Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von: Gewisser Grund christlicher Lehre. Leipzig, 1725.Vorrede. seinen Worten verstehen, er aber mit seinen Lehren ihnen nutz-bahrer seyn möge, der ist ja in denen Augen GOttes, und aller derer, die ihm angehören, der Grösseste, darum, weil er der Kleinste oder Jüngste im Himmelreich mit worden ist, Luc. 22, 26. Wer die Himmels-Leiter hinauf klettern will, tritt billig mit denen Kindlein auf die erste Stuffe. Wenn unschul- dige Seelen durch diese heilsame Worte unsers HErrn JEsu Christi mitten unter dem unschlachtigen Geschlechte dieser Welt könten unsträflich erhalten werden, solte das nicht ein grosser Seegen auf die Ewigkeit seyn? Hilfft aber das alles nichts zu deiner Uberzeugung, so liß doch nur diesen grössern Catechismum, und alsdenn sage mir, ob du hier nicht stärckere Speise gefunden hast? Daß dieses ein Zeugniß der Lehre JE- su sey, wirst du darum mir zugeben müssen, weil ja das Büch- lein aus lauter Biblischen Sprüchen bestehet. Wie der Herr Graf den Zweck erreichet, muß ich wohl deiner freyen Beur- theilung überlassen; aber, das erlaube auch mir von dir so lange zu glauben, biß ich das Gegentheil in einer Probe sehen werde, daß du es kaum so gut, oder wenigstens nicht besser machen würdest, wenn dir bey der Ausarbeitung weiter nichts als die Bibel solte in Händen gelassen werden, und du, gleich dem Herrn Autore, aus dem eingesammleten guten Schatze deines Hertzens und Gedächtnisses diese Fragen machen, und mit lauter Schrifft-Worten wieder beantworten soltest. Von grossen Gemüthern ist das nicht zu praetendiren, daß sie nach allerhand Scholastischen Eintheilungen, Einschrenckungen und Ausdehnungen der Materien sich richten solten; da ihre Erziehung und Anweisung nicht auf den Fuß gesetzet worden. Jhnen ist es meist darum zu thun, daß sie dasjenige, was sie wissen, kurtz, und mit deutlichen, dabey aber gründlichen Concepten, wissen mögen. Und das wirst du hoffentlich mehr als zu klar finden: wie die Antwort mit der Frage qvadri- ret. Wer aus dem Labyrinth der unendlichen Theologischen Streitigkeiten dergestalt gerne heraus will, daß er was Ge- wisses und Uberzeugendes aus denen geoffenbahrten Wahr- heiten GOttes zu wissen verlanget, der kommt wohl am kür- tzesten und sichersten dazu, wenn er sich seinen Unterricht, bey den Männern GOttes und bey dem Sohne des himmlischen Va-
Vorrede. ſeinen Worten verſtehen, er aber mit ſeinen Lehren ihnen nutz-bahrer ſeyn moͤge, der iſt ja in denen Augen GOttes, und aller derer, die ihm angehoͤren, der Groͤſſeſte, darum, weil er der Kleinſte oder Juͤngſte im Himmelreich mit worden iſt, Luc. 22, 26. Wer die Himmels-Leiter hinauf klettern will, tritt billig mit denen Kindlein auf die erſte Stuffe. Wenn unſchul- dige Seelen durch dieſe heilſame Worte unſers HErrn JEſu Chriſti mitten unter dem unſchlachtigen Geſchlechte dieſer Welt koͤnten unſtraͤflich erhalten werden, ſolte das nicht ein groſſer Seegen auf die Ewigkeit ſeyn? Hilfft aber das alles nichts zu deiner Uberzeugung, ſo liß doch nur dieſen groͤſſern Catechiſmum, und alsdenn ſage mir, ob du hier nicht ſtaͤrckere Speiſe gefunden haſt? Daß dieſes ein Zeugniß der Lehre JE- ſu ſey, wirſt du darum mir zugeben muͤſſen, weil ja das Buͤch- lein aus lauter Bibliſchen Spruͤchen beſtehet. Wie der Herr Graf den Zweck erreichet, muß ich wohl deiner freyen Beur- theilung uͤberlaſſen; aber, das erlaube auch mir von dir ſo lange zu glauben, biß ich das Gegentheil in einer Probe ſehen werde, daß du es kaum ſo gut, oder wenigſtens