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Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.

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Was heißt nachdenken?
zu zergliedern und aus einander zu setzen, sich
die Sache, die man gedacht, oder worüber
man gedacht hat, deutlicher vorzustellen, sie
nach allen ihren Theilen, nach ihren Gründen
und Folgen kennen zu lernen, sie mit andern
zu vergleichen, ihre Verhältnisse gegen uns, oder
gegen andere Dinge zu bemerken, und daraus
Schlüsse in Absicht auf unser Verhalten oder
auf unsre Glückseligkeit zu machen.

Z. B. Gott ist gut. Das ist ein Ge-
danke, den wir gewiß oft gehabt, oft gedacht,
über den wir aber vielleicht nicht oft nachge-
dacht haben. Wollen wir das thun, wollen
wir über diesen Gedanken nachdenken, so müs-
sen wir dabey stehen bleiben, ihn von allen
Seiten betrachten, sehen, was er alles in sich
fasset, und diese oder dergleichen Ueberlegungen
bey uns selbst anstellen: was heißt denn gut
seyn? worinn besteht, wodurch offenbaret sich
wohl die Güte eines verständigen Wesens?
wie ist es gegen andere gesinnt, wie verhält es
sich gegen andere? was machet der Anblick des
Elendes, oder der Glückseligkeit anderer für
Eindrücke auf dasselbe? Und wodurch hat Gott
seine Güte geoffenbaret? habe ich etwa selbst
Beweise seines Wohlwollens und seiner Wohl-

thätig-

Was heißt nachdenken?
zu zergliedern und aus einander zu ſetzen, ſich
die Sache, die man gedacht, oder worüber
man gedacht hat, deutlicher vorzuſtellen, ſie
nach allen ihren Theilen, nach ihren Gründen
und Folgen kennen zu lernen, ſie mit andern
zu vergleichen, ihre Verhältniſſe gegen uns, oder
gegen andere Dinge zu bemerken, und daraus
Schlüſſe in Abſicht auf unſer Verhalten oder
auf unſre Glückſeligkeit zu machen.

Z. B. Gott iſt gut. Das iſt ein Ge-
danke, den wir gewiß oft gehabt, oft gedacht,
über den wir aber vielleicht nicht oft nachge-
dacht haben. Wollen wir das thun, wollen
wir über dieſen Gedanken nachdenken, ſo müſ-
ſen wir dabey ſtehen bleiben, ihn von allen
Seiten betrachten, ſehen, was er alles in ſich
faſſet, und dieſe oder dergleichen Ueberlegungen
bey uns ſelbſt anſtellen: was heißt denn gut
ſeyn? worinn beſteht, wodurch offenbaret ſich
wohl die Güte eines verſtändigen Weſens?
wie iſt es gegen andere geſinnt, wie verhält es
ſich gegen andere? was machet der Anblick des
Elendes, oder der Glückſeligkeit anderer für
Eindrücke auf daſſelbe? Und wodurch hat Gott
ſeine Güte geoffenbaret? habe ich etwa ſelbſt
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[6/0028] Was heißt nachdenken? zu zergliedern und aus einander zu ſetzen, ſich die Sache, die man gedacht, oder worüber man gedacht hat, deutlicher vorzuſtellen, ſie nach allen ihren Theilen, nach ihren Gründen und Folgen kennen zu lernen, ſie mit andern zu vergleichen, ihre Verhältniſſe gegen uns, oder gegen andere Dinge zu bemerken, und daraus Schlüſſe in Abſicht auf unſer Verhalten oder auf unſre Glückſeligkeit zu machen. Z. B. Gott iſt gut. Das iſt ein Ge- danke, den wir gewiß oft gehabt, oft gedacht, über den wir aber vielleicht nicht oft nachge- dacht haben. Wollen wir das thun, wollen wir über dieſen Gedanken nachdenken, ſo müſ- ſen wir dabey ſtehen bleiben, ihn von allen Seiten betrachten, ſehen, was er alles in ſich faſſet, und dieſe oder dergleichen Ueberlegungen bey uns ſelbſt anſtellen: was heißt denn gut ſeyn? worinn beſteht, wodurch offenbaret ſich wohl die Güte eines verſtändigen Weſens? wie iſt es gegen andere geſinnt, wie verhält es ſich gegen andere? was machet der Anblick des Elendes, oder der Glückſeligkeit anderer für Eindrücke auf daſſelbe? Und wodurch hat Gott ſeine Güte geoffenbaret? habe ich etwa ſelbſt Beweiſe ſeines Wohlwollens und ſeiner Wohl- thätig-

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Zitationshilfe: Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/28>, abgerufen am 01.06.2024.