Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Im Volke ist daher, wenn Jemand unter dem Verdachte, daß er erschlagen worden, verschwindet, gleich feststehend, daß der Mörder die Leiche in ein Piezloch gesteckt habe, und man ist daher sehr lässig in den Anstrengungen, eine Spur Verunglückter zu suchen.

Eine Dorf-Feldmark ist in diesen Gegenden in der Regel viel größer, als in den gesegneten Landstrichen, in denen sich eine gleichförmige Ackerkrume neben Wiesen mit festem Untergrunde ausbreitet, und ein einzelnes Gut hat oft Antheil an Acker, Weide, Rohrnutzung, Wiese, Elslake, Hochwald, Heide und Fischerei. Die Thätigkeit der Wirthe ist daher eine umfassendere, und das Volk ist dadurch rührig und anstellig nach allen Richtungen hin. Da Flüsse, Kanäle und Bäche das Land durchschneiden, oder Seen und Teiche mitten in Wald und Feld sich ausbreiten, so lernt der Knabe schon früh das Ruder führen und schwimmen, er watet ganze Tage an den Ufern entlang und sucht Krebse, er weiß mit allen Fischerzeugen, erlaubten wie unerlaubten, Bescheid. Von den gefährlichsten Brüchern und Fennen holt er die theuren Kiebitzeier und er leert die Nester der Krähen und Habichte, die in den höchsten Gipfeln der Kiefern horsten; er reitet die Pferde nach der Koppel, und wenn er sie holt und sie sich nicht fangen lassen wollen, so jagt er sie müde. Er nimmt frühzeitig an allen Arbeiten Theil, er handhabt die Axt in der Gemeinheide und fällt die Elsen in der Lake. Mit Ochsen und Pferden schleift er die Stämme

Im Volke ist daher, wenn Jemand unter dem Verdachte, daß er erschlagen worden, verschwindet, gleich feststehend, daß der Mörder die Leiche in ein Piezloch gesteckt habe, und man ist daher sehr lässig in den Anstrengungen, eine Spur Verunglückter zu suchen.

Eine Dorf-Feldmark ist in diesen Gegenden in der Regel viel größer, als in den gesegneten Landstrichen, in denen sich eine gleichförmige Ackerkrume neben Wiesen mit festem Untergrunde ausbreitet, und ein einzelnes Gut hat oft Antheil an Acker, Weide, Rohrnutzung, Wiese, Elslake, Hochwald, Heide und Fischerei. Die Thätigkeit der Wirthe ist daher eine umfassendere, und das Volk ist dadurch rührig und anstellig nach allen Richtungen hin. Da Flüsse, Kanäle und Bäche das Land durchschneiden, oder Seen und Teiche mitten in Wald und Feld sich ausbreiten, so lernt der Knabe schon früh das Ruder führen und schwimmen, er watet ganze Tage an den Ufern entlang und sucht Krebse, er weiß mit allen Fischerzeugen, erlaubten wie unerlaubten, Bescheid. Von den gefährlichsten Brüchern und Fennen holt er die theuren Kiebitzeier und er leert die Nester der Krähen und Habichte, die in den höchsten Gipfeln der Kiefern horsten; er reitet die Pferde nach der Koppel, und wenn er sie holt und sie sich nicht fangen lassen wollen, so jagt er sie müde. Er nimmt frühzeitig an allen Arbeiten Theil, er handhabt die Axt in der Gemeinheide und fällt die Elsen in der Lake. Mit Ochsen und Pferden schleift er die Stämme

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0010"/>
        <p>Im Volke ist daher, wenn Jemand unter dem Verdachte, daß er erschlagen worden,           verschwindet, gleich feststehend, daß der Mörder die Leiche in ein Piezloch gesteckt habe,           und man ist daher sehr lässig in den Anstrengungen, eine Spur Verunglückter zu suchen.</p><lb/>
        <p>Eine Dorf-Feldmark ist in diesen Gegenden in der Regel viel größer, als in den gesegneten           Landstrichen, in denen sich eine gleichförmige Ackerkrume neben Wiesen mit festem           Untergrunde ausbreitet, und ein einzelnes Gut hat oft Antheil an Acker, Weide,           Rohrnutzung, Wiese, Elslake, Hochwald, Heide und Fischerei. Die Thätigkeit der Wirthe ist           daher eine umfassendere, und das Volk ist dadurch rührig und anstellig nach allen           Richtungen hin. Da Flüsse, Kanäle und Bäche das Land durchschneiden, oder Seen und Teiche           mitten in Wald und Feld sich ausbreiten, so lernt der Knabe schon früh das Ruder führen           und schwimmen, er watet ganze Tage an den Ufern entlang und sucht Krebse, er weiß mit           allen Fischerzeugen, erlaubten wie unerlaubten, Bescheid. Von den gefährlichsten Brüchern           und Fennen holt er die theuren Kiebitzeier und er leert die Nester der Krähen und           Habichte, die in den höchsten Gipfeln der Kiefern horsten; er reitet die Pferde nach der           Koppel, und wenn er sie holt und sie sich nicht fangen lassen wollen, so jagt er sie müde.           Er nimmt frühzeitig an allen Arbeiten Theil, er handhabt die Axt in der Gemeinheide und           fällt die Elsen in der Lake. Mit Ochsen und Pferden schleift er die Stämme<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0010] Im Volke ist daher, wenn Jemand unter dem Verdachte, daß er erschlagen worden, verschwindet, gleich feststehend, daß der Mörder die Leiche in ein Piezloch gesteckt habe, und man ist daher sehr lässig in den Anstrengungen, eine Spur Verunglückter zu suchen. Eine Dorf-Feldmark ist in diesen Gegenden in der Regel viel größer, als in den gesegneten Landstrichen, in denen sich eine gleichförmige Ackerkrume neben Wiesen mit festem Untergrunde ausbreitet, und ein einzelnes Gut hat oft Antheil an Acker, Weide, Rohrnutzung, Wiese, Elslake, Hochwald, Heide und Fischerei. Die Thätigkeit der Wirthe ist daher eine umfassendere, und das Volk ist dadurch rührig und anstellig nach allen Richtungen hin. Da Flüsse, Kanäle und Bäche das Land durchschneiden, oder Seen und Teiche mitten in Wald und Feld sich ausbreiten, so lernt der Knabe schon früh das Ruder führen und schwimmen, er watet ganze Tage an den Ufern entlang und sucht Krebse, er weiß mit allen Fischerzeugen, erlaubten wie unerlaubten, Bescheid. Von den gefährlichsten Brüchern und Fennen holt er die theuren Kiebitzeier und er leert die Nester der Krähen und Habichte, die in den höchsten Gipfeln der Kiefern horsten; er reitet die Pferde nach der Koppel, und wenn er sie holt und sie sich nicht fangen lassen wollen, so jagt er sie müde. Er nimmt frühzeitig an allen Arbeiten Theil, er handhabt die Axt in der Gemeinheide und fällt die Elsen in der Lake. Mit Ochsen und Pferden schleift er die Stämme

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:10:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:10:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910/10
Zitationshilfe: Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910/10>, abgerufen am 21.11.2024.