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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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III. Die Traditionen des Heidenthums.
geschichte, die Genealogie der Patriarchen von Seth bis Noah, die
Grundlage des Sintfluthberichts etc., gelten ihr als erst nachexilischen
Ursprungs, alles Jehovistische aber als schon älter. Jm Paradieses-
und Sündenfallsbericht steckt nach ihr also älteres Sagengut aus
der Prophetenzeit; die Schöpfungsgeschichte u. s. f. sind Producte
jüngerer und freierer, sich nicht an alte Mythen des Orients (ins-
besondere der Euphratvölker) anlehnender schriftstellerischer Reflexion.
Reflexionsproducte sind sie freilich beide; auch schon der jeho-
vistische Erzähler ist eifrig darauf ausgewesen, von den Sagenstoffen,
die er den mythischen Traditionen von Jsraels Nachbarvölkern ent-
nahm, das eigentlich Mythische und Grobheidnische möglichst abzu-
streifen, was ihm natürlich minder vollkommen gelang, als dem auf
seinem streng monotheistischem und abstract-theologischen Standpunkte
fast völlig frei dichtenden priesterlichen Urheber der Elohim-Urkunde.1)
-- Es gehören feine Spürnasen dazu, die Richtigkeit solcher Apercu's
nachzuempfinden; nicht Jedermann besitzt sie. Wir an unsrem be-
scheidnen Theile können, wie aus dem vorigen Abschnitte erhellt, den
Unterschied des elohistischen und jehovistischen Standpunkts in Be-
handlung der Urgeschichte nicht so groß finden, daß wir dem ersteren
die Beeinflussung durch die gemeinsame religiöse Urtradition Vorder-
asiens, welchen man dem Jehovisten in reichlichem Maße zuschreibt,
abzusprechen für nöthig hielten. Wir meinen: sie schöpften Beide
aus jenem uralten religiösen Sagenschatze -- der für uns freilich
kein mythischer, sondern ein der Uroffenbarung Gottes an das Men-
schengeschlecht entstammender ist; und was sie aus ihm über des
Menschen ursprüngliches Verhältniß zu Gott, sein allmähliges Ab-
weichen von seinen Wegen und Entfallen aus seiner Gemeinschaft, etc.
mittheilen, sieht sich nicht gar so unähnlich, daß darum eine Kluft
von Jahrhunderten zwischen ihren beiderseitigen Aufzeichnungen be-
festigt werden müßte. Die großen Grundwahrheiten der alttesta-
mentlichen Religion, welche Gen. 1 umschließt: des heiligen und gei-

1) Näheres s. bei Wellhausen, Geschichte Jsraels I, 339--352, beson-
ders S. 347.

III. Die Traditionen des Heidenthums.
geſchichte, die Genealogie der Patriarchen von Seth bis Noah, die
Grundlage des Sintfluthberichts ꝛc., gelten ihr als erſt nachexiliſchen
Urſprungs, alles Jehoviſtiſche aber als ſchon älter. Jm Paradieſes-
und Sündenfallsbericht ſteckt nach ihr alſo älteres Sagengut aus
der Prophetenzeit; die Schöpfungsgeſchichte u. ſ. f. ſind Producte
jüngerer und freierer, ſich nicht an alte Mythen des Orients (ins-
beſondere der Euphratvölker) anlehnender ſchriftſtelleriſcher Reflexion.
Reflexionsproducte ſind ſie freilich beide; auch ſchon der jeho-
viſtiſche Erzähler iſt eifrig darauf ausgeweſen, von den Sagenſtoffen,
die er den mythiſchen Traditionen von Jſraels Nachbarvölkern ent-
nahm, das eigentlich Mythiſche und Grobheidniſche möglichſt abzu-
ſtreifen, was ihm natürlich minder vollkommen gelang, als dem auf
ſeinem ſtreng monotheiſtiſchem und abſtract-theologiſchen Standpunkte
faſt völlig frei dichtenden prieſterlichen Urheber der Elohim-Urkunde.1)
— Es gehören feine Spürnaſen dazu, die Richtigkeit ſolcher Aperçu’s
nachzuempfinden; nicht Jedermann beſitzt ſie. Wir an unſrem be-
ſcheidnen Theile können, wie aus dem vorigen Abſchnitte erhellt, den
Unterſchied des elohiſtiſchen und jehoviſtiſchen Standpunkts in Be-
handlung der Urgeſchichte nicht ſo groß finden, daß wir dem erſteren
die Beeinfluſſung durch die gemeinſame religiöſe Urtradition Vorder-
aſiens, welchen man dem Jehoviſten in reichlichem Maße zuſchreibt,
abzuſprechen für nöthig hielten. Wir meinen: ſie ſchöpften Beide
aus jenem uralten religiöſen Sagenſchatze — der für uns freilich
kein mythiſcher, ſondern ein der Uroffenbarung Gottes an das Men-
ſchengeſchlecht entſtammender iſt; und was ſie aus ihm über des
Menſchen urſprüngliches Verhältniß zu Gott, ſein allmähliges Ab-
weichen von ſeinen Wegen und Entfallen aus ſeiner Gemeinſchaft, ꝛc.
mittheilen, ſieht ſich nicht gar ſo unähnlich, daß darum eine Kluft
von Jahrhunderten zwiſchen ihren beiderſeitigen Aufzeichnungen be-
feſtigt werden müßte. Die großen Grundwahrheiten der altteſta-
mentlichen Religion, welche Gen. 1 umſchließt: des heiligen und gei-

