen ge-
schäften durch ihre gegenwart/ zu stöhren. Gleich-
wohl hette sie dem Josef gern geholfen. Die gelegen-
heit darzu war da. Sie hatte sie in den händen. Es
war nicht rahtsam lange zu zaudern. Sie befahrete sich/
sie möchte ihr entschlüpfen. Endlich entschlos sie sich
bei dem Könige schriftlich deswegen einzukommen.
Es muste gewagt sein. Eher konte sie nicht ruhen. Und
in dieser entschliessung entwarf sie folgendes

Schreiben
an den
König/ ihren Herrn Vater.
HErtzhochgeliebter/ Höchstgeehrter Herr Vater/

Ich bin sein Kind. Ich bin seine Tochter.
Ein Kind ist mehr/ als andere/ verpflich-
tet seinem Vater zu dienen. Eine Tochter ist
vor allen verbunden/ dem/ der ihr das leben ge-
geben/ mit ihrem leben zu helfen. Doch hier wird
so viel nicht erheischet. Ein guhter raht kan es

al-
L iij

vierdes Buch.
Daruͤm/ wan er entbohten wuͤrde/ ſolte er in dieſem
neuen kleide erſcheinen.

Alſo hatte Nitokris ſchon in vorraht ſorge getra-
gen gegen dieſe zeit. Und das kahm auch itzund ſehr
wohl zu ſtatten. Ihr vorſatz war/ den Koͤnig ſtraks zu
beſuchen. Straks wolte ſie ihn des Joſefs geſchiklig-
keit offenbahren. Aber es konte nicht ſein. Die Reichs-
ſtaͤnde waren bei ihrem Herꝛn Vater verſamlet. Er
hielt mit ihnen raht uͤber ſeine Treume. Daruͤm wol-
te es ihr/ als einem Frauenzimmer/ nicht gebuͤhren/
bei ſo einer großen verſamlung der Herren/ den Koͤnig
anzuſprechen. Ja es wolte ihr/ als einer Tochter/
nicht geziemen/ den Vater in ſeinen ſo wuͤchtigen ge-
ſchaͤften durch ihre gegenwart/ zu ſtoͤhren. Gleich-
wohl hette ſie dem Joſef gern geholfen. Die gelegen-
heit darzu war da. Sie hatte ſie in den haͤnden. Es
war nicht rahtſam lange zu zaudern. Sie befahrete ſich/
ſie moͤchte ihr entſchluͤpfen. Endlich entſchlos ſie ſich
bei dem Koͤnige ſchriftlich deswegen einzukommen.
Es muſte gewagt ſein. Eher konte ſie nicht ruhen. Und
in dieſer entſchlieſſung entwarf ſie folgendes

Schreiben
an den
Koͤnig/ ihren Herꝛn Vater.
HErtzhochgeliebter/ Hoͤchſtgeehrter Herꝛ Vater/

Ich bin ſein Kind. Ich bin ſeine Tochter.
Ein Kind iſt mehr/ als andere/ verpflich-
tet ſeinem Vater zu dienen. Eine Tochter iſt
vor allen verbunden/ dem/ der ihr das leben ge-
geben/ mit ihrem leben zu helfen. Doch hier wird
ſo viel nicht erheiſchet. Ein guhter raht kan es

