Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen. der aus Rußland erzählten Fälle exorbitanten Alters Derartigesder Fall war; so bei dem um 1794 unweit Polocz lebenden 164- jährigen Russen, der seit seiner Geburt (1630) zehn Regentenwechsel erlebt und mit dreien Frauen 132 Abkömmlinge erzeugt haben sollte; deßgleichen bei dem ungefähr 200jährigen Esthländer, den man im J. 1818 dem Kaiser Alexander I. als einstigen Zeugen des 30jährigen Kriegs und Troßjungen im Heere Gustav Adolphs von Schweden (!) vorstellte.1) Sind solche Fälle eines angeblich zwischen 150- und 200jährigen, oder gar über 200jährigen Alters wohl als unhaltbar preiszugeben und ermangeln andere -- wie wohl auch der jenes 185jährigen Ungarn Czarten, oder wie der eines andren 185jährigen Namens Kentigen (+ 1781), oder wie der jenes 198jährigen Taveira de Lima (s. o.) -- überhaupt der näheren Controlirbarkeit: so sieht man doch nicht ein, warum die aus fast allen Himmelsstrichen und Völkern ziemlich reichlich be- zeugten Vertreter eines etwa 120- oder auch 130jährigen Lebens- alters, deren schon Haller über vierzig zusammenbrachte, sämmtlich Producte mythischer Uebertreibung sein sollten. Während Alexander v. Humboldt um den Anfang unsres Jahrhunderts in Lima ver- weilte, starb dort der Jndianer Hilario Pari in einem Alter von 143 Jahren, nachdem er 90 Jahre lang mit einer Frau seines Stammes, die ein Alter von 117 Jahren erreichte, vermählt gewesen war. Wie Humboldt diesen Fall ohne Kundgebung von Mißtrauen berichtet, so erzählt ein etwas später in denselben Ländern gereister Schriftsteller, Stevenson, von der Beerdigung zweier perua- nischer Jndianer, Bewohner eines und desselben Dorfs, welcher er beigewohnt habe; der eine dieser Greise sei 109, der andre 127 Jahre alt geworden, beide hätten bis zu ihrem Tode einer voll- kommnen Gesundheit genossen.2) Nimmt man hiezu die den ver- 1) Beide hier erwähnte Fälle aus Petri: Esthland und die Esthen etc. Vgl. Volksblatt f. Stadt und Land 1862, Nr. 68, S. 1095. 2) A. v. Humboldt, Polit. Versuch über Neuspanien etc. -- Stevenson,
Reisen in Arauco, Chile, Peru und Columbia in den JJ. 1804--23 (Weimar 1826), I, 267. VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen. der aus Rußland erzählten Fälle exorbitanten Alters Derartigesder Fall war; ſo bei dem um 1794 unweit Polocz lebenden 164- jährigen Ruſſen, der ſeit ſeiner Geburt (1630) zehn Regentenwechſel erlebt und mit dreien Frauen 132 Abkömmlinge erzeugt haben ſollte; deßgleichen bei dem ungefähr 200jährigen Eſthländer, den man im J. 1818 dem Kaiſer Alexander I. als einſtigen Zeugen des 30jährigen Kriegs und Troßjungen im Heere Guſtav Adolphs von Schweden (!) vorſtellte.1) Sind ſolche Fälle eines angeblich zwiſchen 150- und 200jährigen, oder gar über 200jährigen Alters wohl als unhaltbar preiszugeben und ermangeln andere — wie wohl auch der jenes 185jährigen Ungarn Czarten, oder wie der eines andren 185jährigen Namens Kentigen († 1781), oder wie der jenes 198jährigen Taveira de Lima (ſ. o.) — überhaupt der näheren Controlirbarkeit: ſo ſieht