Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879.II. Die Schriftlehre vom Urstande. worden. -- Es kann nicht Wunder nehmen, daß diese so starke Be-tonung des Moments der Naturbeherrschung, dem man auch in Ps. 8, 6 ff. sowie in Hebr. 2, 8 f. begegnet, in der kirchlichen Aus- legung mehrfach die Annahme, als ob die Gottebenbildlichkeit wesent- lich und hauptsächlich in dieser Herrschaft bestehe, hervorgerufen hat. Den Socinianismus sahen wir, im Zusammenhange mit seiner pela- gianisirenden Abneigung gegen jede Statuirung höherer geistig-sitt- licher Vollkommenheiten im Urmenschen, dieser flachen Auffassung vom Gottesbilde als wesentlich nur bestehend im dominium crea- turarum huldigen. Jhn haben einige rationalistische Theologen der Neuzeit hierin noch überboten; denn während jener immerhin doch die menschliche Vernunft, als einen Vorzug geistiger Art, der Natur- beherrschung zu Grunde liegen ließ, stellen ein Wegscheider, v. Bohlen, W. Grimm etc. die "körperliche Gleichgestaltung mit Gott", den auf- rechten Gang und himmelwärts gerichteten Blick, kurz alles das was den Menschen äußerlich als über die Thierwelt Erhabnen und zum Herrscher über sie Berufenen charakterisirt, als die Grundlage oder gar als das Wesen seiner naturbeherrschenden Würde dar.1) Eine so weit gehende Jdentificirung der Form mit dem Jnhalt, des äußeren Zeichens mit dem Wesen der Sache, hat im biblischen Texte keinen Grund. Die Gottbildlichkeit ist nach Beiden, dem Elohisten wie dem Jehovisten, in erster Linie und vornehmlich ein religiös-ethisches Verhältniß, dem jene physische Prärogative des Herrschens über die niedere Creaturwelt zum Ausdruck und äußeren Wahrzeichen dient. Will man die religiös-sittliche Seite im elohistischen Schöpfungsberichte Gen. 1 mehr nur indirect und nicht sehr ausdrücklich hervorgehoben finden: in den späteren Stellen K. 5, 1--13 und besonders K. 9, 6 tritt sie um so stärker hervor; vom Berufe zur Naturbeherrschung ist daselbst gar nicht die Rede, 1) Wegscheider Institutt. dogm. § 99 (Ed. III, p. 240 s.). -- P.
v. Bohlen, Genesis S. 15. -- Willib. Grimm, Instit. theol. dogm., ed. II, p. 289 sq. II. Die Schriftlehre vom Urſtande. worden. — Es kann nicht Wunder nehmen, daß dieſe ſo ſtarke Be-tonung des Moments der Naturbeherrſchung, dem man auch in Pſ. 8, 6 ff. ſowie in Hebr. 2, 8 f. begegnet, in der kirchlichen Aus- legung mehrfach die Annahme, als ob die Gottebenbildlichkeit weſent- lich und hauptſächlich in dieſer Herrſchaft beſtehe, hervorgerufen hat. Den Socinianismus ſahen wir, im Zuſammenhange mit ſeiner pela- gianiſirenden Abneigung gegen jede Statuirung höherer geiſtig-ſitt- licher Vollkommenheiten im Urmenſchen, dieſer flachen Auffaſſung vom Gottesbilde als weſentlich nur beſtehend im dominium crea- turarum huldigen. Jhn haben einige rationaliſtiſche Theologen der Neuzeit hierin noch überboten; denn während jener immerhin doch die menſchliche Vernunft, als einen Vorzug geiſtiger Art, der Natur- beherrſchung zu Grunde liegen ließ, ſtellen ein Wegſcheider, v. Bohlen, W. Grimm ꝛc. die „körperliche