al-
L iij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0189" n="165"/><fw place="top" type="header">vierdes Buch.</fw><lb/>
Daru&#x0364;m/ wan er entbohten wu&#x0364;rde/ &#x017F;olte er in die&#x017F;em<lb/>
neuen kleide er&#x017F;cheinen.</p><lb/>
        <p>Al&#x017F;o hatte <hi rendition="#fr">Nitokris</hi> &#x017F;chon in vorraht &#x017F;orge getra-<lb/>
gen gegen die&#x017F;e zeit. Und das kahm auch itzund &#x017F;ehr<lb/>
wohl zu &#x017F;tatten. Ihr vor&#x017F;atz war/ den Ko&#x0364;nig &#x017F;traks zu<lb/>
be&#x017F;uchen. Straks wolte &#x017F;ie ihn des <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;efs</hi> ge&#x017F;chiklig-<lb/>
keit offenbahren. Aber es konte nicht &#x017F;ein. Die Reichs-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde waren bei ihrem Her&#xA75B;n Vater ver&#x017F;amlet. Er<lb/>
hielt mit ihnen raht u&#x0364;ber &#x017F;eine Treume. Daru&#x0364;m wol-<lb/>
te es ihr/ als einem Frauenzimmer/ nicht gebu&#x0364;hren/<lb/>
bei &#x017F;o einer großen ver&#x017F;amlung der Herren/ den Ko&#x0364;nig<lb/>
anzu&#x017F;prechen. Ja es wolte ihr/ als einer Tochter/<lb/>
nicht geziemen/ den Vater in &#x017F;einen &#x017F;o wu&#x0364;chtigen ge-<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;ften durch ihre gegenwart/ zu &#x017F;to&#x0364;hren. Gleich-<lb/>
wohl hette &#x017F;ie dem <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> gern geholfen. Die gelegen-<lb/>
heit darzu war da. Sie hatte &#x017F;ie in den ha&#x0364;nden. Es<lb/>
war nicht raht&#x017F;am lange zu zaudern. Sie befahrete &#x017F;ich/<lb/>
&#x017F;ie mo&#x0364;chte ihr ent&#x017F;chlu&#x0364;pfen. Endlich ent&#x017F;chlos &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
bei dem Ko&#x0364;nige &#x017F;chriftlich deswegen einzukommen.<lb/>
Es mu&#x017F;te gewagt &#x017F;ein. Eher konte &#x017F;ie nicht ruhen. Und<lb/>
in die&#x017F;er ent&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;ung entwarf &#x017F;ie folgendes</p><lb/>
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <head><hi rendition="#b">Schreiben</hi><lb/>
an den<lb/><hi rendition="#b">Ko&#x0364;nig/ ihren Her&#xA75B;n Vater.</hi></head><lb/>
              <salute><hi rendition="#in">H</hi>Ertzhochgeliebter/ Ho&#x0364;ch&#x017F;tgeehrter Her&#xA75B; Vater/</salute><lb/>
              <p> <hi rendition="#fr">Ich bin &#x017F;ein Kind. Ich bin &#x017F;eine Tochter.<lb/>
Ein Kind i&#x017F;t mehr/ als andere/ verpflich-<lb/>
tet &#x017F;einem Vater zu dienen. Eine Tochter i&#x017F;t<lb/>
vor allen verbunden/ dem/ der ihr das leben ge-<lb/>
geben/ mit ihrem leben zu helfen. Doch hier wird<lb/>
&#x017F;o viel nicht erhei&#x017F;chet. Ein guhter raht kan es</hi><lb/>
                <fw place="bottom" type="sig">L iij</fw>
                <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">al-</hi> </fw><lb/>
              </p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0189] vierdes Buch. Daruͤm/ wan er entbohten wuͤrde/ ſolte er in dieſem neuen kleide erſcheinen. Alſo hatte Nitokris ſchon in vorraht ſorge getra- gen gegen dieſe zeit. Und das kahm auch itzund ſehr wohl zu ſtatten. Ihr vorſatz war/ den Koͤnig ſtraks zu beſuchen. Straks wolte ſie ihn des Joſefs geſchiklig- keit offenbahren. Aber es konte nicht ſein. Die Reichs- ſtaͤnde waren bei ihrem Herꝛn Vater verſamlet. Er hielt mit ihnen raht uͤber ſeine Treume. Daruͤm wol- te es ihr/ als einem Frauenzimmer/ nicht gebuͤhren/ bei ſo einer großen verſamlung der Herren/ den Koͤnig anzuſprechen. Ja es wolte ihr/ als einer Tochter/ nicht geziemen/ den Vater in ſeinen ſo wuͤchtigen ge- ſchaͤften durch ihre gegenwart/ zu ſtoͤhren. Gleich- wohl hette ſie dem Joſef gern geholfen. Die gelegen- heit darzu war da. Sie hatte ſie in den haͤnden. Es war nicht rahtſam lange zu zaudern. Sie befahrete ſich/ ſie moͤchte ihr entſchluͤpfen. Endlich entſchlos ſie ſich bei dem Koͤnige ſchriftlich deswegen einzukommen. Es muſte gewagt ſein. Eher konte ſie nicht ruhen. Und in dieſer entſchlieſſung entwarf ſie folgendes Schreiben an den Koͤnig/ ihren Herꝛn Vater. HErtzhochgeliebter/ Hoͤchſtgeehrter Herꝛ Vater/ Ich bin ſein Kind. Ich bin ſeine Tochter. Ein Kind iſt mehr/ als andere/ verpflich- tet ſeinem Vater zu dienen. Eine Tochter iſt vor allen verbunden/ dem/ der ihr das leben ge- geben/ mit ihrem leben zu helfen. Doch hier wird ſo viel nicht erheiſchet. Ein guhter raht kan es al- L iij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/189
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/189>, abgerufen am 22.12.2024.