Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

Bild:
<< vorherige Seite

sechstes Buch.
Jederman verlangte das ende zu sehen. Jederman
wündschte zu wissen/ was den König bewogen diesen Li-
bier
so hoch zu würdigen. Nach einer guhten weile stund
der König plötzlich auf. So stehende trunk er dem Schalt-
könige die gesundheit des Königlichen Fürstens aus Li-
bien
zu. Der Schaltkönig erhub sich gleichergestalt. So
täht auch der Libier/ mit tiefster ehrerbietigkeit. War
man zuvor verwundert gewesen/ daß der König diesen
Libier so hoch geehret; so war man es itzund noch viel
mehr/ da er eine solche gesundheit anfing. Niemand kon-
te begreiffen zu was ende. Man geriet in die gedanken/
dieser Libier were vielleicht ein Gesanter aus Libien.
Dan keiner bildete ihm ein/ daß er der Königliche Fürst
selbsten sei: auch Nitokris nicht. In solchen zweifel-
haftigen gedanken warden sie diesen gantzen tag gelas-
sen. So schied man auch voneinander. Inmittels hatte
der König befohlen seinen schönsten Stahtswagen an-
zuspannen. Hiermit ward der Libier/ durch etliche
Höflinge begleitet/ in sein würtshaus gebracht. Diese
Höflinge beschenkte er alle mit köstlichen güldenen ket-
ten. Der Königliche Kutscher bekahm zweihundert
goldgülden. Wunderlich kahm ihnen diese große frei-
gebigkeit vor. Solche ungewöhnliche geschenke veruhr-
sachten allerhand gedanken. Noch denselben abend be-
kahm die königliche Fürst in dieses alles zu wissen. Auch
wolte sie bei ihrem Herrn Vater sich erkundigen/ wer
dieser Libier sei. Er aber gab ihr keinen andern be-
scheid/ als daß sie sich bis auf den morgen gedulden sol-
te; da würde sie es selbst sehen. Diese worte machten sie
zimlich unruhig. Nun begunte sie ihn höher zu halten/
als einen Edelgesteinhändler; auch höher/ als einen Ge-
santen. Nun betrachtete sie erst sein wesen/ seine gebähr-
den/ seine geschikligkeit. Alles kahm ihr höher und edeler
vor/ als eines solchen/ der nicht aus Königlichem
bluht entsprossen. Und mit solcher betrachtung brach-

te

ſechſtes Buch.
Jederman verlangte das ende zu ſehen. Jederman
wuͤndſchte zu wiſſen/ was den Koͤnig bewogen dieſen Li-
bier
ſo hoch zu wuͤrdigen. Nach einer guhten weile ſtund
der Koͤnig ploͤtzlich auf. So ſtehende trunk er dem Schalt-
koͤnige die geſundheit des Koͤniglichen Fuͤrſtens aus Li-
bien
zu. Der Schaltkoͤnig erhub ſich gleichergeſtalt. So
taͤht auch der Libier/ mit tiefſter ehrerbietigkeit. War
man zuvor verwundert geweſen/ daß der Koͤnig dieſen
Libier ſo hoch geehret; ſo war man es itzund noch viel
mehr/ da er eine ſolche geſundheit anfing. Niemand kon-
te begreiffen zu was ende. Man geriet in die gedanken/
dieſer Libier were vielleicht ein Geſanter aus Libien.
Dan keiner bildete ihm ein/ daß er der Koͤnigliche Fuͤrſt
ſelbſten ſei: auch Nitokris nicht. In ſolchen zweifel-
haftigen gedanken warden ſie dieſen gantzen tag gelas-
ſen. So ſchied man auch voneinander. Inmittels hatte
der Koͤnig befohlen ſeinen ſchoͤnſten Stahtswagen an-
zuſpannen. Hiermit ward der Libier/ durch etliche
Hoͤflinge begleitet/ in ſein wuͤrtshaus gebracht. Dieſe
Hoͤflinge beſchenkte er alle mit koͤſtlichen guͤldenen ket-
ten. Der Koͤnigliche Kutſcher bekahm zweihundert
goldguͤlden. Wunderlich kahm ihnen diéſe große frei-
gebigkeit vor. Solche ungewoͤhnliche geſchenke veruhr-
ſachten allerhand gedanken. Noch denſelben abend be-
kahm die koͤnigliche Fuͤrſt in dieſes alles zu wiſſen. Auch
wolte ſie bei ihrem Herꝛn Vater ſich erkundigen/ wer
dieſer Libier ſei. Er aber gab ihr keinen andern be-
ſcheid/ als daß ſie ſich bis auf den morgen gedulden ſol-
te; da wuͤrde ſie es ſelbſt ſehen. Dieſe worte machten ſie
zimlich unruhig. Nun begunte ſie ihn hoͤher zu halten/
als einen Edelgeſteinhaͤndler; auch hoͤher/ als einen Ge-
ſanten. Nun betrachtete ſie erſt ſein weſen/ ſeine gebaͤhr-
den/ ſeine geſchikligkeit. Alles kahm ihr hoͤher und edeler
vor/ als eines ſolchen/ der nicht aus Koͤniglichem
bluht entſproſſen. Und mit ſolcher betrachtung brach-

