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Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.

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Bewaffnung gegen die Gefahren
viel größer ist als mein Herz, oder an dem
Beyfall der Leichtsinnigen und Thoren? Be-
gleitet mich nicht jener allenthalben, in die Ein-
samkeit wie in die Gesellschaft, selbst ins Grab
und in die Ewigkeit; da dieser als ein leerer
Schall sich bald zerstreuet, und oft der tiefsten
Beschämung Platz machet?

Vielleicht werde ich hingegen durch den
Beyfall und das Lob, das man mir giebt,
durch die Ehrenbezeugungen, die man mir er-
weist, durch die Schmeicheleyen, die man
mir sagt, zur Selbstgefälligkeit, zum Stolze,
zur Eitelkeit gereizt werden. Aber wie könnte
ich denn meine natürliche Schwachheit und
Fehlerhaftigkeit je vergessen? Wie vergessen,
daß ich von mir selbst und durch mich selbst
nichts bin, nichts habe, und nichts vermag?
Wie auf das stolz seyn, oder mich dessen rüh-
men, was nicht mein, sondern Gottes, was
sein Geschenk und seine Wirkung ist? Was
hast du, o Mensch,
heißt es in Wahrheit,
das du nicht empfangen hast? So du es
aber empfangen hast, was rühmest du
dich dessen, als hättest du es nicht em-
pfangen?

Ja

Bewaffnung gegen die Gefahren
viel größer iſt als mein Herz, oder an dem
Beyfall der Leichtſinnigen und Thoren? Be-
gleitet mich nicht jener allenthalben, in die Ein-
ſamkeit wie in die Geſellſchaft, ſelbſt ins Grab
und in die Ewigkeit; da dieſer als ein leerer
Schall ſich bald zerſtreuet, und oft der tiefſten
Beſchämung Platz machet?

Vielleicht werde ich hingegen durch den
Beyfall und das Lob, das man mir giebt,
durch die Ehrenbezeugungen, die man mir er-
weiſt, durch die Schmeicheleyen, die man
mir ſagt, zur Selbſtgefälligkeit, zum Stolze,
zur Eitelkeit gereizt werden. Aber wie könnte
ich denn meine natürliche Schwachheit und
Fehlerhaftigkeit je vergeſſen? Wie vergeſſen,
daß ich von mir ſelbſt und durch mich ſelbſt
nichts bin, nichts habe, und nichts vermag?
Wie auf das ſtolz ſeyn, oder mich deſſen rüh-
men, was nicht mein, ſondern Gottes, was
ſein Geſchenk und ſeine Wirkung iſt? Was
haſt du, o Menſch,
heißt es in Wahrheit,
das du nicht empfangen haſt? So du es
aber empfangen haſt, was rühmeſt du
dich deſſen, als hätteſt du es nicht em-
pfangen?

Ja
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[254/0276] Bewaffnung gegen die Gefahren viel größer iſt als mein Herz, oder an dem Beyfall der Leichtſinnigen und Thoren? Be- gleitet mich nicht jener allenthalben, in die Ein- ſamkeit wie in die Geſellſchaft, ſelbſt ins Grab und in die Ewigkeit; da dieſer als ein leerer Schall ſich bald zerſtreuet, und oft der tiefſten Beſchämung Platz machet? Vielleicht werde ich hingegen durch den Beyfall und das Lob, das man mir giebt, durch die Ehrenbezeugungen, die man mir er- weiſt, durch die Schmeicheleyen, die man mir ſagt, zur Selbſtgefälligkeit, zum Stolze, zur Eitelkeit gereizt werden. Aber wie könnte ich denn meine natürliche Schwachheit und Fehlerhaftigkeit je vergeſſen? Wie vergeſſen, daß ich von mir ſelbſt und durch mich ſelbſt nichts bin, nichts habe, und nichts vermag? Wie auf das ſtolz ſeyn, oder mich deſſen rüh- men, was nicht mein, ſondern Gottes, was ſein Geſchenk und ſeine Wirkung iſt? Was haſt du, o Menſch, heißt es in Wahrheit, das du nicht empfangen haſt? So du es aber empfangen haſt, was rühmeſt du dich deſſen, als hätteſt du es nicht em- pfangen? Ja

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Zitationshilfe: Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/276>, abgerufen am 05.12.2024.