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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

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1732.
Würden unter Menschen,
Die zusammen wandeln,
Und in einer Sprache handeln,
Hundert tausend einig
Wenn sie reden solten
Daß sies anders deuten wolten;
Möchten sie
Sich der Müh,
Jhren Sinn zu sagen
Nur zugleich entschlagen.
Aber, daß die Seelen
Eine Schrifft verdrehen
Eines, dem sie zugestehen,
Daß er sie vom Fluche
Mit sich selbst erkauffet,
Wahrheit, drauff man alles tauffet:
Das kommt mir
Rassend für.
Vor dergleichen Christen
Lob ich Atheisten.
Weg mit diesen Bildern,
So die Seelen qvälen,
Die sich unsern HErrn erwehlen!
Auf die grosse Frage:
Wo ist zum Exempel,
Auf der Welt ein Geistes-Tempel?
Zeig' ich dich
Männiglich,
Bild der wahren Ehe,
Theure Dorothee.
Jnnigst-liebe Liebe!
Dein durchdringend Auge
Sieht, wie viel ein Hertze tauge.
DU hast unser Bündniß
Zehn Jahr angeblicket,
Und ermahnet und erqvicket;
Billig ruht,
Unser Muth,
Nach
1732.
Wuͤrden unter Menſchen,
Die zuſammen wandeln,
Und in einer Sprache handeln,
Hundert tauſend einig
Wenn ſie reden ſolten
Daß ſies anders deuten wolten;
Moͤchten ſie
Sich der Muͤh,
Jhren Sinn zu ſagen
Nur zugleich entſchlagen.
Aber, daß die Seelen
Eine Schrifft verdrehen
Eines, dem ſie zugeſtehen,
Daß er ſie vom Fluche
Mit ſich ſelbſt erkauffet,
Wahrheit, drauff man alles tauffet:
Das kommt mir
Raſſend fuͤr.
Vor dergleichen Chriſten
Lob ich Atheiſten.
Weg mit dieſen Bildern,
So die Seelen qvaͤlen,
Die ſich unſern HErrn erwehlen!
Auf die groſſe Frage:
Wo iſt zum Exempel,
Auf der Welt ein Geiſtes-Tempel?
Zeig’ ich dich
Maͤnniglich,
Bild der wahren Ehe,
Theure Dorothee.
Jnnigſt-liebe Liebe!
Dein durchdringend Auge
Sieht, wie viel ein Hertze tauge.
DU haſt unſer Buͤndniß
Zehn Jahr angeblicket,
Und ermahnet und erqvicket;
Billig ruht,
Unſer Muth,
Nach
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[262/0272] 1732. Wuͤrden unter Menſchen, Die zuſammen wandeln, Und in einer Sprache handeln, Hundert tauſend einig Wenn ſie reden ſolten Daß ſies anders deuten wolten; Moͤchten ſie Sich der Muͤh, Jhren Sinn zu ſagen Nur zugleich entſchlagen. Aber, daß die Seelen Eine Schrifft verdrehen Eines, dem ſie zugeſtehen, Daß er ſie vom Fluche Mit ſich ſelbſt erkauffet, Wahrheit, drauff man alles tauffet: Das kommt mir Raſſend fuͤr. Vor dergleichen Chriſten Lob ich Atheiſten. Weg mit dieſen Bildern, So die Seelen qvaͤlen, Die ſich unſern HErrn erwehlen! Auf die groſſe Frage: Wo iſt zum Exempel, Auf der Welt ein Geiſtes-Tempel? Zeig’ ich dich Maͤnniglich, Bild der wahren Ehe, Theure Dorothee. Jnnigſt-liebe Liebe! Dein durchdringend Auge Sieht, wie viel ein Hertze tauge. DU haſt unſer Buͤndniß Zehn Jahr angeblicket, Und ermahnet und erqvicket; Billig ruht, Unſer Muth, Nach

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Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/272>, abgerufen am 14.05.2024.