Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Assenat
gen augen an. Der Misgunst Unke war/ aus allen
hertzen/ in seinen mistpfuhl verwiesen. Josef ward
von iederman gelobet/ geliebet/ begünstiget. Niemand
hatte nur die gedanken ihn zu tadeln/ zu hassen/ oder
ungünstig anzublikken.

In solcher vergnügung auf allen seiten ward diese
herliche mahlzeit volbracht. Der König/ samt allen
Fürsten/ und dem gantzen Adel/ erhub sich zuerst. Dar-
nach folgete die Königin/ mit allen Fürstinnen/ und
dem gantzen Frauenzimmer. Die Herren hielten dem
Könige/ auf dem Tafelsaale/ noch eine zeit lang gesel-
schaft. Aber die Königin nahm/ mit dem Frauenzim-
mer/ ihren abtrit. Weil sie nun alda/ wo bei dem Kö-
nige Josef stund/ vorbei musten; so rieffen sie dem
neuerkohrnen Schaltkönige/ im vorübergehen/ alle nach
der reihe glük zu! Josef bedankte sich gegen eine iede
mit der allertiefsten ehrerbietigkeit. Nicht lange dar-
nach schieden die Herren auch voneinander.

Vor den Josef hatte man auf der Burg zwei köst-
liche Zimmer zubereitet. Dahin führete ihn der König
selbsten. Und als sie alda ein wenig sprache gehalten/
gingen sie beide zur Königin. Leise befahl der König die
tühre zu eröfnen. Leise trahten sie hinein. Unversehens
überrascheten sie das Frauenzimmer. Niemand ward
ihrer gewahr/ als da der König redete. Die Königliche
Fürstin Nitokris war die erste/ die den Josef erblikte.
Straks gab sie der Frau Mutter einen wink/ daß der
neue Schaltkönig vorhanden. Die Königin wendete
sich nach ihm zu/ ihn wilkommen zu heissen. Geschwin-
de hastete sich Josef ihr entgegen/ die zugereichte hand
zu küssen. Kurtz/ doch anmuhtig waren die ersten höf-
ligkeiten auf beiden teilen. Josef traht wieder in et-
was zurük. Aber die Königliche Fürstin gab ihm/ durch
entblößung ihrer hand und bewegung ihrer füße/ ein
zeichen/ daß sie ihn ebenmäßig empfangen wolte. Ei-

lend

Der Aſſenat
gen augen an. Der Misgunſt Unke war/ aus allen
hertzen/ in ſeinen miſtpfuhl verwieſen. Joſef ward
von iederman gelobet/ geliebet/ beguͤnſtiget. Niemand
hatte nur die gedanken ihn zu tadeln/ zu haſſen/ oder
unguͤnſtig anzublikken.

In ſolcher vergnuͤgung auf allen ſeiten ward dieſe
herliche mahlzeit volbracht. Der Koͤnig/ ſamt allen
Fuͤrſten/ und dem gantzen Adel/ erhub ſich zuerſt. Dar-
nach folgete die Koͤnigin/ mit allen Fuͤrſtinnen/ und
dem gantzen Frauenzimmer. Die Herren hielten dem
Koͤnige/ auf dem Tafelſaale/ noch eine zeit lang geſel-
ſchaft. Aber die Koͤnigin nahm/ mit dem Frauenzim-
mer/ ihren abtrit. Weil ſie nun alda/ wo bei dem Koͤ-
nige Joſef ſtund/ vorbei muſten; ſo rieffen ſie dem
neuerkohrnen Schaltkoͤnige/ im voruͤbergehen/ alle nach
der reihe gluͤk zu! Joſef bedankte ſich gegen eine iede
mit der allertiefſten ehrerbietigkeit. Nicht lange dar-
nach ſchieden die Herren auch voneinander.

