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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

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VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
füllen suchte, sodaß in dieser Urgeschichte die Personennamen ganze
Perioden bezeichneten."1) -- Auch diese Deutung scheitert an unüber-
windlichen exegetischen Schwierigkeiten. Offenbar werden die Erz-
väter, die sethitischen sogut wie die zwischen Noah und Abraham,
als concrete Einzelpersonen geschildert, die zu einem bestimmten
Zeitpunkte Kinder zu zeugen anfangen, theilweise auch -- so Enos,
Henoch, Noah -- individuelle heilsgeschichtlich bedeutsame Schicksale
erleben. Oder könnte da, wo von irgendwelchem Völkerleben noch
keine Rede ist, wo die Menschheit aufs deutlichste als nur erst in
Gestalt der Familie sich entwickelnd geschildert wird, von Derartigem
wie von einander ablösenden Herrscherstämmen oder gar Dynastien
berichtet werden? Jst es denkbar, daß die Namen Adam, Seth,
Enos, Kenan etc. etwas Aehnliches bedeuten sollten wie Koreischiten,
Ommajaden, Abbassiden, oder wie Karolinger, Sachsen, Salier,
Hohenstaufen?

Die letzte Classe von Versuchen zur Alterirung der geschicht-
lichen Fassung der in Rede stehenden Patriarchenreihen verlauft
unvermerkt in's Bereich der Mythendeutung. Die hohen Jahres-
summen 930, 912, 905, 910, 892, 962, 365, 969, 777, 950
sollen, ebenso wie auch die nachsintfluthlichen 600, 438, 433, 464,
239, 239, 230, 148, 205, nicht eigentlich, sondern cyklisch ge-
meint sein. Als Anhaltspunkt für diese Annahme scheint besonders
die gerade 365 Jahre betragende Lebenszeit Henochs, des Erfinders
der Astrologie nach alter Sage, dienen zu können. Bertheau (1845)
meinte deßhalb in den Patriarchenreihen des hebr., samar. und
griech. Textes drei verschiedne cyklisch berechnete Ergänzungen der
fehlenden historischen Chronologie erblicken zu dürfen. Einseitig an
die Relation der Septuaginta hielt sich Böckh, wenn er in deren
2242 Jahren zwischen Adam und der Fluth eine Reduction von
19 Hundssternperioden der ägyptischen Vorgeschichte oder von 27 759

1) Gatterer, Weltgeschichte (Götting. 1785) I, 9. Aehnlich auch Enkel-
mann
in Henke's Museum, II, 565 ff. -- Sodann Rosenmüller, Schol-
ad Gen.
5, 5; Friedreich, Zur Bibel I, 170 f.

VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen.
füllen ſuchte, ſodaß in dieſer Urgeſchichte die Perſonennamen ganze
Perioden bezeichneten.‟1) — Auch dieſe Deutung ſcheitert an unüber-
windlichen exegetiſchen Schwierigkeiten. Offenbar werden die Erz-
väter, die ſethitiſchen ſogut wie die zwiſchen Noah und Abraham,
als concrete Einzelperſonen geſchildert, die zu einem beſtimmten
Zeitpunkte Kinder zu zeugen anfangen, theilweiſe auch — ſo Enos,
Henoch, Noah — individuelle heilsgeſchichtlich bedeutſame Schickſale
erleben. Oder könnte da, wo von irgendwelchem Völkerleben noch
keine Rede iſt, wo die Menſchheit aufs deutlichſte als nur erſt in
Geſtalt der Familie ſich entwickelnd geſchildert wird, von Derartigem
wie von einander ablöſenden Herrſcherſtämmen oder gar Dynaſtien
berichtet werden? Jſt es denkbar, daß die Namen Adam, Seth,
Enos, Kenan ꝛc. etwas Aehnliches bedeuten ſollten wie Koreiſchiten,
Ommajaden, Abbaſſiden, oder wie Karolinger, Sachſen, Salier,
Hohenſtaufen?

