Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.VI. Sprach-, religions- und culturgeschichtliche Jnstanzen. zusammenlebenden Vorfahren behufs Ausbildung ihres Sprach-Jnstincts bedurft hätten, nicht hinwegzukommen.1) Mit der Stelle im biblischen Schöpfungsbericht, welche eine 1) J. J. Rousseau, Discours sur l'origine et les fondemens de l'inegalite parmi les hommes, 1754. Vgl. Th. Benfey, Geschichte der Sprachwissenschaft etc., S. 292. 2) Herm. v. d. Hardt: In Mosis, severissimi morum censoris historiam
Gen. 2, 18--20 de vocatis ab Adamo animalibus, in Bochartum, Helm- stad. 1705. Jhn bestritt dann vom orthodoxen Standpunkte aus Lilienthal in s. Selecta historica et literaria, Regiomont. 1715, p. 258 ss.; Haupt- zweck jener Namengebung sei gewesen excolendi linguam, qua uteretur primus homo, et inveniendi vocabula rebus exprimendis apta. Auch sei die Sprache, deren sich Adam hiebei bediente, keine untergegangene Ursprache, sondern das Hebr. gewesen, etc. VI. Sprach-, religions- und culturgeſchichtliche Jnſtanzen. zuſammenlebenden Vorfahren behufs Ausbildung ihres Sprach-Jnſtincts bedurft hätten, nicht hinwegzukommen.1) Mit der Stelle im bibliſchen Schöpfungsbericht, welche eine 1) J. J. Rouſſeau, Discours sur l’origine et les fondemens de l’inégalité parmi les hommes, 1754. Vgl. Th. Benfey, Geſchichte der Sprachwiſſenſchaft ꝛc., S. 292. 2) Herm. v. d. Hardt: In Mosis, severissimi morum censoris historiam
Gen. 2, 18—20 de vocatis ab Adamo animalibus, in Bochartum, Helm- stad. 1705. Jhn beſtritt dann vom orthodoxen Standpunkte aus Lilienthal in ſ. Selecta historica et literaria, Regiomont. 1715, p. 258 ss.; Haupt- zweck jener Namengebung ſei geweſen excolendi linguam, qua uteretur primus homo, et inveniendi vocabula rebus exprimendis apta. Auch ſei die Sprache, deren ſich Adam hiebei bediente, keine untergegangene Urſprache, ſondern das Hebr. geweſen, ꝛc. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0192" n="182"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VI.</hi> Sprach-, religions- und culturgeſchichtliche Jnſtanzen.</fw><lb/> zuſammenlebenden Vorfahren behufs Ausbildung ihres Sprach-<lb/> Jnſtincts bedurft hätten, nicht hinwegzukommen.<note place="foot" n="1)">J. J. <hi rendition="#g">Rouſſeau,</hi> <hi rendition="#aq">Discours sur l’origine et les fondemens de<lb/> l’inégalité parmi les hommes,</hi> 1754. Vgl. Th. <hi rendition="#g">Benfey,</hi> Geſchichte der<lb/> Sprachwiſſenſchaft ꝛc., S. 292.</note></p><lb/> <p>Mit der Stelle im bibliſchen Schöpfungsbericht, welche eine<lb/> erſte Ausübung des Sprachvermögens ſeitens des Menſchen gemäß<lb/> göttlicher Weiſung ſtattfinden läßt (1. Moſ. 2, 19. 20), iſt von<lb/> jeher viel Mißbrauch getrieben worden. Eine Theorie vom Urſprung<lb/> der Sprache will dieſe Stelle ganz gewiß nicht geben. Hermann<lb/> v. d. Hardt hatte ganz Recht, wenn er gegenüber der weitverbreiteten<lb/> Unſitte ſeiner ſchriftgelehrten Zeitgenoſſen, hier irgendwelche Sprach-<lb/> Urſprungstheorie (und zwar obendrein eine ſolche, wonach das<lb/> Hebräiſche die Urſprache unſres Geſchlechts geweſen wäre!) zu finden,<lb/> die Benamung der Thiere lediglich als vorbereitendes Moment<lb/> für das Folgende: die Aufſuchung einer paſſenden Lebensgefährtin<lb/> für Adam, gefaßt wiſſen wollte.<note place="foot" n="2)">Herm. v. d. <hi rendition="#g">Hardt:</hi> <hi rendition="#aq">In Mosis, severissimi morum censoris historiam<lb/> Gen. 2, 18—20 de vocatis ab Adamo animalibus, in Bochartum, Helm-<lb/> stad.