Vor den Joſef hatte man auf der Burg zwei koͤſt-
liche Zimmer zubereitet. Dahin fuͤhrete ihn der Koͤnig
ſelbſten. Und als ſie alda ein wenig ſprache gehalten/
gingen ſie beide zur Koͤnigin. Leiſe befahl der Koͤnig die
tuͤhre zu eroͤfnen. Leiſe trahten ſie hinein. Unverſehens
uͤberraſcheten ſie das Frauenzimmer. Niemand ward
ihrer gewahr/ als da der Koͤnig redete. Die Koͤnigliche
Fuͤrſtin Nitokris war die erſte/ die den Joſef erblikte.
Straks gab ſie der Frau Mutter einen wink/ daß der
neue Schaltkoͤnig vorhanden. Die Koͤnigin wendete
ſich nach ihm zu/ ihn wilkommen zu heiſſen. Geſchwin-
de haſtete ſich Joſef ihr entgegen/ die zugereichte hand
zu kuͤſſen. Kurtz/ doch anmuhtig waren die erſten hoͤf-
ligkeiten auf beiden teilen. Joſef traht wieder in et-
was zuruͤk. Aber die Koͤnigliche Fuͤrſtin gab ihm/ durch
entbloͤßung ihrer hand und bewegung ihrer fuͤße/ ein
zeichen/ daß ſie ihn ebenmaͤßig empfangen wolte. Ei-

