Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.Der Assenat machen könte; so wolte er ihn zuvörderst vor diese fe-stung/ sie zu gewinnen/ gewiesen haben. Eben als der König diese worte redete/ kahm zu guhtem glükke die Königliche Fürstin in den laubergang/ da sie saßen. Sie ging/ in tieffen gedanken/ eine guhte weile fort. Und also ward sie ihrer nicht eher gewahr/ als bis sie gantz nahe zu ihnen gelangte. So bald sie des Libischen Fürstens ansichtig ward/ kehrete sie eilend zurük. Aber der König rief; sie solte stand halten. Und hiermit er- huben sie sich/ ihr entgegen zu gehen. Ist meine Tochter/ redete sie der König an/ nun so schüch- tern worden/ daß sie vor Menschen fliehet? Hier siehet sie vor ihren augen zwee/ die ihr alle liebe zu erzeigen gebohren. Der eine ist ihr Vater: der andere/ wan es den Göttern beliebet/ ihr künftiges Ehgemahl. Auf diese worte traht der Fürstin die schaamröhte gezie-
Der Aſſenat machen koͤnte; ſo wolte er ihn zuvoͤrderſt vor dieſe fe-ſtung/ ſie zu gewinnen/ gewieſen haben. Eben als der Koͤnig dieſe worte redete/ kahm zu guhtem gluͤkke die Koͤnigliche Fuͤrſtin in den laubergang/ da ſie ſaßen. Sie ging/ in tieffen gedanken/ eine guhte weile fort. Und alſo ward ſie ihrer nicht eher gewahr/ als bis ſie gantz nahe zu ihnen gelangte. So bald ſie des Libiſchen Fuͤrſtens anſichtig ward/ kehrete ſie eilend zuruͤk. Aber der Koͤnig rief; ſie ſolte ſtand halten. Und hiermit er- huben ſie ſich/ ihr entgegen zu gehen. Iſt meine Tochter/ redete ſie der Koͤnig an/ nun ſo ſchuͤch- tern worden/ daß ſie vor Menſchen fliehet? Hier ſiehet ſie vor ihren augen zwee/ die ihr alle liebe zu erzeigen gebohren. Der eine iſt ihr Vater: der andere/ wan es den Goͤttern beliebet/ ihr kuͤnftiges Ehgemahl. Auf dieſe worte traht der Fuͤrſtin die ſchaamroͤhte gezie-
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Der Aſſenat
machen koͤnte; ſo wolte er ihn zuvoͤrderſt vor dieſe fe-
ſtung/ ſie zu gewinnen/ gewieſen haben. Eben als
der Koͤnig dieſe worte redete/ kahm zu guhtem gluͤkke
die Koͤnigliche Fuͤrſtin in den laubergang/ da ſie ſaßen.
Sie ging/ in tieffen gedanken/ eine guhte weile fort.
Und alſo ward ſie ihrer nicht eher gewahr/ als bis ſie
gantz nahe zu ihnen gelangte. So bald ſie des Libiſchen
Fuͤrſtens anſichtig ward/ kehrete ſie eilend zuruͤk. Aber
der Koͤnig rief; ſie ſolte ſtand halten. Und hiermit er-
huben ſie ſich/ ihr entgegen zu gehen. Iſt meine
Tochter/ redete ſie der Koͤnig an/ nun ſo ſchuͤch-
tern worden/ daß ſie vor Menſchen fliehet?
Hier ſiehet ſie vor ihren augen zwee/ die ihr alle
liebe zu erzeigen gebohren. Der eine iſt ihr Vater:
der andere/ wan es den Goͤttern beliebet/ ihr
kuͤnftiges Ehgemahl.
Auf dieſe worte traht der Fuͤrſtin die ſchaamroͤhte
ſo ſtark insgeſichte/ daß ſie ſich gantz entfaͤrbete. Das
antlitz ſchlug ſie zuͤchtiglich nieder. Die bloͤdigkeit/ die
eingezogenheit/ die ſitſamkeit miſcheten ſich alle zuſam-
men unter ihre ſtille gebaͤhrden. Die ſchaam ſchlos ihre
lippen dermaßen/ daß ſie ſchier zu keiner bewegung zu
bringen. Der mund vermochte kein wort zu machen.
Die augen ſtunden in ihren hoͤhlen gantz ſtil/ und kaum
halb offen. Wan ein Mahler die Schaamhaftigkeit
abbilden wollen/ ſo hette er es eigendlicher nicht tuhn
koͤnnen/ als nach dieſem ſo niedergeſchlagenem weſen.
Eine guhte weile blieb ſie ſo ſchaamhaftig ſtehen. Eine
guhte weile durfte ſie nicht aufblikken/ weder nach dem
Koͤnige/ noch dem Koͤniglichen Fuͤrſten zu. Endlich
begunte ſie ihrer was maͤchtig zu werden. Endlich er-
hub ſich ein bliklein/ erſt nach dem Koͤnige/ und dan
nach dem Libier. Den blikken folgete die ſprache; wie-
wohl ſehr ſchwach/ und halb gebrochen. Sie begunte
ſich zu entſchuldigen. Sie wendete vor/ daß ihr nicht
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