1) Näheres ſ. bei Wellhauſen, Geſchichte Jsraels I, 339—352, beſon-
ders S. 347.
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[110/0120] III. Die Traditionen des Heidenthums. geſchichte, die Genealogie der Patriarchen von Seth bis Noah, die Grundlage des Sintfluthberichts ꝛc., gelten ihr als erſt nachexiliſchen Urſprungs, alles Jehoviſtiſche aber als ſchon älter. Jm Paradieſes- und Sündenfallsbericht ſteckt nach ihr alſo älteres Sagengut aus der Prophetenzeit; die Schöpfungsgeſchichte u. ſ. f. ſind Producte jüngerer und freierer, ſich nicht an alte Mythen des Orients (ins- beſondere der Euphratvölker) anlehnender ſchriftſtelleriſcher Reflexion. Reflexionsproducte ſind ſie freilich beide; auch ſchon der jeho- viſtiſche Erzähler iſt eifrig darauf ausgeweſen, von den Sagenſtoffen, die er den mythiſchen Traditionen von Jſraels Nachbarvölkern ent- nahm, das eigentlich Mythiſche und Grobheidniſche möglichſt abzu- ſtreifen, was ihm natürlich minder vollkommen gelang, als dem auf ſeinem ſtreng monotheiſtiſchem und abſtract-theologiſchen Standpunkte faſt völlig frei dichtenden prieſterlichen Urheber der Elohim-Urkunde. 1) — Es gehören feine Spürnaſen dazu, die Richtigkeit ſolcher Aperçu’s nachzuempfinden; nicht Jedermann beſitzt ſie. Wir an unſrem be- ſcheidnen Theile können, wie aus dem vorigen Abſchnitte erhellt, den Unterſchied des elohiſtiſchen und jehoviſtiſchen Standpunkts in Be- handlung der Urgeſchichte nicht ſo groß finden, daß wir dem erſteren die Beeinfluſſung durch die gemeinſame religiöſe Urtradition Vorder- aſiens, welchen man dem Jehoviſten in reichlichem Maße zuſchreibt, abzuſprechen für nöthig hielten. Wir meinen: ſie ſchöpften Beide aus jenem uralten religiöſen Sagenſchatze — der für uns freilich kein mythiſcher, ſondern ein der Uroffenbarung Gottes an das Men- ſchengeſchlecht entſtammender iſt; und was ſie aus ihm über des Menſchen urſprüngliches Verhältniß zu Gott, ſein allmähliges Ab- weichen von ſeinen Wegen und Entfallen aus ſeiner Gemeinſchaft, ꝛc. mittheilen, ſieht ſich nicht gar ſo unähnlich, daß darum eine Kluft von Jahrhunderten zwiſchen ihren beiderſeitigen Aufzeichnungen be- feſtigt werden müßte. Die großen Grundwahrheiten der altteſta- mentlichen Religion, welche Gen. 1 umſchließt: des heiligen und gei- 1) Näheres ſ. bei Wellhauſen, Geſchichte Jsraels I, 339—352, beſon- ders S. 347.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/120>, abgerufen am 09.11.2024.