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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1730.
LXXXVI. Auf den Superintendenten Jo-
sephi in Sorau.
JOseph! mein verborgner Bruder, länger halt ich mich
nun nicht,

Dich für allen öffentlich einen Knecht des HErrn zu nennen,
Deine Liebe gegen den, der die Lieb ist, zu bekennen;
Joseph, du geschmückter Priester mit dem Recht und mit dem
Licht!

Muß ich denn der Seligkeit, mich mit Brüdern zu erquicken,
Und mit ihnen aus dem Glauben zu verstärcken, müßig gehn:
Will ich endlich meine Flügel biß zu GOttes Stuhl erhöhn,
Wo sie all erseits im Geist nach der Streiter Lägern blicken.
Joseph! dieser letzte Ausdruck meiner Liebe gegen dich,

Die du lange schon gefühlt, laß ich alle sehn und hören,
Deren Uberlegungs-Kraft nicht die Vorurtheile stöhren.
Joseph! deine stille Führung reitzte mich oft inniglich.

Jch vergesse nimmermehr, was du an des HErren Tage
Gantz geheim mit mir gesprochen, wie du deinen Wandel
führt'st,

Wie du deiner Brüder Hertz gerne in einander rührt'st,
Wo du aber inne hielt'st: Mercke, hieß es, was ich sage,
Joseph! deinen Hirten-Stecken kanst du mit getrostem Sinn
JEsu, deinem Ober-HErrn, der dich einhohlt, überreichen.
Sorau! unser Ertz-Bischof gebe dir bald einen gleichen,
Daß es hier nicht heissen möge: Josephs Geist ist mit dahin.


Werther Graf! ich bitte dich, von der Wunden Christi
wegen,

Liebe seine rauhe Dornen, laß dem Fleische keine Ruh;
Will GOtt seinen Sohn verklähren, fahre augenblicklich zu.
Wer den Harnisch nimmt muß ihn ohne Sieg nicht von sich
legen.

Hast du viel Verhindernissen, lieget dir die Perle tief,
Weil du hochgebohren bist; neige dich zu Christo nieder,
Der stieg eine Höh herab, und fand doch die Höhe wieder.
O wie wohl ist mir geworden, da er mich ans Creutze rief.
Fürstin!
N 5
1730.
LXXXVI. Auf den Superintendenten Jo-
ſephi in Sorau.
JOſeph! mein verborgner Bruder, laͤnger halt ich mich
nun nicht,

Dich fuͤr allen oͤffentlich einen Knecht des HErrn zu nennen,
Deine Liebe gegen den, der die Lieb iſt, zu bekennen;
Joſeph, du geſchmuͤckter Prieſter mit dem Recht und mit dem
Licht!

Muß ich denn der Seligkeit, mich mit Bruͤdern zu erquicken,
Und mit ihnen aus dem Glauben zu verſtaͤrcken, muͤßig gehn:
Will ich endlich meine Fluͤgel biß zu GOttes Stuhl erhoͤhn,
Wo ſie all erſeits im Geiſt nach der Streiter Laͤgern blicken.
Joſeph! dieſer letzte Ausdruck meiner Liebe gegen dich,

Die du lange ſchon gefuͤhlt, laß ich alle ſehn und hoͤren,
Deren Uberlegungs-Kraft nicht die Vorurtheile ſtoͤhren.
Joſeph! deine ſtille Fuͤhrung reitzte mich oft inniglich.

Jch vergeſſe nimmermehr, was du an des HErren Tage
Gantz geheim mit mir geſprochen, wie du deinen Wandel
fuͤhrt’ſt,

Wie du deiner Bruͤder Hertz gerne in einander ruͤhrt’ſt,
Wo du aber inne hielt’ſt: Mercke, hieß es, was ich ſage,
Joſeph! deinen Hirten-Stecken kanſt du mit getroſtem Sinn
JEſu, deinem Ober-HErrn, der dich einhohlt, uͤberreichen.
Sorau! unſer Ertz-Biſchof gebe dir bald einen gleichen,
Daß es hier nicht heiſſen moͤge: Joſephs Geiſt iſt mit dahin.


Werther Graf! ich bitte dich, von der Wunden Chriſti
wegen,

Liebe ſeine rauhe Dornen, laß dem Fleiſche keine Ruh;
Will GOtt ſeinen Sohn verklaͤhren, fahre augenblicklich zu.
Wer den Harniſch nimmt muß ihn ohne Sieg nicht von ſich
legen.

Haſt du viel Verhinderniſſen, lieget dir die Perle tief,
Weil du hochgebohren biſt; neige dich zu Chriſto nieder,
Der ſtieg eine Hoͤh herab, und fand doch die Hoͤhe wieder.
O wie wohl iſt mir geworden, da er mich ans Creutze rief.
Fuͤrſtin!
N 5
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[201/0211] 1730. LXXXVI. Auf den Superintendenten Jo- ſephi in Sorau. JOſeph! mein verborgner Bruder, laͤnger halt ich mich nun nicht, Dich fuͤr allen oͤffentlich einen Knecht des HErrn zu nennen, Deine Liebe gegen den, der die Lieb iſt, zu bekennen; Joſeph, du geſchmuͤckter Prieſter mit dem Recht und mit dem Licht! Muß ich denn der Seligkeit, mich mit Bruͤdern zu erquicken, Und mit ihnen aus dem Glauben zu verſtaͤrcken, muͤßig gehn: Will ich endlich meine Fluͤgel biß zu GOttes Stuhl erhoͤhn, Wo ſie all erſeits im Geiſt nach der Streiter Laͤgern blicken. Joſeph! dieſer letzte Ausdruck meiner Liebe gegen dich, Die du lange ſchon gefuͤhlt, laß ich alle ſehn und hoͤren, Deren Uberlegungs-Kraft nicht die Vorurtheile ſtoͤhren. Joſeph! deine ſtille Fuͤhrung reitzte mich oft inniglich. Jch vergeſſe nimmermehr, was du an des HErren Tage Gantz geheim mit mir geſprochen, wie du deinen Wandel fuͤhrt’ſt, Wie du deiner Bruͤder Hertz gerne in einander ruͤhrt’ſt, Wo du aber inne hielt’ſt: Mercke, hieß es, was ich ſage, Joſeph! deinen Hirten-Stecken kanſt du mit getroſtem Sinn JEſu, deinem Ober-HErrn, der dich einhohlt, uͤberreichen. Sorau! unſer Ertz-Biſchof gebe dir bald einen gleichen, Daß es hier nicht heiſſen moͤge: Joſephs Geiſt iſt mit dahin. Werther Graf! ich bitte dich, von der Wunden Chriſti wegen, Liebe ſeine rauhe Dornen, laß dem Fleiſche keine Ruh; Will GOtt ſeinen Sohn verklaͤhren, fahre augenblicklich zu. Wer den Harniſch nimmt muß ihn ohne Sieg nicht von ſich legen. Haſt du viel Verhinderniſſen, lieget dir die Perle tief, Weil du hochgebohren biſt; neige dich zu Chriſto nieder, Der ſtieg eine Hoͤh herab, und fand doch die Hoͤhe wieder. O wie wohl iſt mir geworden, da er mich ans Creutze rief. Fuͤrſtin! N 5

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/211>, abgerufen am 05.05.2024.