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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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III. Die Traditionen des Heidenthums.
besondre in der dichterisch verklärten Gestalt, welche sie schon ziemlich
frühzeitig durch Hesiodos erhielten, eine sehr durchgreifende, viele
merkwürdige Einzelheiten in sich schließende Parallele zur Darstellung
der Weltalter im Alten Testament darbieten. Hesiod's Fassung der
Weltalter-Sage vereinigt in der That fast alles Charakteristische in
sich, was auch die Bibel in die früheste Menschheitsgeschichte zwischen
Adam und Noah verlegt, ohne doch ihr specifisch Hellenisches und
alt-Episches, ihre poetische Freiheit und Selbständigkeit irgendwie
zu verleugnen.1) Sie hebt an mit einer Schilderung der ursprüng-
lichen Unschuld und Glückseligkeit der Menschen, während der Zeit,
da Pandora, das hellenische Gegenbild der Eva, noch nicht durch
Oeffnung ihres unheilspendenden Gefäßes zahllose unsägliche Uebel
über die Erde ausgebreitet hatte. Jn dieser goldnen Urzeit -- ein
wahrscheinlich von späterer Hand eingeschobner Vers bezeichnet die-
selbe als die der Herrschaft des Kronos -- lebten die Menschen
gleich Göttern ohne Sorge, Kummer und Arbeit auf Erden, unge-
plagt von des trägen Alters Ermattung.

"Wie vom Schlafe bezwungen, so starben sie. Trefflich war Alles
Diesem Geschlecht: Frucht brachte die nahrung-sprossende Erde
Ganz von selbst in reichlicher Füll'; und willig die Menschen
Wirkten ihr Werk in Frieden, von der Güter Fülle getragen".

Viel geringer schon war die Herrlichkeit des hierauf gefolgten
silbernen Zeitalters; die ursprüngliche Fülle menschlicher Lebenskraft
beginnt in ihm schon zu weichen. Doch wachsen in ihm noch
hundertjährige Knaben heran unter ihrer Mütter sorgsamer Pflege,
welche dann freilich nach erreichtem Mannesalter rasch wieder hin-
welken in Folge ihrer Thorheit. Denn den unsterblichen Göttern
wollten sie nicht dienen, noch die gebührenden Opfer ihnen bringen;
deßhalb verbarg Zeus der Kronide schon bald sie im Zorne unter
der Erde und machte aus ihnen das Geschlecht der "Unterirdischen",
der "seligen Todten" zweiten Rangs. -- Es folgte das eherne
Zeitalter des aus harten Eschen gemachten kriegerischen und ge-

1) Hesiod, [fremdsprachliches Material - 3 Wörter fehlen], v. 109--201.

III. Die Traditionen des Heidenthums.
beſondre in der dichteriſch verklärten Geſtalt, welche ſie ſchon ziemlich
frühzeitig durch Heſiodos erhielten, eine ſehr durchgreifende, viele
merkwürdige Einzelheiten in ſich ſchließende Parallele zur Darſtellung
der Weltalter im Alten Teſtament darbieten. Heſiod’s Faſſung der
Weltalter-Sage vereinigt in der That faſt alles Charakteriſtiſche in
ſich, was auch die Bibel in die früheſte Menſchheitsgeſchichte zwiſchen
Adam und Noah verlegt, ohne doch ihr ſpecifiſch Helleniſches und
alt-Epiſches, ihre poetiſche Freiheit und Selbſtändigkeit irgendwie
zu verleugnen.1) Sie hebt an mit einer Schilderung der urſprüng-
lichen Unſchuld und Glückſeligkeit der Menſchen, während der Zeit,
da Pandora, das helleniſche Gegenbild der Eva, noch nicht durch
Oeffnung ihres unheilſpendenden Gefäßes zahlloſe unſägliche Uebel
über die Erde ausgebreitet hatte. Jn dieſer goldnen Urzeit — ein
wahrſcheinlich von ſpäterer Hand eingeſchobner Vers bezeichnet die-
ſelbe als die der Herrſchaft des Kronos — lebten die Menſchen
gleich Göttern ohne Sorge, Kummer und Arbeit auf Erden, unge-
plagt von des trägen Alters Ermattung.