Die letzte Claſſe von Verſuchen zur Alterirung der geſchicht-
lichen Faſſung der in Rede ſtehenden Patriarchenreihen verlauft
unvermerkt in’s Bereich der Mythendeutung. Die hohen Jahres-
ſummen 930, 912, 905, 910, 892, 962, 365, 969, 777, 950
ſollen, ebenſo wie auch die nachſintfluthlichen 600, 438, 433, 464,
239, 239, 230, 148, 205, nicht eigentlich, ſondern cykliſch ge-
meint ſein. Als Anhaltspunkt für dieſe Annahme ſcheint beſonders
die gerade 365 Jahre betragende Lebenszeit Henochs, des Erfinders
der Aſtrologie nach alter Sage, dienen zu können. Bertheau (1845)
meinte deßhalb in den Patriarchenreihen des hebr., ſamar. und
griech. Textes drei verſchiedne cykliſch berechnete Ergänzungen der
fehlenden hiſtoriſchen Chronologie erblicken zu dürfen. Einſeitig an
die Relation der Septuaginta hielt ſich Böckh, wenn er in deren
2242 Jahren zwiſchen Adam und der Fluth eine Reduction von
19 Hundsſternperioden der ägyptiſchen Vorgeſchichte oder von 27 759

1) Gatterer, Weltgeſchichte (Götting. 1785) I, 9. Aehnlich auch Enkel-
mann
in Henke’s Muſeum, II, 565 ff. — Sodann Roſenmüller, Schol-
ad Gen.
5, 5; Friedreich, Zur Bibel I, 170 f.
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[263/0273] VIII. Die Langlebigkeit der Patriarchen. füllen ſuchte, ſodaß in dieſer Urgeſchichte die Perſonennamen ganze Perioden bezeichneten.‟ 1) — Auch dieſe Deutung ſcheitert an unüber- windlichen exegetiſchen Schwierigkeiten. Offenbar werden die Erz- väter, die ſethitiſchen ſogut wie die zwiſchen Noah und Abraham, als concrete Einzelperſonen geſchildert, die zu einem beſtimmten Zeitpunkte Kinder zu zeugen anfangen, theilweiſe auch — ſo Enos, Henoch, Noah — individuelle heilsgeſchichtlich bedeutſame Schickſale erleben. Oder könnte da, wo von irgendwelchem Völkerleben noch keine Rede iſt, wo die Menſchheit aufs deutlichſte als nur erſt in Geſtalt der Familie ſich entwickelnd geſchildert wird, von Derartigem wie von einander ablöſenden Herrſcherſtämmen oder gar Dynaſtien berichtet werden? Jſt es denkbar, daß die Namen Adam, Seth, Enos, Kenan ꝛc. etwas Aehnliches bedeuten ſollten wie Koreiſchiten, Ommajaden, Abbaſſiden, oder wie Karolinger, Sachſen, Salier, Hohenſtaufen? Die letzte Claſſe von Verſuchen zur Alterirung der geſchicht- lichen Faſſung der in Rede ſtehenden Patriarchenreihen verlauft unvermerkt in’s Bereich der Mythendeutung. Die hohen Jahres- ſummen 930, 912, 905, 910, 892, 962, 365, 969, 777, 950 ſollen, ebenſo wie auch die nachſintfluthlichen 600, 438, 433, 464, 239, 239, 230, 148, 205, nicht eigentlich, ſondern cykliſch ge- meint ſein. Als Anhaltspunkt für dieſe Annahme ſcheint beſonders die gerade 365 Jahre betragende Lebenszeit Henochs, des Erfinders der Aſtrologie nach alter Sage, dienen zu können. Bertheau (1845) meinte deßhalb in den Patriarchenreihen des hebr., ſamar. und griech. Textes drei verſchiedne cykliſch berechnete Ergänzungen der fehlenden hiſtoriſchen Chronologie erblicken zu dürfen. Einſeitig an die Relation der Septuaginta hielt ſich Böckh, wenn er in deren 2242 Jahren zwiſchen Adam und der Fluth eine Reduction von 19 Hundsſternperioden der ägyptiſchen Vorgeſchichte oder von 27 759 1) Gatterer, Weltgeſchichte (Götting. 1785) I, 9. Aehnlich auch Enkel- mann in Henke’s Muſeum, II, 565 ff. — Sodann Roſenmüller, Schol- ad Gen. 5, 5; Friedreich, Zur Bibel I, 170 f.

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Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/273>, abgerufen am 22.11.2024.