Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.II. Die Schriftlehre vom Urstande. was die kirchliche Ueberlieferung auf dem Grunde der biblischenAussagen aufgebaut hat. Ein gewisser gemeinsamer Grundzug geht durch sie alle. Jn dem Einen Hauptpunkte sind sie alle, die den paradiesischen Urstand selbst betreffenden wie die auf das nachpara- diesische Zeitalter bezüglichen, gleich klar und bestimmt: sie halten fest an der göttlichen und gottbildlichen Erschaffung der Menschheit als eines von Sünde uranfänglich nicht inficirten, zu sündlos reiner Entwicklung bestimmten Geschlechts. Beides zumal, die Ur-Einheit und die ursprüngliche Reinheit des Menschengeschlechts als einer unmittelbar göttlichen und gotteswürdigen Schöpfung bildet die Grundsubstanz und den Kern aller jener Meinungsäußerungen. Die willkürlichen einander theilweise widersprechenden oder ins Phan- tastische ausschweifenden Zuthaten zu diesem Kern werden durch die nunmehr uns obliegende Betrachtung der Schriftgrundlage des ganzen Lehrstückes sich von selbst richten. Die biblischen Aussagen über unsren Gegenstand heben an mit II. Die Schriftlehre vom Urſtande. was die kirchliche Ueberlieferung auf dem Grunde der bibliſchenAusſagen aufgebaut hat. Ein gewiſſer gemeinſamer Grundzug geht durch ſie alle. Jn dem Einen Hauptpunkte ſind ſie alle, die den paradieſiſchen Urſtand ſelbſt betreffenden wie die auf das nachpara- dieſiſche Zeitalter bezüglichen, gleich klar und beſtimmt: ſie halten feſt an der göttlichen und gottbildlichen Erſchaffung der Menſchheit als eines von Sünde uranfänglich nicht inficirten, zu ſündlos reiner Entwicklung beſtimmten Geſchlechts. Beides zumal, die Ur-Einheit und die urſprüngliche Reinheit des Menſchengeſchlechts als einer unmittelbar göttlichen und gotteswürdigen Schöpfung bildet die Grundſubſtanz und den Kern aller jener Meinungsäußerungen. Die willkürlichen einander theilweiſe widerſprechenden oder ins Phan- taſtiſche ausſchweifenden Zuthaten zu dieſem Kern werden durch die nunmehr uns obliegende Betrachtung der Schriftgrundlage des ganzen Lehrſtückes ſich von ſelbſt richten. Die bibliſchen Ausſagen über unſren Gegenſtand heben an mit <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0065" n="55"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">II.</hi> Die Schriftlehre vom Urſtande.</fw><lb/> was die kirchliche Ueberlieferung auf dem Grunde der bibliſchen<lb/> Ausſagen aufgebaut hat. Ein gewiſſer gemeinſamer Grundzug geht<lb/> durch ſie alle. Jn dem Einen Hauptpunkte ſind ſie alle, die den<lb/> paradieſiſchen Urſtand ſelbſt betreffenden wie die auf das nachpara-<lb/> dieſiſche Zeitalter bezüglichen, gleich klar und beſtimmt: ſie halten<lb/> feſt an der göttlichen und gottbildlichen Erſchaffung der Menſchheit<lb/> als eines von Sünde uranfänglich nicht inficirten, zu ſündlos reiner<lb/> Entwicklung beſtimmten Geſchlechts. Beides zumal, die Ur-Einheit<lb/> und die urſprüngliche Reinheit des Menſchengeſchlechts als einer<lb/> unmittelbar göttlichen und gotteswürdigen Schöpfung bildet die<lb/> Grundſubſtanz und den Kern aller jener Meinungsäußerungen.<lb/> Die willkürlichen einander theilweiſe widerſprechenden oder ins Phan-<lb/> taſtiſche ausſchweifenden Zuthaten zu dieſem Kern werden durch<lb/> die nunmehr uns obliegende Betrachtung der Schriftgrundlage des<lb/> ganzen Lehrſtückes ſich von ſelbſt richten.