Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

auf die Ewigkeit.
und mir Beschämung, oder Zufriedenheit,
Freude, oder Kummer verursachen. Ich
werde wenigstens immer um so viel weiser, oder
unweiser, um so viel besser, oder schlechter, um
so viel vollkommner, oder unvollkommner seyn;
das vernünftige Denken und das tugendhafte
Verhalten wird mir immer um so viel leichter,
oder schwerer, die Rücksicht auf das Vergangne
immer um so viel angenehmer, oder unange-
nehmer werden! Vernunft und Schrift heißen
mich dabey glauben, daß Gott, als Richter
der Menschen, einst diesen Blick meines Gei-
stes schärfen, und mich ganze Reihen von Vor-
stellungen und Handlungen wird überschauen
lassen, die ich für längst verschwunden und in
dem Abgrunde der Vergessenheit begraben hielt.

Ist aber das Gegenwärtige so genau, so
unauflöslich mit dem Zukünftigen verbunden:
so soll und kann jenes eine beständige Vorberei-
tung zu diesem seyn: so soll und kann ich jenes
stets in Rücksicht auf dieses betrachten und ge-
brauchen. Und das thut der Weise, der Christ.
So verliert er die Zukunft nie aus dem Gesichte.
So ist jeder Tag seines Lebens auf Erden Vor-
bereitung auf die Ewigkeit. So streuet er
täglich guten Saamen auf die zukünftige Erndte

aus.
Erster Theil. Q

auf die Ewigkeit.
und mir Beſchämung, oder Zufriedenheit,
Freude, oder Kummer verurſachen. Ich
werde wenigſtens immer um ſo viel weiſer, oder
unweiſer, um ſo viel beſſer, oder ſchlechter, um
ſo viel vollkommner, oder unvollkommner ſeyn;
das vernünftige Denken und das tugendhafte
Verhalten wird mir immer um ſo viel leichter,
oder ſchwerer, die Rückſicht auf das Vergangne
immer um ſo viel angenehmer, oder unange-
nehmer werden! Vernunft und Schrift heißen
mich dabey glauben, daß Gott, als Richter
der Menſchen, einſt dieſen Blick meines Gei-
ſtes ſchärfen, und mich ganze Reihen von Vor-
ſtellungen und Handlungen wird überſchauen
laſſen, die ich für längſt verſchwunden und in
dem Abgrunde der Vergeſſenheit begraben hielt.

Iſt aber das Gegenwärtige ſo genau, ſo
unauflöslich mit dem Zukünftigen verbunden:
ſo ſoll und kann jenes eine beſtändige Vorberei-
tung zu dieſem ſeyn: ſo ſoll und kann ich jenes
ſtets in Rückſicht auf dieſes betrachten und ge-
brauchen. Und das thut der Weiſe, der Chriſt.
So verliert er die Zukunft nie aus dem Geſichte.
So iſt jeder Tag ſeines Lebens auf Erden Vor-
bereitung auf die Ewigkeit. So ſtreuet er
täglich guten Saamen auf die zukünftige Erndte

aus.
Erſter Theil. Q
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0263" n="241"/><fw place="top" type="header">auf die Ewigkeit.</fw><lb/>
und mir Be&#x017F;chämung, oder Zufriedenheit,<lb/>
Freude, oder Kummer verur&#x017F;achen. Ich<lb/>
werde wenig&#x017F;tens immer um &#x017F;o viel wei&#x017F;er, oder<lb/>
unwei&#x017F;er, um &#x017F;o viel be&#x017F;&#x017F;er, oder &#x017F;chlechter, um<lb/>
&#x017F;o viel vollkommner, oder unvollkommner &#x017F;eyn;<lb/>
das vernünftige Denken und das tugendhafte<lb/>
Verhalten wird mir immer um &#x017F;o viel leichter,<lb/>
oder &#x017F;chwerer, die Rück&#x017F;icht auf das Vergangne<lb/>
immer um &#x017F;o viel angenehmer, oder unange-<lb/>
nehmer werden! Vernunft und Schrift heißen<lb/>
mich dabey glauben, daß Gott, als Richter<lb/>
der Men&#x017F;chen, ein&#x017F;t die&#x017F;en Blick meines Gei-<lb/>
&#x017F;tes &#x017F;chärfen, und mich ganze Reihen von Vor-<lb/>
&#x017F;tellungen und Handlungen wird über&#x017F;chauen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en, die ich für läng&#x017F;t ver&#x017F;chwunden und in<lb/>
dem Abgrunde der Verge&#x017F;&#x017F;enheit begraben hielt.</p><lb/>
              <p>I&#x017F;t aber das Gegenwärtige &#x017F;o genau, &#x017F;o<lb/>
unauflöslich mit dem Zukünftigen verbunden:<lb/>
&#x017F;o &#x017F;oll und kann jenes eine be&#x017F;tändige Vorberei-<lb/>
tung zu die&#x017F;em &#x017F;eyn: &#x017F;o &#x017F;oll und kann ich jenes<lb/>
&#x017F;tets in Rück&#x017F;icht auf die&#x017F;es betrachten und ge-<lb/>
brauchen. Und das thut der Wei&#x017F;e, der Chri&#x017F;t.<lb/>
So verliert er die Zukunft nie aus dem Ge&#x017F;ichte.<lb/>
So i&#x017F;t jeder Tag &#x017F;eines Lebens auf Erden Vor-<lb/>
bereitung auf die Ewigkeit. So &#x017F;treuet er<lb/>
täglich guten Saamen auf die zukünftige Erndte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Er&#x017F;ter Theil.</hi> Q</fw><fw place="bottom" type="catch">aus.</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[241/0263] auf die Ewigkeit. und mir Beſchämung, oder Zufriedenheit, Freude, oder Kummer verurſachen. Ich werde wenigſtens immer um ſo viel weiſer, oder unweiſer, um ſo viel beſſer, oder ſchlechter, um ſo viel vollkommner, oder unvollkommner ſeyn; das vernünftige Denken und das tugendhafte Verhalten wird mir immer um ſo viel leichter, oder ſchwerer, die Rückſicht auf das Vergangne immer um ſo viel angenehmer, oder unange- nehmer werden! Vernunft und Schrift heißen mich dabey glauben, daß Gott, als Richter der Menſchen, einſt dieſen Blick meines Gei- ſtes ſchärfen, und mich ganze Reihen von Vor- ſtellungen und Handlungen wird überſchauen laſſen, die ich für längſt verſchwunden und in dem Abgrunde der Vergeſſenheit begraben hielt. Iſt aber das Gegenwärtige ſo genau, ſo unauflöslich mit dem Zukünftigen verbunden: ſo ſoll und kann jenes eine beſtändige Vorberei- tung zu dieſem ſeyn: ſo ſoll und kann ich jenes ſtets in Rückſicht auf dieſes betrachten und ge- brauchen. Und das thut der Weiſe, der Chriſt. So verliert er die Zukunft nie aus dem Geſichte. So iſt jeder Tag ſeines Lebens auf Erden Vor- bereitung auf die Ewigkeit. So ſtreuet er täglich guten Saamen auf die zukünftige Erndte aus. Erſter Theil. Q

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/263
Zitationshilfe: Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/263>, abgerufen am 05.12.2024.