Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.1721. XI. Angenehme Sterbens-Gedancken. * Die Bäume blühen ab, Die Blätter stürtzen: Mir wird das liebe Grab Mein Elend kürtzen. Getrost, ich sehe schon Das Bäumlein blühen, Und meines Leibes Thon Gerader ziehen. Mein Grab-Stein springt entzwey, Der Schlaf vergehet: Der Leib wird Kercker-frey, Mein Tod verwehet. Der Faulniß finstre Baar, Und die Verwesung, Verliert sich gantz und gar Jn der Genesung. Der Sturm, der unsern Geist Vom Leibe treibet, Und uns von hinnen reißt, Hat ausgestäubet. Man höret ferner nicht Des Windes Brausen: Man spürt im stillen Licht Ein lieblich Sausen. Ein Wind von Jehovah Wird ausgeblasen: Die Beine liegen da Jn grünen Rasen. Auf Hoffnung liegen sie Der Aufferstehung, Und warten spat und früh Der Stands-Erhöhung. Jhr seyd zu Staub verbrand, Jhr kahlen Beine, Und * Jm Herbst. B
1721. XI. Angenehme Sterbens-Gedancken. * Die Baͤume bluͤhen ab, Die Blaͤtter ſtuͤrtzen: Mir wird das liebe Grab Mein Elend kuͤrtzen. Getroſt, ich ſehe ſchon Das Baͤumlein bluͤhen, Und meines Leibes Thon Gerader ziehen. Mein Grab-Stein ſpringt entzwey, Der Schlaf vergehet: Der Leib wird Kercker-frey, Mein Tod verwehet. Der Faulniß finſtre Baar, Und die Verweſung, Verliert ſich gantz und gar Jn der Geneſung. Der Sturm, der unſern Geiſt Vom Leibe treibet, Und uns von hinnen reißt, Hat ausgeſtaͤubet. Man hoͤret ferner nicht Des Windes Brauſen: Man ſpuͤrt im ſtillen Licht Ein lieblich Sauſen. Ein Wind von Jehovah Wird ausgeblaſen: Die Beine liegen da Jn gruͤnen Raſen. Auf Hoffnung liegen ſie Der Aufferſtehung, Und warten ſpat und fruͤh Der Stands-Erhoͤhung. Jhr ſeyd zu Staub verbrand, Jhr kahlen Beine, Und * Jm Herbſt. B
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1721.
XI. Angenehme Sterbens-Gedancken. *
Die Baͤume bluͤhen ab,
Die Blaͤtter ſtuͤrtzen:
Mir wird das liebe Grab
Mein Elend kuͤrtzen.
Getroſt, ich ſehe ſchon
Das Baͤumlein bluͤhen,
Und meines Leibes Thon
Gerader ziehen.
Mein Grab-Stein ſpringt entzwey,
Der Schlaf vergehet:
Der Leib wird Kercker-frey,
Mein Tod verwehet.
Der Faulniß finſtre Baar,
Und die Verweſung,
Verliert ſich gantz und gar
Jn der Geneſung.
Der Sturm, der unſern Geiſt
Vom Leibe treibet,
Und uns von hinnen reißt,
Hat ausgeſtaͤubet.
Man hoͤret ferner nicht
Des Windes Brauſen:
Man ſpuͤrt im ſtillen Licht
Ein lieblich Sauſen.
Ein Wind von Jehovah
Wird ausgeblaſen:
Die Beine liegen da
Jn gruͤnen Raſen.
Auf Hoffnung liegen ſie
Der Aufferſtehung,
Und warten ſpat und fruͤh
Der Stands-Erhoͤhung.
Jhr ſeyd zu Staub verbrand,
Jhr kahlen Beine,
Und
* Jm Herbſt.
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