„Wie vom Schlafe bezwungen, ſo ſtarben ſie. Trefflich war Alles
Dieſem Geſchlecht: Frucht brachte die nahrung-ſproſſende Erde
Ganz von ſelbſt in reichlicher Füll’; und willig die Menſchen
Wirkten ihr Werk in Frieden, von der Güter Fülle getragen‟.

Viel geringer ſchon war die Herrlichkeit des hierauf gefolgten
ſilbernen Zeitalters; die urſprüngliche Fülle menſchlicher Lebenskraft
beginnt in ihm ſchon zu weichen. Doch wachſen in ihm noch
hundertjährige Knaben heran unter ihrer Mütter ſorgſamer Pflege,
welche dann freilich nach erreichtem Mannesalter raſch wieder hin-
welken in Folge ihrer Thorheit. Denn den unſterblichen Göttern
wollten ſie nicht dienen, noch die gebührenden Opfer ihnen bringen;
deßhalb verbarg Zeus der Kronide ſchon bald ſie im Zorne unter
der Erde und machte aus ihnen das Geſchlecht der „Unterirdiſchen‟,
der „ſeligen Todten‟ zweiten Rangs. — Es folgte das eherne
Zeitalter des aus harten Eſchen gemachten kriegeriſchen und ge-

1) Heſiod, [fremdsprachliches Material – 3 Wörter fehlen], v. 109—201.
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[98/0108] III. Die Traditionen des Heidenthums. beſondre in der dichteriſch verklärten Geſtalt, welche ſie ſchon ziemlich frühzeitig durch Heſiodos erhielten, eine ſehr durchgreifende, viele merkwürdige Einzelheiten in ſich ſchließende Parallele zur Darſtellung der Weltalter im Alten Teſtament darbieten. Heſiod’s Faſſung der Weltalter-Sage vereinigt in der That faſt alles Charakteriſtiſche in ſich, was auch die Bibel in die früheſte Menſchheitsgeſchichte zwiſchen Adam und Noah verlegt, ohne doch ihr ſpecifiſch Helleniſches und alt-Epiſches, ihre poetiſche Freiheit und Selbſtändigkeit irgendwie zu verleugnen. 1) Sie hebt an mit einer Schilderung der urſprüng- lichen Unſchuld und Glückſeligkeit der Menſchen, während der Zeit, da Pandora, das helleniſche Gegenbild der Eva, noch nicht durch Oeffnung ihres unheilſpendenden Gefäßes zahlloſe unſägliche Uebel über die Erde ausgebreitet hatte. Jn dieſer goldnen Urzeit — ein wahrſcheinlich von ſpäterer Hand eingeſchobner Vers bezeichnet die- ſelbe als die der Herrſchaft des Kronos — lebten die Menſchen gleich Göttern ohne Sorge, Kummer und Arbeit auf Erden, unge- plagt von des trägen Alters Ermattung. „Wie vom Schlafe bezwungen, ſo ſtarben ſie. Trefflich war Alles Dieſem Geſchlecht: Frucht brachte die nahrung-ſproſſende Erde Ganz von ſelbſt in reichlicher Füll’; und willig die Menſchen Wirkten ihr Werk in Frieden, von der Güter Fülle getragen‟. Viel geringer ſchon war die Herrlichkeit des hierauf gefolgten ſilbernen Zeitalters; die urſprüngliche Fülle menſchlicher Lebenskraft beginnt in ihm ſchon zu weichen. Doch wachſen in ihm noch hundertjährige Knaben heran unter ihrer Mütter ſorgſamer Pflege, welche dann freilich nach erreichtem Mannesalter raſch wieder hin- welken in Folge ihrer Thorheit. Denn den unſterblichen Göttern wollten ſie nicht dienen, noch die gebührenden Opfer ihnen bringen; deßhalb verbarg Zeus der Kronide ſchon bald ſie im Zorne unter der Erde und machte aus ihnen das Geſchlecht der „Unterirdiſchen‟, der „ſeligen Todten‟ zweiten Rangs. — Es folgte das eherne Zeitalter des aus harten Eſchen gemachten kriegeriſchen und ge- 1) Heſiod, ___, v. 109—201.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/108>, abgerufen am 21.11.2024.