</p><lb/> <p>Die bibliſchen Ausſagen über unſren Gegenſtand heben an mit<lb/> der Erklärung, daß der Menſch geſchaffen ſei zum <hi rendition="#g">Bilde Gottes,</hi><lb/> oder was daſſelbe: nach, gemäß dem Bilde Gottes (im Grundtexte<lb/> eigentlich: „im Bilde Gottes‟). <hi rendition="#g">„Gott ſprach: Laſſet uns<lb/> Menſchen machen, ein Bild das uns gleich ſei</hi> (wörtl.: ein<lb/> Bild wie unſer Gleichniß), <hi rendition="#g">die da herrſchen über die Fiſche<lb/> im Meer</hi> ꝛc. .... <hi rendition="#g">Und Gott ſchuf den Menſchen ihm<lb/> zum Bilde, zum Bilde Gottes ſchuf er ihn; und er ſchuf<lb/> ſie, ein Männlein und ein Fräulein‟</hi> (wörtl.: Mann und<lb/> Weib ſchuf er ſie: 1 Moſe 1, 26. 27). — Dieſer grundlegenden<lb/> Ausſage der erſten oder elohiſtiſchen Schöpfungsurkunde folgt zunächſt<lb/> der Jehoviſt oder zweite Schöpfungshiſtoriker mit ſeiner eigenthüm-<lb/> lichen Umſchreibung des Begriffs der gottebenbildlichen Erſchaffung:<lb/><hi rendition="#g">„Und Gott der Herr</hi> (Jehova Elohim) <hi rendition="#g">machte den Menſchen<lb/> aus einem Erdenkloß</hi> (wörtl.: bildete den Menſchen als Staub<lb/> von der Erde) <hi rendition="#g">und blies ihm ein den lebendigen Odem</hi><lb/> (wörtl.: Odem des Lebens) <hi rendition="#g">in ſeine Raſe; und alſo ward<lb/> der Menſch eine lebendige Seele</hi> (1 Moſe 2, 17). Woran<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [55/0065]
II. Die Schriftlehre vom Urſtande.
was die kirchliche Ueberlieferung auf dem Grunde der bibliſchen
Ausſagen aufgebaut hat. Ein gewiſſer gemeinſamer Grundzug geht
durch ſie alle. Jn dem Einen Hauptpunkte ſind ſie alle, die den
paradieſiſchen Urſtand ſelbſt betreffenden wie die auf das nachpara-
dieſiſche Zeitalter bezüglichen, gleich klar und beſtimmt: ſie halten
feſt an der göttlichen und gottbildlichen Erſchaffung der Menſchheit
als eines von Sünde uranfänglich nicht inficirten, zu ſündlos reiner
Entwicklung beſtimmten Geſchlechts. Beides zumal, die Ur-Einheit
und die urſprüngliche Reinheit des Menſchengeſchlechts als einer
unmittelbar göttlichen und gotteswürdigen Schöpfung bildet die
Grundſubſtanz und den Kern aller jener Meinungsäußerungen.
Die willkürlichen einander theilweiſe widerſprechenden oder ins Phan-
taſtiſche ausſchweifenden Zuthaten zu dieſem Kern werden durch
die nunmehr uns obliegende Betrachtung der Schriftgrundlage des
ganzen Lehrſtückes ſich von ſelbſt richten.
Die bibliſchen Ausſagen über unſren Gegenſtand heben an mit
der Erklärung, daß der Menſch geſchaffen ſei zum Bilde Gottes,
oder was daſſelbe: nach, gemäß dem Bilde Gottes (im Grundtexte
eigentlich: „im Bilde Gottes‟). „Gott ſprach: Laſſet uns
Menſchen machen, ein Bild das uns gleich ſei (wörtl.: ein
Bild wie unſer Gleichniß), die da herrſchen über die Fiſche
im Meer ꝛc. .... Und Gott ſchuf den Menſchen ihm
zum Bilde, zum Bilde Gottes ſchuf er ihn; und er ſchuf
ſie, ein Männlein und ein Fräulein‟ (wörtl.: Mann und
Weib ſchuf er ſie: 1 Moſe 1, 26. 27). — Dieſer grundlegenden
Ausſage der erſten oder elohiſtiſchen Schöpfungsurkunde folgt zunächſt
der Jehoviſt oder zweite Schöpfungshiſtoriker mit ſeiner eigenthüm-
lichen Umſchreibung des Begriffs der gottebenbildlichen Erſchaffung:
„Und Gott der Herr (Jehova Elohim) machte den Menſchen
aus einem Erdenkloß (wörtl.: bildete den Menſchen als Staub
von der Erde) und blies ihm ein den lebendigen Odem
(wörtl.: Odem des Lebens) in ſeine Raſe; und alſo ward
der Menſch eine lebendige Seele (1 Moſe 2, 17). Woran
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