Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.I. Der Urstand nach kirchlicher Ueberlieferung. andern"1). Doch haben Kirchenväter, besonders griechische, beiBesprechung der geistigen Vorzüge des noch nicht gefallenen Menschen im Paradiese sich theilweise üppig rhetorisirender Ausschmückungen und mißverständlicher Uebertreibungen schuldig gemacht. Nach Gregor von Nyssa war Adam ursprünglich geschmückt mit dem Purpur der Tugend und dem Diadem der Gerechtigkeit; nicht bloß Vernunft und Unsterblichkeit, auch Weisheit und alle gotteswürdigen Güter gehörten mit zur Ausstattung dessen, der sich als Verwandten Gottes fühlen sollte und dem, wäre er nicht gefallen, die Geschlechts- verbindung zwischen Mann und Weib fremd geblieben sein würde. Einen "irdischen Engel", von wunderbarer Glorie umgeben, nannte Chrysostomus den noch nicht gefallenen Adam mit Bezug auf eben dieses Noch nicht Eingetretensein des Freiens und Sichfreienlassens (Luk. 20, 36); als einen "anderen Engel" bezeichnete ihn eben deßhalb der ascetisch-überschwengliche Gregor von Nazianz. Bei dem die Lehren dieser Früheren zusammenfassenden Johann von Damas- kus heißt der erste Mensch, wie Gott ihn erschaffen, nicht bloß sündlos, rechtschaffen, tugendhaft und schmerzlos, sondern "mit jeg- licher Tugend geschmückt, mit allen Gütern ausgestattet, gleichsam eine zweite kleine Welt innerhalb der großen, eine Art anbetenden Engels, ein Mittelwesen, ein Seher der sichtbaren, ein Eingeweihter in die geistige Schöpfung, ein König der irdischen Dinge, königlich beherrscht von Oben, irdisch und himmlisch, zeitlich und unsterblich, sinnfällig und geistig wahrnehmbar, mitteninne zwischen Hoheit und Niedrigkeit, Geist und Fleisch in Einer Person," etc. 2) Einen wichtigen Jmpuls zur Ausbildung dieser über die Schrift- 1) Bartoloccius, Bibliotheca magna rabbinica, Rom. 1675, T. I, p. 64 ss. -- Eisenmenger, Entd. Judenthum I, 365. -- Vgl. Ham- burger, Real-Encyklop. f. Bibel und Talmud, Art. "Urmensch"; Winer, Bibl. Realwörterbuch, Art. "Adam". 2) Greg. v. Nyssa, Orat. catech. c. 5 und De opif. hominis. --
Chrysostomus, Hom. 14 und 16 in Genes. -- Greg. v. Naz. Orat. 42. -- Joh. v. Damask., De fide orthod. II, 12. I. Der Urſtand nach kirchlicher Ueberlieferung. andern‟1). Doch haben Kirchenväter, beſonders griechiſche, beiBeſprechung der geiſtigen Vorzüge des noch nicht gefallenen Menſchen im Paradieſe ſich theilweiſe üppig rhetoriſirender Ausſchmückungen und mißverſtändlicher Uebertreibungen ſchuldig gemacht. Nach Gregor von Nyſſa war Adam urſprünglich geſchmückt mit dem Purpur der Tugend und dem Diadem der Gerechtigkeit; nicht bloß Vernunft und Unſterblichkeit, auch Weisheit und alle gotteswürdigen Güter gehörten mit zur Ausſtattung deſſen, der ſich als Verwandten Gottes fühlen ſollte und dem, wäre er nicht gefallen, die Geſchlechts- verbindung zwiſchen Mann und Weib fremd geblieben ſein würde. Einen „irdiſchen Engel‟, von wunderbarer Glorie umgeben, nannte Chryſoſtomus den noch nicht gefallenen Adam mit Bezug auf eben dieſes Noch nicht Eingetretenſein des Freiens und Sichfreienlaſſens (Luk. 20, 36); als einen „anderen Engel‟ bezeichnete ihn eben deßhalb der ascetiſch-überſchwengliche Gregor von Nazianz. Bei dem die Lehren dieſer Früheren zuſammenfaſſenden Johann von Damas- kus heißt der erſte Menſch, wie Gott ihn erſchaffen, nicht bloß ſündlos, rechtſchaffen, tugendhaft und ſchmerzlos, ſondern „mit jeg- licher Tugend geſchmückt, mit allen Gütern ausgeſtattet, gleichſam eine zweite kleine Welt innerhalb der großen, eine Art anbetenden Engels, ein Mittelweſen, ein Seher der ſichtbaren, ein Eingeweihter in die geiſtige Schöpfung, ein König der irdiſchen Dinge, königlich beherrſcht von Oben, irdiſch und himmliſch, zeitlich und unſterblich, ſinnfällig und geiſtig wahrnehmbar, mitteninne zwiſchen Hoheit und Niedrigkeit, Geiſt und Fleiſch in Einer Perſon,‟ ꝛc. 2) Einen wichtigen Jmpuls zur Ausbildung dieſer über die Schrift- 1) Bartoloccius, Bibliotheca magna rabbinica, Rom. 1675, T. I, p. 64 ss. — Eiſenmenger, Entd. Judenthum I, 365. — Vgl. Ham- burger, Real-Encyklop. f. Bibel und Talmud, Art. „Urmenſch‟; Winer, Bibl. Realwörterbuch, Art. „Adam‟. 2) Greg. v. Nyſſa, Orat. catech. c. 5 und De opif. hominis. —
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Beſprechung der geiſtigen Vorzüge des noch nicht gefallenen Menſchen
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und mißverſtändlicher Uebertreibungen ſchuldig gemacht. Nach Gregor
von Nyſſa war Adam urſprünglich geſchmückt mit dem Purpur der
Tugend und dem Diadem der Gerechtigkeit; nicht bloß Vernunft
und Unſterblichkeit, auch Weisheit und alle gotteswürdigen Güter
gehörten mit zur Ausſtattung deſſen, der ſich als Verwandten
Gottes fühlen ſollte und dem, wäre er nicht gefallen, die Geſchlechts-
verbindung zwiſchen Mann und Weib fremd geblieben ſein würde.
Einen „irdiſchen Engel‟, von wunderbarer Glorie umgeben, nannte
Chryſoſtomus den noch nicht gefallenen Adam mit Bezug auf eben
dieſes Noch nicht Eingetretenſein des Freiens und Sichfreienlaſſens
(Luk. 20, 36); als einen „anderen Engel‟ bezeichnete ihn eben
deßhalb der ascetiſch-überſchwengliche Gregor von Nazianz. Bei dem
die Lehren dieſer Früheren zuſammenfaſſenden Johann von Damas-
kus heißt der erſte Menſch, wie Gott ihn erſchaffen, nicht bloß
ſündlos, rechtſchaffen, tugendhaft und ſchmerzlos, ſondern „mit jeg-
licher Tugend geſchmückt, mit allen Gütern ausgeſtattet, gleichſam
eine zweite kleine Welt innerhalb der großen, eine Art anbetenden
Engels, ein Mittelweſen, ein Seher der ſichtbaren, ein Eingeweihter
in die geiſtige Schöpfung, ein König der irdiſchen Dinge, königlich
beherrſcht von Oben, irdiſch und himmliſch, zeitlich und unſterblich,
ſinnfällig und geiſtig wahrnehmbar, mitteninne zwiſchen Hoheit und
Niedrigkeit, Geiſt und Fleiſch in Einer Perſon,‟ ꝛc. 2)
Einen wichtigen Jmpuls zur Ausbildung dieſer über die Schrift-
1) Bartoloccius, Bibliotheca magna rabbinica, Rom. 1675, T. I,
p. 64 ss. — Eiſenmenger, Entd. Judenthum I, 365. — Vgl. Ham-
burger, Real-Encyklop. f. Bibel und Talmud, Art. „Urmenſch‟; Winer,
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2) Greg. v. Nyſſa, Orat. catech. c. 5 und De opif. hominis. —
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