Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

mit Gott gekommen, der bei einem rechtlichen Menschen so etwas zulassen könne. Um so concreter concentrirte sich daher sein Haß auf den Actuarius und auf den Justizrath, wobei er denn überhaupt auf Alles, was Beamter war, seinen Antheil von Haß mit abgab. Der Fürst konnte, nach seiner Anschauung, nicht anders als gut sein, und seine ganzen politischen Wünsche beschränkten sich daher auf rechtschaffene Beamte, von denen hie und da der Fürst einzelne, damit sie rechtschaffen blieben, ernstlich abstrafen sollte. In Folge seiner geringeren innern Bildung hatte ihn das Zuchthaus roher gemacht, und er, der früher ein guter, einfacher Mensch gewesen war, hatte sich in einen rachsüchtigen, ja man kann sagen, schlechten Menschen verkehrt, der Jedermann mit Mißtrauen, seinen Beleidiger aber mit vernichtendem Hasse ansah. Er betrachtete die politischen Begebenheiten daher eigentlich nur mit dem Interesse, daß sie ihm Gelegenheit gewähren würden, sicher vor der Strafe seine Rache zu sättigen.

Der Müller dagegen hatte mehr das Allgemeine im Auge. Vielleicht, weil er mit dem Lehrer viel umgegangen war und von Hause aus mehr gelesen hatte, traten in ihm die Personen zurück und die Institutionen in den Vordergrund. Er wußte sich über Preßfreiheit, Trennung der Justiz von der Administration, Versammlungs- und Vereinsrecht, Selbständigkeit der Communen und der größern Verwaltungskreise in Besetzung ihrer Beamtenstellen, über Geschworenengerichte, Freiheit

mit Gott gekommen, der bei einem rechtlichen Menschen so etwas zulassen könne. Um so concreter concentrirte sich daher sein Haß auf den Actuarius und auf den Justizrath, wobei er denn überhaupt auf Alles, was Beamter war, seinen Antheil von Haß mit abgab. Der Fürst konnte, nach seiner Anschauung, nicht anders als gut sein, und seine ganzen politischen Wünsche beschränkten sich daher auf rechtschaffene Beamte, von denen hie und da der Fürst einzelne, damit sie rechtschaffen blieben, ernstlich abstrafen sollte. In Folge seiner geringeren innern Bildung hatte ihn das Zuchthaus roher gemacht, und er, der früher ein guter, einfacher Mensch gewesen war, hatte sich in einen rachsüchtigen, ja man kann sagen, schlechten Menschen verkehrt, der Jedermann mit Mißtrauen, seinen Beleidiger aber mit vernichtendem Hasse ansah. Er betrachtete die politischen Begebenheiten daher eigentlich nur mit dem Interesse, daß sie ihm Gelegenheit gewähren würden, sicher vor der Strafe seine Rache zu sättigen.

Der Müller dagegen hatte mehr das Allgemeine im Auge. Vielleicht, weil er mit dem Lehrer viel umgegangen war und von Hause aus mehr gelesen hatte, traten in ihm die Personen zurück und die Institutionen in den Vordergrund. Er wußte sich über Preßfreiheit, Trennung der Justiz von der Administration, Versammlungs- und Vereinsrecht, Selbständigkeit der Communen und der größern Verwaltungskreise in Besetzung ihrer Beamtenstellen, über Geschworenengerichte, Freiheit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0033"/>
mit Gott gekommen, der bei einem rechtlichen Menschen so etwas zulassen           könne. Um so concreter concentrirte sich daher sein Haß auf den Actuarius und auf den           Justizrath, wobei er denn überhaupt auf Alles, was Beamter war, seinen Antheil von Haß mit           abgab. Der Fürst konnte, nach seiner Anschauung, nicht anders als gut sein, und seine           ganzen politischen Wünsche beschränkten sich daher auf rechtschaffene Beamte, von denen           hie und da der Fürst einzelne, damit sie rechtschaffen blieben, ernstlich abstrafen           sollte. In Folge seiner geringeren innern Bildung hatte ihn das Zuchthaus roher gemacht,           und er, der früher ein guter, einfacher Mensch gewesen war, hatte sich in einen           rachsüchtigen, ja man kann sagen, schlechten Menschen verkehrt, der Jedermann mit           Mißtrauen, seinen Beleidiger aber mit vernichtendem Hasse ansah. Er betrachtete die           politischen Begebenheiten daher eigentlich nur mit dem Interesse, daß sie ihm Gelegenheit           gewähren würden, sicher vor der Strafe seine Rache zu sättigen.</p><lb/>
        <p>Der Müller dagegen hatte mehr das Allgemeine im Auge. Vielleicht, weil er mit dem Lehrer           viel umgegangen war und von Hause aus mehr gelesen hatte, traten in ihm die Personen           zurück und die Institutionen in den Vordergrund. Er wußte sich über Preßfreiheit, Trennung           der Justiz von der Administration, Versammlungs- und Vereinsrecht, Selbständigkeit der           Communen und der größern Verwaltungskreise in Besetzung ihrer Beamtenstellen, über           Geschworenengerichte, Freiheit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0033] mit Gott gekommen, der bei einem rechtlichen Menschen so etwas zulassen könne. Um so concreter concentrirte sich daher sein Haß auf den Actuarius und auf den Justizrath, wobei er denn überhaupt auf Alles, was Beamter war, seinen Antheil von Haß mit abgab. Der Fürst konnte, nach seiner Anschauung, nicht anders als gut sein, und seine ganzen politischen Wünsche beschränkten sich daher auf rechtschaffene Beamte, von denen hie und da der Fürst einzelne, damit sie rechtschaffen blieben, ernstlich abstrafen sollte. In Folge seiner geringeren innern Bildung hatte ihn das Zuchthaus roher gemacht, und er, der früher ein guter, einfacher Mensch gewesen war, hatte sich in einen rachsüchtigen, ja man kann sagen, schlechten Menschen verkehrt, der Jedermann mit Mißtrauen, seinen Beleidiger aber mit vernichtendem Hasse ansah. Er betrachtete die politischen Begebenheiten daher eigentlich nur mit dem Interesse, daß sie ihm Gelegenheit gewähren würden, sicher vor der Strafe seine Rache zu sättigen. Der Müller dagegen hatte mehr das Allgemeine im Auge. Vielleicht, weil er mit dem Lehrer viel umgegangen war und von Hause aus mehr gelesen hatte, traten in ihm die Personen zurück und die Institutionen in den Vordergrund. Er wußte sich über Preßfreiheit, Trennung der Justiz von der Administration, Versammlungs- und Vereinsrecht, Selbständigkeit der Communen und der größern Verwaltungskreise in Besetzung ihrer Beamtenstellen, über Geschworenengerichte, Freiheit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:10:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:10:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910/33
Zitationshilfe: Ziegler, Franz Wilhelm: Saat und Ernte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 129–196. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ziegler_ernte_1910/33>, abgerufen am 03.12.2024.