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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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VI. Sprach-, religions- und culturgeschichtliche Jnstanzen.
der Chinesen sei nur die höchste Stufe des Fetischismus, die Aus-
sagen der ältesten chinesischen Geschichtsurkunden und religiösen Lieder
über das höchste Wesen, genannt bald "der höchste Herr", bald
"der Himmel", entgegen, zum Erweise dessen, daß es absolut un-
möglich sei die Verehrung und Anrufung dieses unleugbar mono-
theistisch gedachten Wesens Fetischismus zu nennen. Mit Recht
widerspricht dieser Religionsforscher überhaupt der Annahme, als
"habe der Fetischismus bei den niedrigsten Dingen angefangen, sich
zu immer größeren und höheren erhoben, und sei so zuletzt bei der
Verehrung des Himmels angelangt", als einer wissenschaftlich un-
haltbaren, durch keine gesunde Analogie bestätigten Theorie.

Die Fetischismus-Hypothese erscheint dem allem zufolge so gänz-
lich entblößt von allen bestätigenden Momenten, daß die neuestens
selbst bei Vertretern des religiösen Liberalismus hervortretende Ab-
neigung gegen sie wohlbegreiflich erscheint. Wie schon Max Müller
die Annahme, daß Fetischcult als eine Urform religiösen Vorstellens
und Lebens gelten könne, wiederholt bekämpft hatte, so bestimmt
Julius Happel das Wesen des Fetisch als bestehend in einer ge-
wissen willkürlich festgestellten Beziehung eines beliebigen sinnlichen
Dinges zur Gottheit, betrachtet mithin den Fetisch als vom reli-
giösen Menschen "sich angeeignetes numen", als "Conductor himm-
lischer Kräfte in der Welt" und vergleicht damit zwar Reliquien,
Zaubermittel u. dgl., aber nicht eigentliche Objecte göttlicher Dar-
stellung oder Verehrung. Aehnlich O. Pfleiderer, der zwar weder
eigentlichen Monotheismus, noch eine sonstige geistige Gottesidee an
die Spitze der religiösen Entwicklung der Menschheit setzt (-- die
früheste religiöse Regung, meint er, hätte wohl ein gewisses "ästhe-
tisches Fühlen, dessen allgemeines Object durch den Himmel reprä-
sentirt gewesen", gebildet, es gebe also wohl eine Urmythologie,
aber keine eigentliche Urreligion --) immerhin aber den Fetischismus
nicht als eine irgendwie frühe hervorgetretene Religionsform, sondern
als eine "Entartung und Zerstückelung erhabener Allgemeinvorstellun-
gen" betrachtet und über die Ausführungen Happels das aner-

VI. Sprach-, religions- und culturgeſchichtliche Jnſtanzen.
der Chineſen ſei nur die höchſte Stufe des Fetiſchismus, die Aus-
ſagen der älteſten chineſiſchen Geſchichtsurkunden und religiöſen Lieder
über das höchſte Weſen, genannt bald „der höchſte Herr‟, bald
„der Himmel‟, entgegen, zum Erweiſe deſſen, daß es abſolut un-
möglich ſei die Verehrung und Anrufung dieſes unleugbar mono-
theiſtiſch gedachten Weſens Fetiſchismus zu nennen. Mit Recht
widerſpricht dieſer Religionsforſcher überhaupt der Annahme, als
„habe der Fetiſchismus bei den niedrigſten Dingen angefangen, ſich
zu immer größeren und höheren erhoben, und ſei ſo zuletzt bei der
Verehrung des Himmels angelangt‟, als einer wiſſenſchaftlich un-
haltbaren, durch keine geſunde Analogie beſtätigten Theorie.