man doch nicht ein, warum die aus faſt allen Himmelsſtrichen und Völkern ziemlich reichlich be- zeugten Vertreter eines etwa 120- oder auch 130jährigen Lebens- alters, deren ſchon Haller über vierzig zuſammenbrachte, ſämmtlich Producte mythiſcher Uebertreibung ſein ſollten. Während Alexander v. Humboldt um den Anfang unſres Jahrhunderts in Lima ver- weilte, ſtarb dort der Jndianer Hilario Pari in einem Alter von 143 Jahren, nachdem er 90 Jahre lang mit einer Frau ſeines Stammes, die ein Alter von 117 Jahren erreichte, vermählt geweſen war. Wie Humboldt dieſen Fall ohne Kundgebung von Mißtrauen berichtet, ſo erzählt ein etwas ſpäter in denſelben Ländern gereiſter Schriftſteller, Stevenſon, von der Beerdigung zweier perua- niſcher Jndianer, Bewohner eines und deſſelben Dorfs, welcher er beigewohnt habe; der eine dieſer Greiſe ſei 109, der andre 127 Jahre alt geworden, beide hätten bis zu ihrem Tode einer voll- kommnen Geſundheit genoſſen.2) Nimmt man hiezu die den ver- 1) Beide hier erwähnte Fälle aus Petri: Eſthland und die Eſthen ꝛc. Vgl. Volksblatt f. Stadt und Land 1862, Nr. 68, S. 1095. 2) A. v. Humboldt, Polit. Verſuch über Neuſpanien ꝛc. — Stevenſon,
Reiſen in Arauco, Chile, Peru und Columbia in den JJ. 1804—23 (Weimar 1826), I, 267. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0264" n="254"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> Die Langlebigkeit der Patriarchen.</fw><lb/> der aus Rußland erzählten Fälle exorbitanten Alters Derartiges<lb/> der Fall war; ſo bei dem um 1794 unweit Polocz lebenden 164-<lb/> jährigen Ruſſen, der ſeit ſeiner Geburt (1630) zehn Regentenwechſel<lb/> erlebt und mit dreien Frauen 132 Abkömmlinge erzeugt haben<lb/> ſollte; deßgleichen bei dem ungefähr 200jährigen Eſthländer, den<lb/> man im J. 1818 dem Kaiſer Alexander <hi rendition="#aq">I.</hi> als einſtigen Zeugen<lb/> des 30jährigen Kriegs und Troßjungen im Heere Guſtav Adolphs<lb/> von Schweden (!) vorſtellte.<note place="foot" n="1)">Beide hier erwähnte Fälle aus <hi rendition="#g">Petri:</hi> Eſthland und die Eſthen ꝛc.<lb/> Vgl. Volksblatt f. Stadt und Land 1862, Nr. 68, S. 1095.</note> Sind ſolche Fälle eines angeblich<lb/> zwiſchen 150- und 200jährigen, oder gar über 200jährigen Alters<lb/> wohl als unhaltbar preiszugeben und ermangeln andere — wie<lb/> wohl auch der jenes 185jährigen Ungarn Czarten, oder wie der<lb/> eines andren 185jährigen Namens Kentigen († 1781), oder wie<lb/> der jenes 198jährigen Taveira de Lima (ſ. o.) — überhaupt der<lb/> näheren Controlirbarkeit: ſo ſieht man doch nicht ein, warum die<lb/> aus faſt allen Himmelsſtrichen und Völkern ziemlich reichlich be-<lb/> zeugten Vertreter eines etwa 120- oder auch 130jährigen Lebens-<lb/> alters, deren ſchon Haller über vierzig zuſammenbrachte, ſämmtlich<lb/> Producte mythiſcher Uebertreibung ſein ſollten. Während Alexander<lb/> v. Humboldt um den Anfang unſres Jahrhunderts in Lima ver-<lb/> weilte, ſtarb dort der Jndianer Hilario Pari in einem Alter von<lb/> 143 Jahren, nachdem er 90 Jahre lang mit einer Frau ſeines<lb/> Stammes, die