Zesen, Philip von: Neues Buß- und Gebätt-buch. Schaffhausen, 1660.Morgen-gebätt einer Jungfrauen und bej meiner seelen wache gehalten/ daß michkein ungemach noch unfal rühren tönnen. Da- rumm habe ich mich auch meinem lieben Lieb- sten/ meinem trauten Bruder/ meinem schön- sten Bräutigam ganz zu eigen gegeben/ und jhm mein herze ganz gewidmet. Jch habe ei- nen bund gemacht mit meinen augen/ daß ich nicht achtete auff einige liebe der welt: aber ich brenne für liebe/ für liebe/ die seine selbsteigene liebe in meinen glidern angezündet. Ach! Je- su/ mein trauter Jesu/ laß es also sejn: laß mich dein eigenthumm sejn: lebe du in mir/ und laß mich auch in dir leben. Zeuch mich nach dir/ und kehre meine augen ab/ daß sie nicht sehen die eitelkeit der welt/ sondern daß sie allezeit auff dich schauen/ und dir vertrauen. Ach! Du bist mein/ und ich bin dein: Ach laß es also sejn. Sihe mich nicht an/ daß ich auß mir selbst so schwarz/ so häslich/ so ungestalt bin. Sihe mich aber an/ wie freundlich/ wie lieblich/ wie schön ich aus dir und in dir bin/ der du mich durch dein blut so schnee-weis gewaschen/ daß kein sünden-fleken/ noch sünden-runzel mehr an mir ist/ daß ich blühe wie eine blanke Lilie/ daß ich schimre wie die wolle der schäflein/ die erst aus der schwämmekommen. O mein Jesu/ erhalte mich ja in diser klarheit/ und laß nicht zu/ daß ich disen weissen Atlas meines Braut- kleides
Morgen-gebätt einer Jungfrauen und bej meiner ſeelen wache gehalten/ daß michkein ungemach noch unfal ruͤhren tönnen. Da- rum̃ habe ich mich auch meinem lieben Lieb- ſten/ meinem trauten Bruder/ meinem ſchön- ſten Bräutigam ganz zu eigen gegeben/ und jhm mein herze ganz gewidmet. Jch habe ei- nen bund gemacht mit meinen augen/ daß ich nicht achtete auff einige liebe der welt: aber ich brenne für liebe/ für liebe/ die ſeine ſelbſteigene liebe in meinen glidern angezündet. Ach! Je- ſu/ mein trauter Jeſu/ laß es alſo ſejn: laß mich dein eigenthum̃ ſejn: lebe du in mir/ und laß mich auch in dir leben. Zeuch mich nach dir/ und kehre meine augen ab/ daß ſie nicht ſehen die eitelkeit der welt/ ſondern daß ſie allezeit auff dich ſchauen/ und dir vertrauen. Ach! Du biſt mein/ und ich bin dein: Ach laß es alſo ſejn. Sihe mich nicht an/ daß ich auß mir ſelbſt ſo ſchwarz/ ſo häslich/ ſo ungeſtalt bin. Sihe mich aber an/ wie freundlich/ wie lieblich/ wie ſchön ich aus dir und in dir bin/ der du mich durch dein blut ſo ſchnee-weis gewaſchen/ daß kein ſünden-fleken/ noch ſuͤnden-runzel mehr an mir iſt/ daß ich bluͤhe wie eine blanke Lilie/ daß ich ſchimre wie die wolle der ſchäflein/ die erſt aus der ſchwämmekommen. O mein Jeſu/ erhalte mich ja in diſer klarheit/ und laß nicht zu/ daß ich diſen weiſſen Atlas meines Braut- kleides
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Morgen-gebätt einer Jungfrauen
und bej meiner ſeelen wache gehalten/ daß mich
kein ungemach noch unfal ruͤhren tönnen. Da-
rum̃ habe ich mich auch meinem lieben Lieb-
ſten/ meinem trauten Bruder/ meinem ſchön-
ſten Bräutigam ganz zu eigen gegeben/ und
jhm mein herze ganz gewidmet. Jch habe ei-
nen bund gemacht mit meinen augen/ daß ich
nicht achtete auff einige liebe der welt: aber ich
brenne für liebe/ für liebe/ die ſeine ſelbſteigene
liebe in meinen glidern angezündet. Ach! Je-
ſu/ mein trauter Jeſu/ laß es alſo ſejn: laß mich
dein eigenthum̃ ſejn: lebe du in mir/ und laß
mich auch in dir leben. Zeuch mich nach dir/
und kehre meine augen ab/ daß ſie nicht ſehen
die eitelkeit der welt/ ſondern daß ſie allezeit
auff dich ſchauen/ und dir vertrauen. Ach! Du
biſt mein/ und ich bin dein: Ach laß es alſo ſejn.
Sihe mich nicht an/ daß ich auß mir ſelbſt ſo
ſchwarz/ ſo häslich/ ſo ungeſtalt bin. Sihe mich
aber an/ wie freundlich/ wie lieblich/ wie ſchön
ich aus dir und in dir bin/ der du mich durch
dein blut ſo ſchnee-weis gewaſchen/ daß kein
ſünden-fleken/ noch ſuͤnden-runzel mehr an
mir iſt/ daß ich bluͤhe wie eine blanke Lilie/ daß
ich ſchimre wie die wolle der ſchäflein/ die erſt
aus der ſchwämmekommen. O mein Jeſu/
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zu/ daß ich diſen weiſſen Atlas meines Braut-
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(2023-05-24T12:24:22Z)
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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
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