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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1726.
LV. Auf Herr M. Schwedlers mächtige Pre-
digten in Bertelsdorf und Herrnhut.
(*)
DJe Glieder JEsu freun sich sehr,
Doch ohne viel Geräusche;
Sie kennen JEsum selbst nicht mehr
Nach Augenschein und Fleische;
Sie dencken wenig oder nichts
An Väter und Regierer;
Das Ebenbild des ewgen Lichts
Jst Vater und ist Führer.
Dann sucht und findt man keinen Rath
Bey ledigen Geschwätze;
Auch macht man nicht gewissen Staat
Auf väterliche Sätze.
So jucken uns die Ohren nicht
Nach blossen Redner-Stimmen;
Das Wort, das aufgesteckte Licht
Macht manchen Tocht entglimmen.
So wird der Weg zur Seligkeit
Jm Geiste ausposaunet;
Der eine wird durchs Wort erfreut,
Der andre steht erstaunet;
Der dritte faßt es ins Gehirn,
Der vierdte wird gebeuget,
Der fünfte reibet sich die Stirn
Der sechste wird gezeuget.
Doch dencken wir in Wahrheit nicht
GOtt sey bey uns alleine;
Wir sehen: Wie so manches Licht
Auch andrer Orten scheine;
Da pflegen wir dann froh zu seyn,
Und uns nicht sehr zu sperren,
Wir haben all' ein Erb-Verein,

Und dienen einem HErren.
HErr
(*) An Mariä Heimsuchung.
1726.
LV. Auf Herr M. Schwedlers maͤchtige Pre-
digten in Bertelsdorf und Herrnhut.
(*)
DJe Glieder JEſu freun ſich ſehr,
Doch ohne viel Geraͤuſche;
Sie kennen JEſum ſelbſt nicht mehr
Nach Augenſchein und Fleiſche;
Sie dencken wenig oder nichts
An Vaͤter und Regierer;
Das Ebenbild des ewgen Lichts
Jſt Vater und iſt Fuͤhrer.
Dann ſucht und findt man keinen Rath
Bey ledigen Geſchwaͤtze;
Auch macht man nicht gewiſſen Staat
Auf vaͤterliche Saͤtze.
So jucken uns die Ohren nicht
Nach bloſſen Redner-Stimmen;
Das Wort, das aufgeſteckte Licht
Macht manchen Tocht entglimmen.
So wird der Weg zur Seligkeit
Jm Geiſte auspoſaunet;
Der eine wird durchs Wort erfreut,
Der andre ſteht erſtaunet;
Der dritte faßt es ins Gehirn,
Der vierdte wird gebeuget,
Der fuͤnfte reibet ſich die Stirn
Der ſechſte wird gezeuget.
Doch dencken wir in Wahrheit nicht
GOtt ſey bey uns alleine;
Wir ſehen: Wie ſo manches Licht
Auch andrer Orten ſcheine;
Da pflegen wir dann froh zu ſeyn,
Und uns nicht ſehr zu ſperren,
Wir haben all’ ein Erb-Verein,

Und dienen einem HErren.
HErr
(*) An Mariaͤ Heimſuchung.
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[128/0138] 1726. LV. Auf Herr M. Schwedlers maͤchtige Pre- digten in Bertelsdorf und Herrnhut. (*) DJe Glieder JEſu freun ſich ſehr, Doch ohne viel Geraͤuſche; Sie kennen JEſum ſelbſt nicht mehr Nach Augenſchein und Fleiſche; Sie dencken wenig oder nichts An Vaͤter und Regierer; Das Ebenbild des ewgen Lichts Jſt Vater und iſt Fuͤhrer. Dann ſucht und findt man keinen Rath Bey ledigen Geſchwaͤtze; Auch macht man nicht gewiſſen Staat Auf vaͤterliche Saͤtze. So jucken uns die Ohren nicht Nach bloſſen Redner-Stimmen; Das Wort, das aufgeſteckte Licht Macht manchen Tocht entglimmen. So wird der Weg zur Seligkeit Jm Geiſte auspoſaunet; Der eine wird durchs Wort erfreut, Der andre ſteht erſtaunet; Der dritte faßt es ins Gehirn, Der vierdte wird gebeuget, Der fuͤnfte reibet ſich die Stirn Der ſechſte wird gezeuget. Doch dencken wir in Wahrheit nicht GOtt ſey bey uns alleine; Wir ſehen: Wie ſo manches Licht Auch andrer Orten ſcheine; Da pflegen wir dann froh zu ſeyn, Und uns nicht ſehr zu ſperren, Wir haben all’ ein Erb-Verein, Und dienen einem HErren. HErr (*) An Mariaͤ Heimſuchung.

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/138>, abgerufen am 01.05.2024.