lend
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0206" n="182"/><fw place="top" type="header">Der A&#x017F;&#x017F;enat</fw><lb/>
gen augen an. Der Misgun&#x017F;t Unke war/ aus allen<lb/>
hertzen/ in &#x017F;einen mi&#x017F;tpfuhl verwie&#x017F;en. <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> ward<lb/>
von iederman gelobet/ geliebet/ begu&#x0364;n&#x017F;tiget. Niemand<lb/>
hatte nur die gedanken ihn zu tadeln/ zu ha&#x017F;&#x017F;en/ oder<lb/>
ungu&#x0364;n&#x017F;tig anzublikken.</p><lb/>
        <p>In &#x017F;olcher vergnu&#x0364;gung auf allen &#x017F;eiten ward die&#x017F;e<lb/>
herliche mahlzeit volbracht. Der Ko&#x0364;nig/ &#x017F;amt allen<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten/ und dem gantzen Adel/ erhub &#x017F;ich zuer&#x017F;t. Dar-<lb/>
nach folgete die Ko&#x0364;nigin/ mit allen Fu&#x0364;r&#x017F;tinnen/ und<lb/>
dem gantzen Frauenzimmer. Die Herren hielten dem<lb/>
Ko&#x0364;nige/ auf dem Tafel&#x017F;aale/ noch eine zeit lang ge&#x017F;el-<lb/>
&#x017F;chaft. Aber die Ko&#x0364;nigin nahm/ mit dem Frauenzim-<lb/>
mer/ ihren abtrit. Weil &#x017F;ie nun alda/ wo bei dem Ko&#x0364;-<lb/>
nige <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> &#x017F;tund/ vorbei mu&#x017F;ten; &#x017F;o rieffen &#x017F;ie dem<lb/>
neuerkohrnen Schaltko&#x0364;nige/ im voru&#x0364;bergehen/ alle nach<lb/>
der reihe glu&#x0364;k zu! <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> bedankte &#x017F;ich gegen eine iede<lb/>
mit der allertief&#x017F;ten ehrerbietigkeit. Nicht lange dar-<lb/>
nach &#x017F;chieden die Herren auch voneinander.</p><lb/>
        <p>Vor den <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> hatte man auf der Burg zwei ko&#x0364;&#x017F;t-<lb/>
liche Zimmer zubereitet. Dahin fu&#x0364;hrete ihn der Ko&#x0364;nig<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;ten. Und als &#x017F;ie alda ein wenig &#x017F;prache gehalten/<lb/>
gingen &#x017F;ie beide zur Ko&#x0364;nigin. Lei&#x017F;e befahl der Ko&#x0364;nig die<lb/>
tu&#x0364;hre zu ero&#x0364;fnen. Lei&#x017F;e trahten &#x017F;ie hinein. Unver&#x017F;ehens<lb/>
u&#x0364;berra&#x017F;cheten &#x017F;ie das Frauenzimmer. Niemand ward<lb/>
ihrer gewahr/ als da der Ko&#x0364;nig redete. Die Ko&#x0364;nigliche<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;tin <hi rendition="#fr">Nitokris</hi> war die er&#x017F;te/ die den <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> erblikte.<lb/>
Straks gab &#x017F;ie der Frau Mutter einen wink/ daß der<lb/>
neue Schaltko&#x0364;nig vorhanden. Die Ko&#x0364;nigin wendete<lb/>
&#x017F;ich nach ihm zu/ ihn wilkommen zu hei&#x017F;&#x017F;en. Ge&#x017F;chwin-<lb/>
de ha&#x017F;tete &#x017F;ich <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> ihr entgegen/ die zugereichte hand<lb/>
zu ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Kurtz/ doch anmuhtig waren die er&#x017F;ten ho&#x0364;f-<lb/>
ligkeiten auf beiden teilen. <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ef</hi> traht wieder in et-<lb/>
was zuru&#x0364;k. Aber die Ko&#x0364;nigliche Fu&#x0364;r&#x017F;tin gab ihm/ durch<lb/>
entblo&#x0364;ßung ihrer hand und bewegung ihrer fu&#x0364;ße/ ein<lb/>
zeichen/ daß &#x017F;ie ihn ebenma&#x0364;ßig empfangen wolte. Ei-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lend</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0206] Der Aſſenat gen augen an. Der Misgunſt Unke war/ aus allen hertzen/ in ſeinen miſtpfuhl verwieſen. Joſef ward von iederman gelobet/ geliebet/ beguͤnſtiget. Niemand hatte nur die gedanken ihn zu tadeln/ zu haſſen/ oder unguͤnſtig anzublikken. In ſolcher vergnuͤgung auf allen ſeiten ward dieſe herliche mahlzeit volbracht. Der Koͤnig/ ſamt allen Fuͤrſten/ und dem gantzen Adel/ erhub ſich zuerſt. Dar- nach folgete die Koͤnigin/ mit allen Fuͤrſtinnen/ und dem gantzen Frauenzimmer. Die Herren hielten dem Koͤnige/ auf dem Tafelſaale/ noch eine zeit lang geſel- ſchaft. Aber die Koͤnigin nahm/ mit dem Frauenzim- mer/ ihren abtrit. Weil ſie nun alda/ wo bei dem Koͤ- nige Joſef ſtund/ vorbei muſten; ſo rieffen ſie dem neuerkohrnen Schaltkoͤnige/ im voruͤbergehen/ alle nach der reihe gluͤk zu! Joſef bedankte ſich gegen eine iede mit der allertiefſten ehrerbietigkeit. Nicht lange dar- nach ſchieden die Herren auch voneinander. Vor den Joſef hatte man auf der Burg zwei koͤſt- liche Zimmer zubereitet. Dahin fuͤhrete ihn der Koͤnig ſelbſten. Und als ſie alda ein wenig ſprache gehalten/ gingen ſie beide zur Koͤnigin. Leiſe befahl der Koͤnig die tuͤhre zu eroͤfnen. Leiſe trahten ſie hinein. Unverſehens uͤberraſcheten ſie das Frauenzimmer. Niemand ward ihrer gewahr/ als da der Koͤnig redete. Die Koͤnigliche Fuͤrſtin Nitokris war die erſte/ die den Joſef erblikte. Straks gab ſie der Frau Mutter einen wink/ daß der neue Schaltkoͤnig vorhanden. Die Koͤnigin wendete ſich nach ihm zu/ ihn wilkommen zu heiſſen. Geſchwin- de haſtete ſich Joſef ihr entgegen/ die zugereichte hand zu kuͤſſen. Kurtz/ doch anmuhtig waren die erſten hoͤf- ligkeiten auf beiden teilen. Joſef traht wieder in et- was zuruͤk. Aber die Koͤnigliche Fuͤrſtin gab ihm/ durch entbloͤßung ihrer hand und bewegung ihrer fuͤße/ ein zeichen/ daß ſie ihn ebenmaͤßig empfangen wolte. Ei- lend

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/206
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/206>, abgerufen am 22.12.2024.