ein Alter von 117 Jahren erreichte, vermählt<lb/> geweſen war. Wie Humboldt dieſen Fall ohne Kundgebung von<lb/> Mißtrauen berichtet, ſo erzählt ein etwas ſpäter in denſelben Ländern<lb/> gereiſter Schriftſteller, Stevenſon, von der Beerdigung zweier perua-<lb/> niſcher Jndianer, Bewohner eines und deſſelben Dorfs, welcher er<lb/> beigewohnt habe; der eine dieſer Greiſe ſei 109, der andre 127<lb/> Jahre alt geworden, beide hätten bis zu ihrem Tode einer voll-<lb/> kommnen Geſundheit genoſſen.<note place="foot" n="2)">A. v. <hi rendition="#g">Humboldt,</hi> Polit. Verſuch über Neuſpanien ꝛc. — <hi rendition="#g">Stevenſon,</hi><lb/> Reiſen in Arauco, Chile, Peru und Columbia in den JJ. 1804—23 (Weimar<lb/> 1826), <hi rendition="#aq">I,</hi> 267.</note> Nimmt man hiezu die den ver-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [254/0264]
VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
der aus Rußland erzählten Fälle exorbitanten Alters Derartiges
der Fall war; ſo bei dem um 1794 unweit Polocz lebenden 164-
jährigen Ruſſen, der ſeit ſeiner Geburt (1630) zehn Regentenwechſel
erlebt und mit dreien Frauen 132 Abkömmlinge erzeugt haben
ſollte; deßgleichen bei dem ungefähr 200jährigen Eſthländer, den
man im J. 1818 dem Kaiſer Alexander I. als einſtigen Zeugen
des 30jährigen Kriegs und Troßjungen im Heere Guſtav Adolphs
von Schweden (!) vorſtellte. 1) Sind ſolche Fälle eines angeblich
zwiſchen 150- und 200jährigen, oder gar über 200jährigen Alters
wohl als unhaltbar preiszugeben und ermangeln andere — wie
wohl auch der jenes 185jährigen Ungarn Czarten, oder wie der
eines andren 185jährigen Namens Kentigen († 1781), oder wie
der jenes 198jährigen Taveira de Lima (ſ. o.) — überhaupt der
näheren Controlirbarkeit: ſo ſieht man doch nicht ein, warum die
aus faſt allen Himmelsſtrichen und Völkern ziemlich reichlich be-
zeugten Vertreter eines etwa 120- oder auch 130jährigen Lebens-
alters, deren ſchon Haller über vierzig zuſammenbrachte, ſämmtlich
Producte mythiſcher Uebertreibung ſein ſollten. Während Alexander
v. Humboldt um den Anfang unſres Jahrhunderts in Lima ver-
weilte, ſtarb dort der Jndianer Hilario Pari in einem Alter von
143 Jahren, nachdem er 90 Jahre lang mit einer Frau ſeines
Stammes, die ein Alter von 117 Jahren erreichte, vermählt
geweſen war. Wie Humboldt dieſen Fall ohne Kundgebung von
Mißtrauen berichtet, ſo erzählt ein etwas ſpäter in denſelben Ländern
gereiſter Schriftſteller, Stevenſon, von der Beerdigung zweier perua-
niſcher Jndianer, Bewohner eines und deſſelben Dorfs, welcher er
beigewohnt habe; der eine dieſer Greiſe ſei 109, der andre 127
Jahre alt geworden, beide hätten bis zu ihrem Tode einer voll-
kommnen Geſundheit genoſſen. 2) Nimmt man hiezu die den ver-
1) Beide hier erwähnte Fälle aus Petri: Eſthland und die Eſthen ꝛc.
Vgl. Volksblatt f. Stadt und Land 1862, Nr. 68, S. 1095.
2) A. v. Humboldt, Polit. Verſuch über Neuſpanien ꝛc. — Stevenſon,
Reiſen in Arauco, Chile, Peru und Columbia in den JJ. 1804—23 (Weimar
1826), I, 267.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |