Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.

Bild:
<< vorherige Seite

IX. Das Alter des Menschengeschlechts.
bei Clemens Alexandrinus mit den 5500 bei Julius Africanus,
den 5200 des Eusebius, den 5492 des Anianus und Panodarus,
sowie den 5872, welche Seyffarth als neuester Apologet der Siebenzig
Dolmetscher herausgerechnet hat! Daß die Abweichungen dieses Texts
vom hebräischen bei Bestimmung der Makrobier-Alter in Genesis
5 und 11 aller Wahrscheinlichkeit nach auf einer bestimmten Tendenz
seiner Urheber beruhen, und daß dieselben in Verbindung mit den
wieder anders gearteten Abweichungen im samaritanischen Texte die
Ziffern der hebräischen Ueberlieferung als die ursprünglichen erweisen,
wurde bereits oben gezeigt (VIII, 2). Vergebens hat man jüngst
gerade auf Seiten der letzteren ein Plagiat nachzuweisen gesucht:
die ursprünglich mit den höheren Angaben des Septuagintatextes
harmonirenden Lebensalter der Patriarchen im Grundtexte verdankten
erst einem Gewaltstreiche der Hohenpriester Hannas und Kaiphas
ihren heutigen Wortlaut; diese Beiden hätten, um die Erscheinung
des Messias leugnen und den Juden die Zeit seines Kommens als
noch nicht vorhanden bezeichnen zu können, volle tausend Jahre
vom Leben der Patriarchen aus dem Texte der Genesis weg ge-
nommen! Die diese merkwürdige Nachricht überliefernde Einleitung
zu einer in Leiden handschriftlich aufbewahrten arabischen Penta-
teuchsversion ist ganz späten Ursprungs und verdient nicht den
mindesten Glauben. 1) Es bleibt bei der durch die neuere biblische
Wissenschaft nahezu einstimmig angenommenen Priorität des hebräischen
Texts als des ursprünglichen und allein glaubwürdigen, mit welchem
erst das conciliatorische Streben alexandrinischer Schriftforscher der
Ptolemäerzeit gewisse Aenderungen zum Zwecke seiner Annäherung
an die hochgegriffenen Altersangaben der ägyptischen Nationalüber-
lieferung vornahm, und zwar Aenderungen, welche die nach dem

1) Gegen Lagardes Versuch, das betr. Märlein als glaubwürdig dar-
zustellen, siehe A. Kuenen: Les origines du texte masoretique de l'Ancien
Testament, Par.
1875; Himpel, in der Tüb. Theol. Quartalschr. 1876,
I, 135 ff.; G. Bickell, Kritik von Lagarde's "Symmikta", in der Junsbrucker
Vierteljahrsschr. f. kath. Theol., 1879, II, 392.
19*

IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts.
bei Clemens Alexandrinus mit den 5500 bei Julius Africanus,
den 5200 des Euſebius, den 5492 des Anianus und Panodarus,
ſowie den 5872, welche Seyffarth als neueſter Apologet der Siebenzig
Dolmetſcher herausgerechnet hat! Daß die Abweichungen dieſes Texts
vom hebräiſchen bei Beſtimmung der Makrobier-Alter in Geneſis
5 und 11 aller Wahrſcheinlichkeit nach auf einer beſtimmten Tendenz
ſeiner Urheber beruhen, und daß dieſelben in Verbindung mit den
wieder anders gearteten Abweichungen im ſamaritaniſchen Texte die
Ziffern der hebräiſchen Ueberlieferung als die urſprünglichen erweiſen,
wurde bereits oben gezeigt (VIII, 2). Vergebens hat man jüngſt
gerade auf Seiten der letzteren ein Plagiat nachzuweiſen geſucht:
die urſprünglich mit den höheren Angaben des Septuagintatextes
harmonirenden Lebensalter der Patriarchen im Grundtexte verdankten
erſt einem Gewaltſtreiche der Hohenprieſter Hannas und Kaiphas
ihren heutigen Wortlaut; dieſe Beiden hätten, um die Erſcheinung
des Meſſias leugnen und den Juden die Zeit ſeines Kommens als
noch nicht vorhanden bezeichnen zu können, volle tauſend Jahre
vom Leben der Patriarchen aus dem Texte der Geneſis weg ge-
nommen! Die dieſe merkwürdige Nachricht überliefernde Einleitung
zu einer in Leiden handſchriftlich aufbewahrten arabiſchen Penta-
teuchsverſion iſt ganz ſpäten Urſprungs und verdient nicht den
mindeſten Glauben. 1) Es bleibt bei der durch die neuere bibliſche
Wiſſenſchaft nahezu einſtimmig angenommenen Priorität des hebräiſchen
Texts als des urſprünglichen und allein glaubwürdigen, mit welchem
erſt das conciliatoriſche Streben alexandriniſcher Schriftforſcher der
Ptolemäerzeit gewiſſe Aenderungen zum Zwecke ſeiner Annäherung
an die hochgegriffenen Altersangaben der ägyptiſchen Nationalüber-
lieferung vornahm, und zwar Aenderungen, welche die nach dem

1) Gegen Lagardes Verſuch, das betr. Märlein als glaubwürdig dar-
zuſtellen, ſiehe A. Kuenen: Les origines du texte masorétique de l’Ancien
Testament, Par.
1875; Himpel, in der Tüb. Theol. Quartalſchr. 1876,
I, 135 ff.; G. Bickell, Kritik von Lagarde’s „Symmikta‟, in der Junsbrucker
Vierteljahrsſchr. f. kath. Theol., 1879, II, 392.
19*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0301" n="291"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">IX.</hi> Das Alter des Men&#x017F;chenge&#x017F;chlechts.</fw><lb/>
bei Clemens Alexandrinus mit den 5500 bei Julius Africanus,<lb/>
den 5200 des Eu&#x017F;ebius, den 5492 des Anianus und Panodarus,<lb/>
&#x017F;owie den 5872, welche Seyffarth als neue&#x017F;ter Apologet der Siebenzig<lb/>
Dolmet&#x017F;cher herausgerechnet hat! Daß die Abweichungen die&#x017F;es Texts<lb/>
vom hebräi&#x017F;chen bei Be&#x017F;timmung der Makrobier-Alter in Gene&#x017F;is<lb/>
5 und 11 aller Wahr&#x017F;cheinlichkeit nach auf einer be&#x017F;timmten Tendenz<lb/>
&#x017F;einer Urheber beruhen, und daß die&#x017F;elben in Verbindung mit den<lb/>
wieder anders gearteten Abweichungen im &#x017F;amaritani&#x017F;chen Texte die<lb/>
Ziffern der hebräi&#x017F;chen Ueberlieferung als die ur&#x017F;prünglichen erwei&#x017F;en,<lb/>
wurde bereits oben gezeigt (<hi rendition="#aq">VIII,</hi> 2). Vergebens hat man jüng&#x017F;t<lb/>
gerade auf Seiten der letzteren ein Plagiat nachzuwei&#x017F;en ge&#x017F;ucht:<lb/>
die ur&#x017F;prünglich mit den höheren Angaben des Septuagintatextes<lb/>
harmonirenden Lebensalter der Patriarchen im Grundtexte verdankten<lb/>
er&#x017F;t einem Gewalt&#x017F;treiche der Hohenprie&#x017F;ter Hannas und Kaiphas<lb/>
ihren heutigen Wortlaut; die&#x017F;e Beiden hätten, um die Er&#x017F;cheinung<lb/>
des Me&#x017F;&#x017F;ias leugnen und den Juden die Zeit &#x017F;eines Kommens als<lb/>
noch nicht vorhanden bezeichnen zu können, volle tau&#x017F;end Jahre<lb/>
vom Leben der Patriarchen aus dem Texte der Gene&#x017F;is weg ge-<lb/>
nommen! Die die&#x017F;e merkwürdige Nachricht überliefernde Einleitung<lb/>
zu einer in Leiden hand&#x017F;chriftlich aufbewahrten arabi&#x017F;chen Penta-<lb/>
teuchsver&#x017F;ion i&#x017F;t ganz &#x017F;päten Ur&#x017F;prungs und verdient nicht den<lb/>
minde&#x017F;ten Glauben. <note place="foot" n="1)">Gegen <hi rendition="#g">Lagardes</hi> Ver&#x017F;uch, das betr. Märlein als glaubwürdig dar-<lb/>
zu&#x017F;tellen, &#x017F;iehe A. <hi rendition="#g">Kuenen:</hi> <hi rendition="#aq">Les origines du texte masorétique de l&#x2019;Ancien<lb/>
Testament, Par.</hi> 1875; <hi rendition="#g">Himpel,</hi> in der Tüb. Theol. Quartal&#x017F;chr. 1876,<lb/><hi rendition="#aq">I,</hi> 135 ff.; G. <hi rendition="#g">Bickell,</hi> Kritik von Lagarde&#x2019;s &#x201E;<hi rendition="#aq">Symmikta</hi>&#x201F;, in der Junsbrucker<lb/>
Vierteljahrs&#x017F;chr. f. kath. Theol., 1879, <hi rendition="#aq">II,</hi> 392.</note> Es bleibt bei der durch die neuere bibli&#x017F;che<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft nahezu ein&#x017F;timmig angenommenen Priorität des hebräi&#x017F;chen<lb/>
Texts als des ur&#x017F;prünglichen und allein glaubwürdigen, mit welchem<lb/>
er&#x017F;t das conciliatori&#x017F;che Streben alexandrini&#x017F;cher Schriftfor&#x017F;cher der<lb/>
Ptolemäerzeit gewi&#x017F;&#x017F;e Aenderungen zum Zwecke &#x017F;einer Annäherung<lb/>
an die hochgegriffenen Altersangaben der ägypti&#x017F;chen Nationalüber-<lb/>
lieferung vornahm, und zwar Aenderungen, welche die nach dem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">19*</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[291/0301] IX. Das Alter des Menſchengeſchlechts. bei Clemens Alexandrinus mit den 5500 bei Julius Africanus, den 5200 des Euſebius, den 5492 des Anianus und Panodarus, ſowie den 5872, welche Seyffarth als neueſter Apologet der Siebenzig Dolmetſcher herausgerechnet hat! Daß die Abweichungen dieſes Texts vom hebräiſchen bei Beſtimmung der Makrobier-Alter in Geneſis 5 und 11 aller Wahrſcheinlichkeit nach auf einer beſtimmten Tendenz ſeiner Urheber beruhen, und daß dieſelben in Verbindung mit den wieder anders gearteten Abweichungen im ſamaritaniſchen Texte die Ziffern der hebräiſchen Ueberlieferung als die urſprünglichen erweiſen, wurde bereits oben gezeigt (VIII, 2). Vergebens hat man jüngſt gerade auf Seiten der letzteren ein Plagiat nachzuweiſen geſucht: die urſprünglich mit den höheren Angaben des Septuagintatextes harmonirenden Lebensalter der Patriarchen im Grundtexte verdankten erſt einem Gewaltſtreiche der Hohenprieſter Hannas und Kaiphas ihren heutigen Wortlaut; dieſe Beiden hätten, um die Erſcheinung des Meſſias leugnen und den Juden die Zeit ſeines Kommens als noch nicht vorhanden bezeichnen zu können, volle tauſend Jahre vom Leben der Patriarchen aus dem Texte der Geneſis weg ge- nommen! Die dieſe merkwürdige Nachricht überliefernde Einleitung zu einer in Leiden handſchriftlich aufbewahrten arabiſchen Penta- teuchsverſion iſt ganz ſpäten Urſprungs und verdient nicht den mindeſten Glauben. 1) Es bleibt bei der durch die neuere bibliſche Wiſſenſchaft nahezu einſtimmig angenommenen Priorität des hebräiſchen Texts als des urſprünglichen und allein glaubwürdigen, mit welchem erſt das conciliatoriſche Streben alexandriniſcher Schriftforſcher der Ptolemäerzeit gewiſſe Aenderungen zum Zwecke ſeiner Annäherung an die hochgegriffenen Altersangaben der ägyptiſchen Nationalüber- lieferung vornahm, und zwar Aenderungen, welche die nach dem 1) Gegen Lagardes Verſuch, das betr. Märlein als glaubwürdig dar- zuſtellen, ſiehe A. Kuenen: Les origines du texte masorétique de l’Ancien Testament, Par. 1875; Himpel, in der Tüb. Theol. Quartalſchr. 1876, I, 135 ff.; G. Bickell, Kritik von Lagarde’s „Symmikta‟, in der Junsbrucker Vierteljahrsſchr. f. kath. Theol., 1879, II, 392. 19*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/301
Zitationshilfe: Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/301>, abgerufen am 21.11.2024.