Gleichgeſtaltung mit Gott‟, den auf- rechten Gang und himmelwärts gerichteten Blick, kurz alles das was den Menſchen äußerlich als über die Thierwelt Erhabnen und zum Herrſcher über ſie Berufenen charakteriſirt, als die Grundlage oder gar als das Weſen ſeiner naturbeherrſchenden Würde dar.1) Eine ſo weit gehende Jdentificirung der Form mit dem Jnhalt, des äußeren Zeichens mit dem Weſen der Sache, hat im bibliſchen Texte keinen Grund. Die Gottbildlichkeit iſt nach Beiden, dem Elohiſten wie dem Jehoviſten, in erſter Linie und vornehmlich ein religiös-ethiſches Verhältniß, dem jene phyſiſche Prärogative des Herrſchens über die niedere Creaturwelt zum Ausdruck und äußeren Wahrzeichen dient. Will man die religiös-ſittliche Seite im elohiſtiſchen Schöpfungsberichte Gen. 1 mehr nur indirect und nicht ſehr ausdrücklich hervorgehoben finden: in den ſpäteren Stellen K. 5, 1—13 und beſonders K. 9, 6 tritt ſie um ſo ſtärker hervor; vom Berufe zur Naturbeherrſchung iſt daſelbſt gar nicht die Rede, 1) Wegſcheider Institutt. dogm. § 99 (Ed. III, p. 240 s.). — P.
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8, 6 ff. ſowie in Hebr. 2, 8 f. begegnet, in der kirchlichen Aus-
legung mehrfach die Annahme, als ob die Gottebenbildlichkeit weſent-
lich und hauptſächlich in dieſer Herrſchaft beſtehe, hervorgerufen hat.
Den Socinianismus ſahen wir, im Zuſammenhange mit ſeiner pela-
gianiſirenden Abneigung gegen jede Statuirung höherer geiſtig-ſitt-
licher Vollkommenheiten im Urmenſchen, dieſer flachen Auffaſſung
vom Gottesbilde als weſentlich nur beſtehend im dominium crea-
turarum huldigen. Jhn haben einige rationaliſtiſche Theologen der
Neuzeit hierin noch überboten; denn während jener immerhin doch
die menſchliche Vernunft, als einen Vorzug geiſtiger Art, der Natur-
beherrſchung zu Grunde liegen ließ, ſtellen ein Wegſcheider, v. Bohlen,
W. Grimm ꝛc. die „körperliche Gleichgeſtaltung mit Gott‟, den auf-
rechten Gang und himmelwärts gerichteten Blick, kurz alles das
was den Menſchen äußerlich als über die Thierwelt Erhabnen und
zum Herrſcher über ſie Berufenen charakteriſirt, als die Grundlage
oder gar als das Weſen ſeiner naturbeherrſchenden Würde dar. 1)
Eine ſo weit gehende Jdentificirung der Form mit dem Jnhalt, des
äußeren Zeichens mit dem Weſen der Sache, hat im bibliſchen
Texte keinen Grund. Die Gottbildlichkeit iſt nach Beiden, dem
Elohiſten wie dem Jehoviſten, in erſter Linie und vornehmlich
ein religiös-ethiſches Verhältniß, dem jene phyſiſche Prärogative
des Herrſchens über die niedere Creaturwelt zum Ausdruck und
äußeren Wahrzeichen dient. Will man die religiös-ſittliche Seite
im elohiſtiſchen Schöpfungsberichte Gen. 1 mehr nur indirect und
nicht ſehr ausdrücklich hervorgehoben finden: in den ſpäteren Stellen
K. 5, 1—13 und beſonders K. 9, 6 tritt ſie um ſo ſtärker hervor;
vom Berufe zur Naturbeherrſchung iſt daſelbſt gar nicht die Rede,
1) Wegſcheider Institutt. dogm. § 99 (Ed. III, p. 240 s.). — P.
v. Bohlen, Geneſis S. 15. — Willib. Grimm, Instit. theol. dogm.,
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