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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1726.
Drauf begab ich mich dem Hof in der Ehrenburg zu grüssen,
Christian Ernst, den lieben Printzen, auch von Angesicht zu
sehn,

Kaum, daß wir uns angeblickt, lagen wir zu JEsu Füssen,
Und verbanden uns von neuen unter seinem Creutz zu
stehn

Jch begleitete den Printz biß in Saalfelds werthe Mauren,
Da bezeugete die Fürstin, daß sie auch des Sinnes sey:
Aber unser Aufenthalt konte hier nicht lange dauren,
Christian Ernsts Durchlaucht'ge Schwester ruft uns unge-
säumt herbey.

Kurtz: Nach einer theuren Schrift, (*) da ihr gantzer Sinn
erscheinet,

Eilte GOtt mit dieser Seele zu der frohen Ewigkeit.
Wäre sie betrübt gewest, hätten wir vielleicht geweinet;
Aber sie war unsrer Zukunft auf das hertzlichste erfreut.
Sie befahl uns alsobald JEsum mit ihr anzuflehen,
Und nach einer kleinen Stille ward ihr Mund recht aufgethan,
Viel von ihrem gantzen Lauf im Gespräche durchzugehen;
Bald nach diesem Schwan-Gesange hub der Kampf des To-
des an.

Alle andre lagen hier unter traurigster Vermischung
Vorgedrungner Thränen-Ströme und erbärmlichen Ge-
thöns;

Aber sie lag voller Trost, in beständiger Erfrischung,
Voller Ruhe, voller Hofnung eines sel'gen Wiedersehns.
Jhres theuren Bruders Hertz, welchen sie nebst mir ernennet,
Mitgehülffen, ja auch Zeugen ihres letzten Kampfs zu
seyn,

Stund in einer Fassung da, die ihr nicht begreiffen könnet,
Denen solch ein Hingang furchtsam, und der Abschied scheint
als Pein.

Wilhelmine wolte sich viele Stunden nicht mehr regen,
Mund und Auge war geschlossen, (wies am Ende geht, so
giengs;)

Warr-
(*) Sie hatten mit Jhro Durchl. Dero Herrn Bruder eine sehr
gesegnete Correspondenz, da sie denn in dem letzten Schrei-
ben überaus frölich von der Gnade zeugten.
J 5
1726.
Drauf begab ich mich dem Hof in der Ehrenburg zu gruͤſſen,
Chriſtian Ernſt, den lieben Printzen, auch von Angeſicht zu
ſehn,

Kaum, daß wir uns angeblickt, lagen wir zu JEſu Fuͤſſen,
Und verbanden uns von neuen unter ſeinem Creutz zu
ſtehn

Jch begleitete den Printz biß in Saalfelds werthe Mauren,
Da bezeugete die Fuͤrſtin, daß ſie auch des Sinnes ſey:
Aber unſer Aufenthalt konte hier nicht lange dauren,
Chriſtian Ernſts Durchlaucht’ge Schweſter ruft uns unge-
ſaͤumt herbey.

Kurtz: Nach einer theuren Schrift, (*) da ihr gantzer Sinn
erſcheinet,

Eilte GOtt mit dieſer Seele zu der frohen Ewigkeit.
Waͤre ſie betruͤbt geweſt, haͤtten wir vielleicht geweinet;
Aber ſie war unſrer Zukunft auf das hertzlichſte erfreut.
Sie befahl uns alſobald JEſum mit ihr anzuflehen,
Und nach einer kleinen Stille ward ihr Mund recht aufgethan,
Viel von ihrem gantzen Lauf im Geſpraͤche durchzugehen;
Bald nach dieſem Schwan-Geſange hub der Kampf des To-
des an.

Alle andre lagen hier unter traurigſter Vermiſchung
Vorgedrungner Thraͤnen-Stroͤme und erbaͤrmlichen Ge-
thoͤns;

Aber ſie lag voller Troſt, in beſtaͤndiger Erfriſchung,
Voller Ruhe, voller Hofnung eines ſel’gen Wiederſehns.
Jhres theuren Bruders Hertz, welchen ſie nebſt mir ernennet,
Mitgehuͤlffen, ja auch Zeugen ihres letzten Kampfs zu
ſeyn,

Stund in einer Faſſung da, die ihr nicht begreiffen koͤnnet,
Denen ſolch ein Hingang furchtſam, und der Abſchied ſcheint
als Pein.

Wilhelmine wolte ſich viele Stunden nicht mehr regen,
Mund und Auge war geſchloſſen, (wies am Ende geht, ſo
giengs;)

Warr-
(*) Sie hatten mit Jhro Durchl. Dero Herrn Bruder eine ſehr
geſegnete Correſpondenz, da ſie denn in dem letzten Schrei-
ben uͤberaus froͤlich von der Gnade zeugten.
J 5
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[137/0147] 1726. Drauf begab ich mich dem Hof in der Ehrenburg zu gruͤſſen, Chriſtian Ernſt, den lieben Printzen, auch von Angeſicht zu ſehn, Kaum, daß wir uns angeblickt, lagen wir zu JEſu Fuͤſſen, Und verbanden uns von neuen unter ſeinem Creutz zu ſtehn Jch begleitete den Printz biß in Saalfelds werthe Mauren, Da bezeugete die Fuͤrſtin, daß ſie auch des Sinnes ſey: Aber unſer Aufenthalt konte hier nicht lange dauren, Chriſtian Ernſts Durchlaucht’ge Schweſter ruft uns unge- ſaͤumt herbey. Kurtz: Nach einer theuren Schrift, (*) da ihr gantzer Sinn erſcheinet, Eilte GOtt mit dieſer Seele zu der frohen Ewigkeit. Waͤre ſie betruͤbt geweſt, haͤtten wir vielleicht geweinet; Aber ſie war unſrer Zukunft auf das hertzlichſte erfreut. Sie befahl uns alſobald JEſum mit ihr anzuflehen, Und nach einer kleinen Stille ward ihr Mund recht aufgethan, Viel von ihrem gantzen Lauf im Geſpraͤche durchzugehen; Bald nach dieſem Schwan-Geſange hub der Kampf des To- des an. Alle andre lagen hier unter traurigſter Vermiſchung Vorgedrungner Thraͤnen-Stroͤme und erbaͤrmlichen Ge- thoͤns; Aber ſie lag voller Troſt, in beſtaͤndiger Erfriſchung, Voller Ruhe, voller Hofnung eines ſel’gen Wiederſehns. Jhres theuren Bruders Hertz, welchen ſie nebſt mir ernennet, Mitgehuͤlffen, ja auch Zeugen ihres letzten Kampfs zu ſeyn, Stund in einer Faſſung da, die ihr nicht begreiffen koͤnnet, Denen ſolch ein Hingang furchtſam, und der Abſchied ſcheint als Pein. Wilhelmine wolte ſich viele Stunden nicht mehr regen, Mund und Auge war geſchloſſen, (wies am Ende geht, ſo giengs;) Warr- (*) Sie hatten mit Jhro Durchl. Dero Herrn Bruder eine ſehr geſegnete Correſpondenz, da ſie denn in dem letzten Schrei- ben uͤberaus froͤlich von der Gnade zeugten. J 5

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/147>, abgerufen am 24.11.2024.