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Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.

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Wider die Trägheit.
und selbst thätig zu seyn? Soll ich immer ein
Spiel des Zufalles, und meiner eignen oder
fremden Leidenschaften seyn, und nie zu einer
gewissen Festigkeit und Selbstständigkeit ge-
langen?

Mache ich mir nicht durch Trägheit und
Nachläßigkeit meine Geschäffte weit schwerer
und unangenehmer, als sie mir sonst seyn wür-
den? Erschöpfet nicht oft der Zwang, den ich
mir dabey anthun muß, meine Kräfte schon
vorher, ehe ich sie anwende? Werden sie nicht
nach dem Grade geschwächt, nach welchem ich
sie nicht gebrauche und übe? Mißlingt nicht
dem Verdrossenen und Trägen das Meiste von
allem, was er unternimmt und thut, blos
weil er träge und verdrossen ist? Und wie oft
kommen ihm nicht andere durch seine Schuld
zuvor! Wie oft durchkreutzen sie ihn in seinen
Absichten, und entreissen ihm den Preis seiner
Arbeit, die Frucht seiner Bemühungen!

Welche beschämende Rücksicht, welche
quälende Vorwürfe müssen nicht den Trägen
und Unthätigen am Schlusse jedes Tages, je-
des Jahres, und einst am Schlusse seines so
leichtsinnig verscherzten und auf immer verlor-
nen Lebens strafen? Was kann er einst zu

erndten
K 4

Wider die Trägheit.
und ſelbſt thätig zu ſeyn? Soll ich immer ein
Spiel des Zufalles, und meiner eignen oder
fremden Leidenſchaften ſeyn, und nie zu einer
gewiſſen Feſtigkeit und Selbſtſtändigkeit ge-
langen?

Mache ich mir nicht durch Trägheit und
Nachläßigkeit meine Geſchäffte weit ſchwerer
und unangenehmer, als ſie mir ſonſt ſeyn wür-
den? Erſchöpfet nicht oft der Zwang, den ich
mir dabey anthun muß, meine Kräfte ſchon
vorher, ehe ich ſie anwende? Werden ſie nicht
nach dem Grade geſchwächt, nach welchem ich
ſie nicht gebrauche und übe? Mißlingt nicht
dem Verdroſſenen und Trägen das Meiſte von
allem, was er unternimmt und thut, blos
weil er träge und verdroſſen iſt? Und wie oft
kommen ihm nicht andere durch ſeine Schuld
zuvor! Wie oft durchkreutzen ſie ihn in ſeinen
Abſichten, und entreiſſen ihm den Preis ſeiner
Arbeit, die Frucht ſeiner Bemühungen!

Welche beſchämende Rückſicht, welche
quälende Vorwürfe müſſen nicht den Trägen
und Unthätigen am Schluſſe jedes Tages, je-
des Jahres, und einſt am Schluſſe ſeines ſo
leichtſinnig verſcherzten und auf immer verlor-
nen Lebens ſtrafen? Was kann er einſt zu

erndten
K 4
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[263/0285] Wider die Trägheit. und ſelbſt thätig zu ſeyn? Soll ich immer ein Spiel des Zufalles, und meiner eignen oder fremden Leidenſchaften ſeyn, und nie zu einer gewiſſen Feſtigkeit und Selbſtſtändigkeit ge- langen? Mache ich mir nicht durch Trägheit und Nachläßigkeit meine Geſchäffte weit ſchwerer und unangenehmer, als ſie mir ſonſt ſeyn wür- den? Erſchöpfet nicht oft der Zwang, den ich mir dabey anthun muß, meine Kräfte ſchon vorher, ehe ich ſie anwende? Werden ſie nicht nach dem Grade geſchwächt, nach welchem ich ſie nicht gebrauche und übe? Mißlingt nicht dem Verdroſſenen und Trägen das Meiſte von allem, was er unternimmt und thut, blos weil er träge und verdroſſen iſt? Und wie oft kommen ihm nicht andere durch ſeine Schuld zuvor! Wie oft durchkreutzen ſie ihn in ſeinen Abſichten, und entreiſſen ihm den Preis ſeiner Arbeit, die Frucht ſeiner Bemühungen! Welche beſchämende Rückſicht, welche quälende Vorwürfe müſſen nicht den Trägen und Unthätigen am Schluſſe jedes Tages, je- des Jahres, und einſt am Schluſſe ſeines ſo leichtſinnig verſcherzten und auf immer verlor- nen Lebens ſtrafen? Was kann er einſt zu erndten K 4

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Zitationshilfe: Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/285>, abgerufen am 05.12.2024.