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Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670.

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Der Assenat

Was huldigen? fing Simeon das wort auf. Wir
wollen ihm auf den kopf huldigen/ dem Traumkönige/
dem Schwarmfürsten/ der er ist. Huldigen wollen wir
ihm/ daß er es fühlen sol. Sein bunter Fürstenrok
mus zerflauschet; er mus in seinem bluhte gepurper-
färbet werden. So bekömt er eine recht königliche far-
be. Warüm fallen wir ihn nicht straks an? Warüm
reissen wir ihn/ den hoffärtigen Prahlfürsten/ nicht
straks zu bodem? Der stoltze hochtrabende kopf mus
herunter. Den aufgeblasenen hochbrüstigen rumpf mus
die erde verschlingen/ oder die schündgrube den hunden
zu fressen geben. Das sei ihm geschwohren. Zu diesem
schwuhre seind wir alle verbunden.

Hiermit ging das fluchen/ das rasen/ das toben erst
recht an. Fast die meisten wühteten/ als die ein toller
hund gebissen. Ruben aber und Judah trahten aber-
mahl ins mittel. Diese suchten Josefs leben zu retten.
Versündigt euch nicht/ sagten sie/ an eurem Bruder.
Besudelt eure hände ja nicht mit seinem unschuldigen
bluhte. Dieses bluht wird uns vor Gott anklagen/
und üm rache rufen. Dieses bluht wird unsern alten
Vater in die grube bringen. Ja es wird unser gewis-
sen uns zu einem ewig nagendem wurme machen.
Dis allein würde vor uns strafe genug sein: ob schon
der Richter im Himmel stil darzu schwiege. Aber er
wird nicht schweigen. Er hat seine strafruhte schon in
der hand. Was sage ich von der ruhte? Sein schwert
hat er gewetzet. Damit dreuet er uns zu verderben. Ge-
denket doch an Kain/ der erstgebohrnen aller Menschen.
Er beging auch einen brudermord am Abel. Aber A-
bels
bluht schriehe zu Gott: und was Gott vor rache
aus geübet/ ist euch nicht unbekant.

Als sie aber sahen/ daß diese bluhtdürstigen/ durch
solche reden/ nach Josefs bluhte nur dürstiger warden;
so hingen sie den mantel nach dem winde. Sie stelleten

sich
Der Aſſenat

Was huldigen? fing Simeon das wort auf. Wir
wollen ihm auf den kopf huldigen/ dem Traumkoͤnige/
dem Schwarmfuͤrſten/ der er iſt. Huldigen wollen wir
ihm/ daß er es fuͤhlen ſol. Sein bunter Fuͤrſtenrok
mus zerflauſchet; er mus in ſeinem bluhte gepurper-
faͤrbet werden. So bekoͤmt er eine recht koͤnigliche far-
be. Waruͤm fallen wir ihn nicht ſtraks an? Waruͤm
reiſſen wir ihn/ den hoffaͤrtigen Prahlfuͤrſten/ nicht
ſtraks zu bodem? Der ſtoltze hochtrabende kopf mus
herunter. Den aufgeblaſenen hochbruͤſtigen rumpf mus
die erde verſchlingen/ oder die ſchuͤndgrube den hunden
zu freſſen geben. Das ſei ihm geſchwohren. Zu dieſem
ſchwuhre ſeind wir alle verbunden.

Hiermit ging das fluchen/ das raſen/ das toben erſt
recht an. Faſt die meiſten wuͤhteten/ als die ein toller
hund gebiſſen. Ruben aber und Judah trahten aber-
mahl ins mittel. Dieſe ſuchten Joſefs leben zu retten.
Verſuͤndigt euch nicht/ ſagten ſie/ an eurem Bruder.
Beſudelt eure haͤnde ja nicht mit ſeinem unſchuldigen
bluhte. Dieſes bluht wird uns vor Gott anklagen/
und uͤm rache rufen. Dieſes bluht wird unſern alten
Vater in die grube bringen. Ja es wird unſer gewiſ-
ſen uns zu einem ewig nagendem wurme machen.
Dis allein wuͤrde vor uns ſtrafe genug ſein: ob ſchon
der Richter im Himmel ſtil darzu ſchwiege. Aber er
wird nicht ſchweigen. Er hat ſeine ſtrafruhte ſchon in
der hand. Was ſage ich von der ruhte? Sein ſchwert
hat er gewetzet. Damit dreuet er uns zu verderben. Ge-
denket doch an Kain/ der erſtgebohrnen aller Menſchen.
Er beging auch einen brudermord am Abel. Aber A-
bels
bluht ſchriehe zu Gott: und was Gott vor rache
aus geuͤbet/ iſt euch nicht unbekant.

Als ſie aber ſahen/ daß dieſe bluhtduͤrſtigen/ durch
ſolche reden/ nach Joſefs bluhte nur duͤrſtiger warden;
ſo hingen ſie den mantel nach dem winde. Sie ſtelleten

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[70/0094] Der Aſſenat Was huldigen? fing Simeon das wort auf. Wir wollen ihm auf den kopf huldigen/ dem Traumkoͤnige/ dem Schwarmfuͤrſten/ der er iſt. Huldigen wollen wir ihm/ daß er es fuͤhlen ſol. Sein bunter Fuͤrſtenrok mus zerflauſchet; er mus in ſeinem bluhte gepurper- faͤrbet werden. So bekoͤmt er eine recht koͤnigliche far- be. Waruͤm fallen wir ihn nicht ſtraks an? Waruͤm reiſſen wir ihn/ den hoffaͤrtigen Prahlfuͤrſten/ nicht ſtraks zu bodem? Der ſtoltze hochtrabende kopf mus herunter. Den aufgeblaſenen hochbruͤſtigen rumpf mus die erde verſchlingen/ oder die ſchuͤndgrube den hunden zu freſſen geben. Das ſei ihm geſchwohren. Zu dieſem ſchwuhre ſeind wir alle verbunden. Hiermit ging das fluchen/ das raſen/ das toben erſt recht an. Faſt die meiſten wuͤhteten/ als die ein toller hund gebiſſen. Ruben aber und Judah trahten aber- mahl ins mittel. Dieſe ſuchten Joſefs leben zu retten. Verſuͤndigt euch nicht/ ſagten ſie/ an eurem Bruder. Beſudelt eure haͤnde ja nicht mit ſeinem unſchuldigen bluhte. Dieſes bluht wird uns vor Gott anklagen/ und uͤm rache rufen. Dieſes bluht wird unſern alten Vater in die grube bringen. Ja es wird unſer gewiſ- ſen uns zu einem ewig nagendem wurme machen. Dis allein wuͤrde vor uns ſtrafe genug ſein: ob ſchon der Richter im Himmel ſtil darzu ſchwiege. Aber er wird nicht ſchweigen. Er hat ſeine ſtrafruhte ſchon in der hand. Was ſage ich von der ruhte? Sein ſchwert hat er gewetzet. Damit dreuet er uns zu verderben. Ge- denket doch an Kain/ der erſtgebohrnen aller Menſchen. Er beging auch einen brudermord am Abel. Aber A- bels bluht ſchriehe zu Gott: und was Gott vor rache aus geuͤbet/ iſt euch nicht unbekant. Als ſie aber ſahen/ daß dieſe bluhtduͤrſtigen/ durch ſolche reden/ nach Joſefs bluhte nur duͤrſtiger warden; ſo hingen ſie den mantel nach dem winde. Sie ſtelleten ſich

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Zitationshilfe: Zesen, Philipp von: Assenat. Amsterdam, 1670, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zesen_assenat_1670/94>, abgerufen am 17.05.2024.