</hi> 1705. Jhn beſtritt dann vom orthodoxen Standpunkte aus <hi rendition="#g">Lilienthal</hi><lb/> in ſ. <hi rendition="#aq">Selecta historica et literaria, Regiomont. 1715, p. 258 ss.;</hi> Haupt-<lb/> zweck jener Namengebung ſei geweſen <hi rendition="#aq">excolendi linguam, qua uteretur primus<lb/> homo, et inveniendi vocabula rebus exprimendis apta.</hi> Auch ſei die Sprache,<lb/> deren ſich Adam hiebei bediente, keine untergegangene Urſprache, ſondern das<lb/> Hebr. geweſen, ꝛc.</note> Die Beziehung auf die Bethä-<lb/> tigung der Sprachfähigkeit des erſten Menſchen, welche der Bericht<lb/> enthält, iſt jedenfalls nur eine indirecte und nebenſächliche. Jmmerhin<lb/> liegt eine ſolche Beziehung thatſächlich vor, und gewiß eine nicht<lb/> unwichtige. Das Sprechen des Menſchen erſcheint laut der Stelle<lb/> als ein bis in die Paradieſeszeit zurückreichendes, mit dem Schöpfungs-<lb/> acte ſelbſt verflochtenes, in gewiſſem Sinne anerſchaffenes Moment<lb/> menſchlicher Lebensbethätigung, als eine Urform der menſchlicherſeits<lb/> nach Gottes Bilde über die niedere Naturwelt auszuübenden Herrſchaft.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [182/0192]
VI. Sprach-, religions- und culturgeſchichtliche Jnſtanzen.
zuſammenlebenden Vorfahren behufs Ausbildung ihres Sprach-
Jnſtincts bedurft hätten, nicht hinwegzukommen. 1)
Mit der Stelle im bibliſchen Schöpfungsbericht, welche eine
erſte Ausübung des Sprachvermögens ſeitens des Menſchen gemäß
göttlicher Weiſung ſtattfinden läßt (1. Moſ. 2, 19. 20), iſt von
jeher viel Mißbrauch getrieben worden. Eine Theorie vom Urſprung
der Sprache will dieſe Stelle ganz gewiß nicht geben. Hermann
v. d. Hardt hatte ganz Recht, wenn er gegenüber der weitverbreiteten
Unſitte ſeiner ſchriftgelehrten Zeitgenoſſen, hier irgendwelche Sprach-
Urſprungstheorie (und zwar obendrein eine ſolche, wonach das
Hebräiſche die Urſprache unſres Geſchlechts geweſen wäre!) zu finden,
die Benamung der Thiere lediglich als vorbereitendes Moment
für das Folgende: die Aufſuchung einer paſſenden Lebensgefährtin
für Adam, gefaßt wiſſen wollte. 2) Die Beziehung auf die Bethä-
tigung der Sprachfähigkeit des erſten Menſchen, welche der Bericht
enthält, iſt jedenfalls nur eine indirecte und nebenſächliche. Jmmerhin
liegt eine ſolche Beziehung thatſächlich vor, und gewiß eine nicht
unwichtige. Das Sprechen des Menſchen erſcheint laut der Stelle
als ein bis in die Paradieſeszeit zurückreichendes, mit dem Schöpfungs-
acte ſelbſt verflochtenes, in gewiſſem Sinne anerſchaffenes Moment
menſchlicher Lebensbethätigung, als eine Urform der menſchlicherſeits
nach Gottes Bilde über die niedere Naturwelt auszuübenden Herrſchaft.
1) J. J. Rouſſeau, Discours sur l’origine et les fondemens de
l’inégalité parmi les hommes, 1754. Vgl. Th. Benfey, Geſchichte der
Sprachwiſſenſchaft ꝛc., S. 292.
2) Herm. v. d. Hardt: In Mosis, severissimi morum censoris historiam
Gen. 2, 18—20 de vocatis ab Adamo animalibus, in Bochartum, Helm-
stad. 1705. Jhn beſtritt dann vom orthodoxen Standpunkte aus Lilienthal
in ſ. Selecta historica et literaria, Regiomont. 1715, p. 258 ss.; Haupt-
zweck jener Namengebung ſei geweſen excolendi linguam, qua uteretur primus
homo, et inveniendi vocabula rebus exprimendis apta. Auch ſei die Sprache,
deren ſich Adam hiebei bediente, keine untergegangene Urſprache, ſondern das
Hebr. geweſen, ꝛc.
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