selbst abgeschnitten werden, damit hätte ich der Versuchung weniger.
Da ich gleichwohl unter die Menschen muste, ward mirs sehr schwehr, und das kan man denen Gedichten von 1721. bis 1727. sehr deutlich an- mercken. Da schwebete mir das Exempel des Mardachai vor Augen, und ich war zur Critique geneigt. Seit dem Gedicht, was im 1728ten Jah- re das Erste ist, änderte sich diese Art nach und nach mercklich, denn ich bekam andre Materien ins Gemüth, und hatte mit der Welt nichts wei- ter zu thun, weil wir einander fremde wurden. Hingegen wurde das meine Sache, was zu einer Gemeine und ihrem Grunde, ja zu einer jeden Seele und ihrer Führung gehörte. Seit wenn JE- sus und seine Gemeine mir nicht mehr ein blosses Object der Verehrung und Bewunderung blieben, sondern mein Leben worden, wird man in den Ge- dichten selbst (so wenig ihrer auch sind) deutlich wahrnehmen, und da ich nach und nach vergsseen, was in der übrigen Welt vorgehet, so ist sich nicht zu verwundern, wenn sich Gedichte zeigen, da Handwercks-Leute und Mägde mit mehr Ehrer- bietung und Vergnügen besungen werden, als ehe- mahls die berühmte Hortence. Wenn es vermuth-
lich
Vorrede.
ſelbſt abgeſchnitten werden, damit haͤtte ich der Verſuchung weniger.
Da ich gleichwohl unter die Menſchen muſte, ward mirs ſehr ſchwehr, und das kan man denen Gedichten von 1721. bis 1727. ſehr deutlich an- mercken. Da ſchwebete mir das Exempel des Mardachai vor Augen, und ich war zur Critique geneigt. Seit dem Gedicht, was im 1728ten Jah- re das Erſte iſt, aͤnderte ſich dieſe Art nach und nach mercklich, denn ich bekam andre Materien ins Gemuͤth, und hatte mit der Welt nichts wei- ter zu thun, weil wir einander fremde wurden. Hingegen wurde das meine Sache, was zu einer Gemeine und ihrem Grunde, ja zu einer jeden Seele und ihrer Fuͤhrung gehoͤrte. Seit wenn JE- ſus und ſeine Gemeine mir nicht mehr ein bloſſes Object der Verehrung und Bewunderung blieben, ſondern mein Leben worden, wird man in den Ge- dichten ſelbſt (ſo wenig ihrer auch ſind) deutlich wahrnehmen, und da ich nach und nach vergſſeen, was in der uͤbrigen Welt vorgehet, ſo iſt ſich nicht zu verwundern, wenn ſich Gedichte zeigen, da Handwercks-Leute und Maͤgde mit mehr Ehrer- bietung und Vergnuͤgen beſungen werden, als ehe- mahls die beruͤhmte Hortençe. Wenn es vermuth-
lich
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[0008]
Vorrede.
ſelbſt abgeſchnitten werden, damit haͤtte ich der
Verſuchung weniger.
Da ich gleichwohl unter die Menſchen muſte,
ward mirs ſehr ſchwehr, und das kan man denen
Gedichten von 1721. bis 1727. ſehr deutlich an-
mercken. Da ſchwebete mir das Exempel des
Mardachai vor Augen, und ich war zur Critique
geneigt. Seit dem Gedicht, was im 1728ten Jah-
re das Erſte iſt, aͤnderte ſich dieſe Art nach und
nach mercklich, denn ich bekam andre Materien
ins Gemuͤth, und hatte mit der Welt nichts wei-
ter zu thun, weil wir einander fremde wurden.
Hingegen wurde das meine Sache, was zu einer
Gemeine und ihrem Grunde, ja zu einer jeden
Seele und ihrer Fuͤhrung gehoͤrte. Seit wenn JE-
ſus und ſeine Gemeine mir nicht mehr ein bloſſes
Object der Verehrung und Bewunderung blieben,
ſondern mein Leben worden, wird man in den Ge-
dichten ſelbſt (ſo wenig ihrer auch ſind) deutlich
wahrnehmen, und da ich nach und nach vergſſeen,
was in der uͤbrigen Welt vorgehet, ſo iſt ſich nicht
zu verwundern, wenn ſich Gedichte zeigen, da
Handwercks-Leute und Maͤgde mit mehr Ehrer-
bietung und Vergnuͤgen beſungen werden, als ehe-
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Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/8>, abgerufen am 21.11.2024.
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