Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735.

Bild:
<< vorherige Seite

1724.

Das, wenn ers worden ist,
Jhm an dem Hertzen frißt.

Als nun der Mann, der HErr
Vom Himmel abgeschieden,
Und als ein Wanderer,
Jn armer Knechts-Gestalt,
Die Erde durchgewallt;
Hat er, nebst andrer Last,
Auch diese aufgefast.
Allein das war ein Mann,
Der wuste sich zu rathen,
Obgleich der gantze Bann
Auf seinen Schultern lag,
Biß an den Todes-Tag;
Noch stand er aufgerichts,
Warum? Er wolte nichts.
Es soll ein ein'ger Sohn
Die Zornes-Flut durchwaten,
Verleugnen Cron und Thron,
Noch schlechten Nutzen sehn,
Und Strafe überstehn:
Ein Sohn, der nichts gethan;
Der Vater stiftets an!
Ach! hätte dieses Lamm
Gewust, was Wollen wäre:
Hätt' unser Bräutigam,
So sehr als seine Braut,
Auf Fug und Recht gebaut;
Er wär noch immer GOtt,
Und wir des Teufels Spott.
Allein, er wolte nicht;
Er litte nach der Schwere:
Er war auf nichts erpicht;
Nahm die beschiedne Pein
Jns Vaters Willen ein.
Nun ist sein Schmertz vorbey,
Und wir sind völlig frey.
Es

1724.

Das, wenn ers worden iſt,
Jhm an dem Hertzen frißt.

Als nun der Mann, der HErr
Vom Himmel abgeſchieden,
Und als ein Wanderer,
Jn armer Knechts-Geſtalt,
Die Erde durchgewallt;
Hat er, nebſt andrer Laſt,
Auch dieſe aufgefaſt.
Allein das war ein Mann,
Der wuſte ſich zu rathen,
Obgleich der gantze Bann
Auf ſeinen Schultern lag,
Biß an den Todes-Tag;
Noch ſtand er aufgerichts,
Warum? Er wolte nichts.
Es ſoll ein ein’ger Sohn
Die Zornes-Flut durchwaten,
Verleugnen Cron und Thron,
Noch ſchlechten Nutzen ſehn,
Und Strafe uͤberſtehn:
Ein Sohn, der nichts gethan;
Der Vater ſtiftets an!
Ach! haͤtte dieſes Lamm
Gewuſt, was Wollen waͤre:
Haͤtt’ unſer Braͤutigam,
So ſehr als ſeine Braut,
Auf Fug und Recht gebaut;
Er waͤr noch immer GOtt,
Und wir des Teufels Spott.
Allein, er wolte nicht;
Er litte nach der Schwere:
Er war auf nichts erpicht;
Nahm die beſchiedne Pein
Jns Vaters Willen ein.
Nun iſt ſein Schmertz vorbey,
Und wir ſind voͤllig frey.
Es
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <lg type="poem">
          <lg n="43">
            <l>
              <pb facs="#f0092" n="82"/>
              <fw place="top" type="header">1724.</fw>
            </l><lb/>
            <l>Das, wenn ers worden i&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Jhm an dem Hertzen frißt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="44">
            <l>Als nun der Mann, der HErr</l><lb/>
            <l>Vom Himmel abge&#x017F;chieden,</l><lb/>
            <l>Und als ein Wanderer,</l><lb/>
            <l>Jn armer Knechts-Ge&#x017F;talt,</l><lb/>
            <l>Die Erde durchgewallt;</l><lb/>
            <l>Hat er, neb&#x017F;t andrer La&#x017F;t,</l><lb/>
            <l>Auch die&#x017F;e aufgefa&#x017F;t.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="45">
            <l>Allein das war ein Mann,</l><lb/>
            <l>Der wu&#x017F;te &#x017F;ich zu rathen,</l><lb/>
            <l>Obgleich der gantze Bann</l><lb/>
            <l>Auf &#x017F;einen Schultern lag,</l><lb/>
            <l>Biß an den Todes-Tag;</l><lb/>
            <l>Noch &#x017F;tand er aufgerichts,</l><lb/>
            <l>Warum? <hi rendition="#fr">Er wolte nichts.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="46">
            <l>Es &#x017F;oll ein ein&#x2019;ger Sohn</l><lb/>
            <l>Die Zornes-Flut durchwaten,</l><lb/>
            <l>Verleugnen Cron und Thron,</l><lb/>
            <l>Noch &#x017F;chlechten Nutzen &#x017F;ehn,</l><lb/>
            <l>Und Strafe u&#x0364;ber&#x017F;tehn:</l><lb/>
            <l>Ein Sohn, der nichts gethan;</l><lb/>
            <l>Der Vater &#x017F;tiftets an!</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="47">
            <l>Ach! ha&#x0364;tte die&#x017F;es Lamm</l><lb/>
            <l>Gewu&#x017F;t, was <hi rendition="#fr">Wollen</hi> wa&#x0364;re:</l><lb/>
            <l>Ha&#x0364;tt&#x2019; un&#x017F;er Bra&#x0364;utigam,</l><lb/>
            <l>So &#x017F;ehr als &#x017F;eine Braut,</l><lb/>
            <l>Auf Fug und Recht gebaut;</l><lb/>
            <l>Er wa&#x0364;r noch immer GOtt,</l><lb/>
            <l>Und wir des Teufels Spott.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="48">
            <l>Allein, er wolte nicht;</l><lb/>
            <l>Er litte nach der Schwere:</l><lb/>
            <l>Er war auf nichts erpicht;</l><lb/>
            <l>Nahm die be&#x017F;chiedne Pein</l><lb/>
            <l>Jns Vaters Willen ein.</l><lb/>
            <l>Nun i&#x017F;t &#x017F;ein Schmertz vorbey,</l><lb/>
            <l>Und wir &#x017F;ind vo&#x0364;llig frey.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0092] 1724. Das, wenn ers worden iſt, Jhm an dem Hertzen frißt. Als nun der Mann, der HErr Vom Himmel abgeſchieden, Und als ein Wanderer, Jn armer Knechts-Geſtalt, Die Erde durchgewallt; Hat er, nebſt andrer Laſt, Auch dieſe aufgefaſt. Allein das war ein Mann, Der wuſte ſich zu rathen, Obgleich der gantze Bann Auf ſeinen Schultern lag, Biß an den Todes-Tag; Noch ſtand er aufgerichts, Warum? Er wolte nichts. Es ſoll ein ein’ger Sohn Die Zornes-Flut durchwaten, Verleugnen Cron und Thron, Noch ſchlechten Nutzen ſehn, Und Strafe uͤberſtehn: Ein Sohn, der nichts gethan; Der Vater ſtiftets an! Ach! haͤtte dieſes Lamm Gewuſt, was Wollen waͤre: Haͤtt’ unſer Braͤutigam, So ſehr als ſeine Braut, Auf Fug und Recht gebaut; Er waͤr noch immer GOtt, Und wir des Teufels Spott. Allein, er wolte nicht; Er litte nach der Schwere: Er war auf nichts erpicht; Nahm die beſchiedne Pein Jns Vaters Willen ein. Nun iſt ſein Schmertz vorbey, Und wir ſind voͤllig frey. Es

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/92
Zitationshilfe: Zinzendorf, Nicolaus Ludwig von: Teutscher Gedichte Erster Theil. Herrnhuth, 1735, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zinzendorf_gedichte_1735/92>, abgerufen am 21.11.2024.