Jn meinem größeren geschichtlichen Werke hat das Kapitel vom Urstand (de statu integritatis) bereits einige Berücksichtigung erfahren. Dieß jedoch nur nach der historischen Seite, und auch in dieser Hinsicht weder erschöpfend vollständig, noch so, daß sein Entwicklungsgang zusam- menhängend und als einheitliches Ganzes zur Darstellung gelangt wäre. Daß eine genauere monographische Beleuchtung des Gegenstandes Zeit- bedürfniß ist, legt die nachfolgende Einleitung in Kürze dar. Der her- kömmlichen dogmatischen und apologetischen Behandlungsweise habe ich nach einer bisher auffallend vernachlässigten und doch gerade für gewisse Pro- bleme der Gegenwart höchst wichtigen Seite hin eine Bereicherung zu er- theilen versucht. Jch habe nemlich die sowohl biblisch wie durch sonstige uralte Traditionen bezeugten höheren Lebensalter der ältesten Menschheitsstammväter unter den Gesichtspunkt einer allmählig dahin schwindenden Nachwirkung des Urstands mit seinen reineren und reicheren Lebenskräften gestellt, und so der Thatsache eines Ausgegangen- seins der menschlichen Entwicklung von unsündlichen Anfängen einerseits eine umfänglichere Bedeutung, andrerseits eine festere Stütze zu gewähren gesucht. Ob es mir gelungen ist, über das nothwendigerweise vieles Dunkle und schwer Ergründbare in sich begreifende Gebiet, dessen Be- arbeitung mir hienach oblag, allenthalben das erforderliche Licht zu ver- breiten, darüber mögen meine geneigten Leser urtheilen. Auf jeden Fall hoffe ich die aus den neuesten Verhandlungen über Ursprung und Urzeit des Menschengeschlechts resultirende Nothwendigkeit dargethan zu haben, daß sowohl bei lehrhafter (dogmatischer und ethischer) wie bei heilsgeschichtlich- apologetischer Behandlung des Lehrstücks vom sündlosen Urzustande der Menschheit künftig mehr Rücksicht auf jenes daran grenzende und innerlich damit zusammenhängende Gebiet genommen werde, als dieß bisher ge- schehen ist.
Berlin, z. Z. der General-Synode, Ende October 1879.
Der Verfasser.
Vorwort.
Jn meinem größeren geſchichtlichen Werke hat das Kapitel vom Urſtand (de statu integritatis) bereits einige Berückſichtigung erfahren. Dieß jedoch nur nach der hiſtoriſchen Seite, und auch in dieſer Hinſicht weder erſchöpfend vollſtändig, noch ſo, daß ſein Entwicklungsgang zuſam- menhängend und als einheitliches Ganzes zur Darſtellung gelangt wäre. Daß eine genauere monographiſche Beleuchtung des Gegenſtandes Zeit- bedürfniß iſt, legt die nachfolgende Einleitung in Kürze dar. Der her- kömmlichen dogmatiſchen und apologetiſchen Behandlungsweiſe habe ich nach einer bisher auffallend vernachläſſigten und doch gerade für gewiſſe Pro- bleme der Gegenwart höchſt wichtigen Seite hin eine Bereicherung zu er- theilen verſucht. Jch habe nemlich die ſowohl bibliſch wie durch ſonſtige uralte Traditionen bezeugten höheren Lebensalter der älteſten Menſchheitsſtammväter unter den Geſichtspunkt einer allmählig dahin ſchwindenden Nachwirkung des Urſtands mit ſeinen reineren und reicheren Lebenskräften geſtellt, und ſo der Thatſache eines Ausgegangen- ſeins der menſchlichen Entwicklung von unſündlichen Anfängen einerſeits eine umfänglichere Bedeutung, andrerſeits eine feſtere Stütze zu gewähren geſucht. Ob es mir gelungen iſt, über das nothwendigerweiſe vieles Dunkle und ſchwer Ergründbare in ſich begreifende Gebiet, deſſen Be- arbeitung mir hienach oblag, allenthalben das erforderliche Licht zu ver- breiten, darüber mögen meine geneigten Leſer urtheilen. Auf jeden Fall hoffe ich die aus den neueſten Verhandlungen über Urſprung und Urzeit des Menſchengeſchlechts reſultirende Nothwendigkeit dargethan zu haben, daß ſowohl bei lehrhafter (dogmatiſcher und ethiſcher) wie bei heilsgeſchichtlich- apologetiſcher Behandlung des Lehrſtücks vom ſündloſen Urzuſtande der Menſchheit künftig mehr Rückſicht auf jenes daran grenzende und innerlich damit zuſammenhängende Gebiet genommen werde, als dieß bisher ge- ſchehen iſt.
Berlin, z. Z. der General-Synode, Ende October 1879.
Der Verfaſſer.
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[0009]
Vorwort.
Jn meinem größeren geſchichtlichen Werke hat das Kapitel vom
Urſtand (de statu integritatis) bereits einige Berückſichtigung erfahren.
Dieß jedoch nur nach der hiſtoriſchen Seite, und auch in dieſer Hinſicht
weder erſchöpfend vollſtändig, noch ſo, daß ſein Entwicklungsgang zuſam-
menhängend und als einheitliches Ganzes zur Darſtellung gelangt wäre.
Daß eine genauere monographiſche Beleuchtung des Gegenſtandes Zeit-
bedürfniß iſt, legt die nachfolgende Einleitung in Kürze dar. Der her-
kömmlichen dogmatiſchen und apologetiſchen Behandlungsweiſe habe ich nach
einer bisher auffallend vernachläſſigten und doch gerade für gewiſſe Pro-
bleme der Gegenwart höchſt wichtigen Seite hin eine Bereicherung zu er-
theilen verſucht. Jch habe nemlich die ſowohl bibliſch wie durch ſonſtige
uralte Traditionen bezeugten höheren Lebensalter der älteſten
Menſchheitsſtammväter unter den Geſichtspunkt einer allmählig
dahin ſchwindenden Nachwirkung des Urſtands mit ſeinen reineren und
reicheren Lebenskräften geſtellt, und ſo der Thatſache eines Ausgegangen-
ſeins der menſchlichen Entwicklung von unſündlichen Anfängen einerſeits
eine umfänglichere Bedeutung, andrerſeits eine feſtere Stütze zu gewähren
geſucht. Ob es mir gelungen iſt, über das nothwendigerweiſe vieles
Dunkle und ſchwer Ergründbare in ſich begreifende Gebiet, deſſen Be-
arbeitung mir hienach oblag, allenthalben das erforderliche Licht zu ver-
breiten, darüber mögen meine geneigten Leſer urtheilen. Auf jeden Fall
hoffe ich die aus den neueſten Verhandlungen über Urſprung und Urzeit
des Menſchengeſchlechts reſultirende Nothwendigkeit dargethan zu haben,
daß ſowohl bei lehrhafter (dogmatiſcher und ethiſcher) wie bei heilsgeſchichtlich-
apologetiſcher Behandlung des Lehrſtücks vom ſündloſen Urzuſtande der
Menſchheit künftig mehr Rückſicht auf jenes daran grenzende und innerlich
damit zuſammenhängende Gebiet genommen werde, als dieß bisher ge-
ſchehen iſt.
Berlin, z. Z. der General-Synode,
Ende October 1879.
Der Verfaſſer.
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Zöckler, Otto: Die Lehre vom Urstand des Menschen. Gütersloh, 1879, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zoeckler_lehre_1879/9>, abgerufen am 24.11.2024.
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