te
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0275" n="251"/><fw place="top" type="header">&#x017F;ech&#x017F;tes Buch.</fw><lb/>
Jederman verlangte das ende zu &#x017F;ehen. Jederman<lb/>
wu&#x0364;nd&#x017F;chte zu wi&#x017F;&#x017F;en/ was den Ko&#x0364;nig bewogen die&#x017F;en <hi rendition="#fr">Li-<lb/>
bier</hi> &#x017F;o hoch zu wu&#x0364;rdigen. Nach einer guhten weile &#x017F;tund<lb/>
der Ko&#x0364;nig plo&#x0364;tzlich auf. So &#x017F;tehende trunk er dem Schalt-<lb/>
ko&#x0364;nige die ge&#x017F;undheit des Ko&#x0364;niglichen Fu&#x0364;r&#x017F;tens aus <hi rendition="#fr">Li-<lb/>
bien</hi> zu. Der Schaltko&#x0364;nig erhub &#x017F;ich gleicherge&#x017F;talt. So<lb/>
ta&#x0364;ht auch der <hi rendition="#fr">Libier</hi>/ mit tief&#x017F;ter ehrerbietigkeit. War<lb/>
man zuvor verwundert gewe&#x017F;en/ daß der Ko&#x0364;nig die&#x017F;en<lb/><hi rendition="#fr">Libier</hi> &#x017F;o hoch geehret; &#x017F;o war man es itzund noch viel<lb/>
mehr/ da er eine &#x017F;olche ge&#x017F;undheit anfing. Niemand kon-<lb/>
te begreiffen zu was ende. Man geriet in die gedanken/<lb/>
die&#x017F;er <hi rendition="#fr">Libier</hi> were vielleicht ein Ge&#x017F;anter aus <hi rendition="#fr">Libien.</hi><lb/>
Dan keiner bildete ihm ein/ daß er der Ko&#x0364;nigliche Fu&#x0364;r&#x017F;t<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;ten &#x017F;ei: auch <hi rendition="#fr">Nitokris</hi> nicht. In &#x017F;olchen zweifel-<lb/>
haftigen gedanken warden &#x017F;ie die&#x017F;en gantzen tag gelas-<lb/>
&#x017F;en. So &#x017F;chied man auch voneinander. Inmittels hatte<lb/>
der Ko&#x0364;nig befohlen &#x017F;einen &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Stahtswagen an-<lb/>
zu&#x017F;pannen. Hiermit ward der <hi rendition="#fr">Libier</hi>/ durch etliche<lb/>
Ho&#x0364;flinge begleitet/ in &#x017F;ein wu&#x0364;rtshaus gebracht. Die&#x017F;e<lb/>
Ho&#x0364;flinge be&#x017F;chenkte er alle mit ko&#x0364;&#x017F;tlichen gu&#x0364;ldenen ket-<lb/>
ten. Der Ko&#x0364;nigliche Kut&#x017F;cher bekahm zweihundert<lb/>
goldgu&#x0364;lden. Wunderlich kahm ihnen dié&#x017F;e große frei-<lb/>
gebigkeit vor. Solche ungewo&#x0364;hnliche ge&#x017F;chenke veruhr-<lb/>
&#x017F;achten allerhand gedanken. Noch den&#x017F;elben abend be-<lb/>
kahm die ko&#x0364;nigliche Fu&#x0364;r&#x017F;t in die&#x017F;es alles zu wi&#x017F;&#x017F;en. Auch<lb/>
wolte &#x017F;ie bei ihrem Her&#xA75B;n Vater &#x017F;ich erkundigen/ wer<lb/>
die&#x017F;er <hi rendition="#fr">Libier</hi> &#x017F;ei. Er aber gab ihr keinen andern be-<lb/>
&#x017F;cheid/ als daß &#x017F;ie &#x017F;ich bis auf den morgen gedulden &#x017F;ol-<lb/>
te; da wu&#x0364;rde &#x017F;ie es &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ehen. Die&#x017F;e worte machten &#x017F;ie<lb/>