Die Fetiſchismus-Hypotheſe erſcheint dem allem zufolge ſo gänz-
lich entblößt von allen beſtätigenden Momenten, daß die neueſtens
ſelbſt bei Vertretern des religiöſen Liberalismus hervortretende Ab-
neigung gegen ſie wohlbegreiflich erſcheint. Wie ſchon Max Müller
die Annahme, daß Fetiſchcult als eine Urform religiöſen Vorſtellens
und Lebens gelten könne, wiederholt bekämpft hatte, ſo beſtimmt
Julius Happel das Weſen des Fetiſch als beſtehend in einer ge-
wiſſen willkürlich feſtgeſtellten Beziehung eines beliebigen ſinnlichen
Dinges zur Gottheit, betrachtet mithin den Fetiſch als vom reli-
giöſen Menſchen „ſich angeeignetes numen‟, als „Conductor himm-
liſcher Kräfte in der Welt‟ und vergleicht damit zwar Reliquien,
Zaubermittel u. dgl., aber nicht eigentliche Objecte göttlicher Dar-
ſtellung oder Verehrung. Aehnlich O. Pfleiderer, der zwar weder
eigentlichen Monotheismus, noch eine ſonſtige geiſtige Gottesidee an
die Spitze der religiöſen Entwicklung der Menſchheit ſetzt (— die
früheſte religiöſe Regung, meint er, hätte wohl ein gewiſſes „äſthe-
tiſches Fühlen, deſſen allgemeines Object durch den Himmel reprä-
ſentirt geweſen‟, gebildet, es gebe alſo wohl eine Urmythologie,
aber keine eigentliche Urreligion —) immerhin aber den Fetiſchismus
nicht als eine irgendwie frühe hervorgetretene Religionsform, ſondern
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[202/0212] VI. Sprach-, religions- und culturgeſchichtliche Jnſtanzen. der Chineſen ſei nur die höchſte Stufe des Fetiſchismus, die Aus- ſagen der älteſten chineſiſchen Geſchichtsurkunden und religiöſen Lieder über das höchſte Weſen, genannt bald „der höchſte Herr‟, bald „der Himmel‟, entgegen, zum Erweiſe deſſen, daß es abſolut un- möglich ſei die Verehrung und Anrufung dieſes unleugbar mono- theiſtiſch gedachten Weſens Fetiſchismus zu nennen. Mit Recht widerſpricht dieſer Religionsforſcher überhaupt der Annahme, als „habe der Fetiſchismus bei den niedrigſten Dingen angefangen, ſich zu immer größeren und höheren erhoben, und ſei ſo zuletzt bei der Verehrung des Himmels angelangt‟, als einer wiſſenſchaftlich un- haltbaren, durch keine geſunde Analogie beſtätigten Theorie. Die Fetiſchismus-Hypotheſe erſcheint dem allem zufolge ſo gänz- lich entblößt von allen beſtätigenden Momenten, daß die neueſtens ſelbſt bei Vertretern des religiöſen Liberalismus hervortretende Ab- neigung gegen ſie wohlbegreiflich erſcheint. Wie ſchon Max Müller die Annahme, daß Fetiſchcult als eine Urform religiöſen Vorſtellens und Lebens gelten könne, wiederholt bekämpft hatte, ſo beſtimmt Julius Happel das Weſen des Fetiſch als beſtehend in einer ge- wiſſen willkürlich feſtgeſtellten Beziehung eines beliebigen ſinnlichen Dinges zur Gottheit, betrachtet mithin den Fetiſch als vom reli- giöſen Menſchen „ſich angeeignetes numen‟, als „Conductor himm- liſcher Kräfte in der Welt‟ und vergleicht damit zwar Reliquien, Zaubermittel u. dgl., aber nicht eigentliche Objecte göttlicher Dar- ſtellung oder Verehrung. Aehnlich O. Pfleiderer, der zwar weder eigentlichen Monotheismus, noch eine ſonſtige geiſtige Gottesidee an die Spitze der religiöſen Entwicklung der Menſchheit ſetzt (— die früheſte religiöſe Regung, meint er, hätte wohl ein gewiſſes „äſthe- tiſches Fühlen, deſſen allgemeines Object durch den Himmel reprä- ſentirt geweſen‟, gebildet, es gebe alſo wohl eine Urmythologie, aber keine eigentliche Urreligion —) immerhin aber den Fetiſchismus nicht als eine irgendwie frühe hervorgetretene Religionsform, ſondern als eine „Entartung und Zerſtückelung erhabener Allgemeinvorſtellun- gen‟ betrachtet und über die Ausführungen Happels das aner-

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/212>, abgerufen am 24.11.2024.