nicht beſſer machen wuͤrdeſt, wenn dir bey der Ausarbeitung weiter nichts als die Bibel ſolte in Haͤnden gelaſſen werden, und du, gleich dem Herrn Autore, aus dem eingeſammleten guten Schatze deines Hertzens und Gedaͤchtniſſes dieſe Fragen machen, und mit lauter Schrifft-Worten wieder beantworten ſolteſt. Von groſſen Gemuͤthern iſt das nicht zu prætendiren, daß ſie nach allerhand Scholaſtiſchen Eintheilungen, Einſchrenckungen und Ausdehnungen der Materien ſich richten ſolten; da ihre Erziehung und Anweiſung nicht auf den Fuß geſetzet worden. Jhnen iſt es meiſt darum zu thun, daß ſie dasjenige, was ſie wiſſen, kurtz, und mit deutlichen, dabey aber gruͤndlichen Concepten, wiſſen moͤgen. Und das wirſt du hoffentlich mehr als zu klar finden: wie die Antwort mit der Frage qvadri- ret. Wer aus dem Labyrinth der unendlichen Theologiſchen Streitigkeiten dergeſtalt gerne heraus will, daß er was Ge- wiſſes und Uberzeugendes aus denen geoffenbahrten Wahr- heiten GOttes zu wiſſen verlanget, der kommt wohl am kuͤr- tzeſten und ſicherſten dazu, wenn er ſich ſeinen Unterricht, bey den Maͤnnern GOttes und bey dem Sohne des himmliſchen Va-
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Vorrede.
ſeinen Worten verſtehen, er aber mit ſeinen Lehren ihnen nutz-
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derer, die ihm angehoͤren, der Groͤſſeſte, darum, weil er der
Kleinſte oder Juͤngſte im Himmelreich mit worden iſt, Luc.
22, 26. Wer die Himmels-Leiter hinauf klettern will, tritt
billig mit denen Kindlein auf die erſte Stuffe. Wenn unſchul-
dige Seelen durch dieſe heilſame Worte unſers HErrn JEſu
Chriſti mitten unter dem unſchlachtigen Geſchlechte dieſer
Welt koͤnten unſtraͤflich erhalten werden, ſolte das nicht ein
groſſer Seegen auf die Ewigkeit ſeyn? Hilfft aber das alles
nichts zu deiner Uberzeugung, ſo liß doch nur dieſen groͤſſern
Catechiſmum, und alsdenn ſage mir, ob du hier nicht ſtaͤrckere
Speiſe gefunden haſt? Daß dieſes ein Zeugniß der Lehre JE-
ſu ſey, wirſt du darum mir zugeben muͤſſen, weil ja das Buͤch-
lein aus lauter Bibliſchen Spruͤchen beſtehet. Wie der Herr
Graf den Zweck erreichet, muß ich wohl deiner freyen Beur-
theilung uͤberlaſſen; aber, das erlaube auch mir von dir ſo
lange zu glauben, biß ich das Gegentheil in einer Probe ſehen
werde, daß du es kaum ſo gut, oder wenigſtens nicht beſſer
machen wuͤrdeſt, wenn dir bey der Ausarbeitung weiter nichts
als die Bibel ſolte in Haͤnden gelaſſen werden, und du, gleich
dem Herrn Autore, aus dem eingeſammleten guten Schatze
deines Hertzens und Gedaͤchtniſſes dieſe Fragen machen, und
mit lauter Schrifft-Worten wieder beantworten ſolteſt. Von
groſſen Gemuͤthern iſt das nicht zu prætendiren, daß ſie nach
allerhand Scholaſtiſchen Eintheilungen, Einſchrenckungen
und Ausdehnungen der Materien ſich richten ſolten; da ihre
Erziehung und Anweiſung nicht auf den Fuß geſetzet worden.
Jhnen iſt es meiſt darum zu thun, daß ſie dasjenige, was ſie
wiſſen, kurtz, und mit deutlichen, dabey aber gruͤndlichen
Concepten, wiſſen moͤgen. Und das wirſt du hoffentlich mehr
als zu klar finden: wie die Antwort mit der Frage qvadri-
ret. Wer aus dem Labyrinth der unendlichen Theologiſchen
Streitigkeiten dergeſtalt gerne heraus will, daß er was Ge-
wiſſes und Uberzeugendes aus denen geoffenbahrten Wahr-
heiten GOttes zu wiſſen verlanget, der kommt wohl am kuͤr-
tzeſten und ſicherſten dazu, wenn er ſich ſeinen Unterricht, bey
den Maͤnnern GOttes und bey dem Sohne des himmliſchen
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