zimlich unruhig. Nun begunte &#x017F;ie ihn ho&#x0364;her zu halten/<lb/>
als einen Edelge&#x017F;teinha&#x0364;ndler; auch ho&#x0364;her/ als einen Ge-<lb/>
&#x017F;anten. Nun betrachtete &#x017F;ie er&#x017F;t &#x017F;ein we&#x017F;en/ &#x017F;eine geba&#x0364;hr-<lb/>
den/ &#x017F;eine ge&#x017F;chikligkeit. Alles kahm ihr ho&#x0364;her und edeler<lb/>
vor/ als eines &#x017F;olchen/ der nicht aus Ko&#x0364;niglichem<lb/>
bluht ent&#x017F;pro&#x017F;&#x017F;en. Und mit &#x017F;olcher betrachtung brach-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">te</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[251/0275] ſechſtes Buch. Jederman verlangte das ende zu ſehen. Jederman wuͤndſchte zu wiſſen/ was den Koͤnig bewogen dieſen Li- bier ſo hoch zu wuͤrdigen. Nach einer guhten weile ſtund der Koͤnig ploͤtzlich auf. So ſtehende trunk er dem Schalt- koͤnige die geſundheit des Koͤniglichen Fuͤrſtens aus Li- bien zu. Der Schaltkoͤnig erhub ſich gleichergeſtalt. So taͤht auch der Libier/ mit tiefſter ehrerbietigkeit. War man zuvor verwundert geweſen/ daß der Koͤnig dieſen Libier ſo hoch geehret; ſo war man es itzund noch viel mehr/ da er eine ſolche geſundheit anfing. Niemand kon- te begreiffen zu was ende. Man geriet in die gedanken/ dieſer Libier were vielleicht ein Geſanter aus Libien. Dan keiner bildete ihm ein/ daß er der Koͤnigliche Fuͤrſt ſelbſten ſei: auch Nitokris nicht. In ſolchen zweifel- haftigen gedanken warden ſie dieſen gantzen tag gelas- ſen. So ſchied man auch voneinander. Inmittels hatte der Koͤnig befohlen ſeinen ſchoͤnſten Stahtswagen an- zuſpannen. Hiermit ward der Libier/ durch etliche Hoͤflinge begleitet/ in ſein wuͤrtshaus gebracht. Dieſe Hoͤflinge beſchenkte er alle mit koͤſtlichen guͤldenen ket- ten. Der Koͤnigliche Kutſcher bekahm zweihundert goldguͤlden. Wunderlich kahm ihnen diéſe große frei- gebigkeit vor. Solche ungewoͤhnliche geſchenke veruhr- ſachten allerhand gedanken. Noch denſelben abend be- kahm die koͤnigliche Fuͤrſt in dieſes alles zu wiſſen. Auch wolte ſie bei ihrem Herꝛn Vater ſich erkundigen/ wer dieſer Libier ſei. Er aber gab ihr keinen andern be- ſcheid/ als daß ſie ſich bis auf den morgen gedulden ſol- te; da wuͤrde ſie es ſelbſt ſehen. Dieſe worte machten ſie zimlich unruhig. Nun begunte ſie ihn hoͤher zu halten/ als einen Edelgeſteinhaͤndler; auch hoͤher/ als einen Ge- ſanten. Nun betrachtete ſie erſt ſein weſen/ ſeine gebaͤhr- den/ ſeine geſchikligkeit. Alles kahm ihr hoͤher und edeler vor/ als eines ſolchen/ der nicht aus Koͤniglichem bluht entſproſſen. Und mit ſolcher betrachtung brach- te

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/275
Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/275>, abgerufen am 27.07.2024.