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Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785.

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Werth der Dinge.
Sind sie mehr Endzwecke, oder mehr Mittel
zu höhern Endzwecken? Hängt ihr Werth
mehr von ihrem Besitze, oder von dem würdi-
gen Gebrauche ab, den man davon machet?
Hat also meine Gesundheit, haben meine
Kräfte einen großen Werth, wenn ich nicht
etwas Gutes und Nützliches damit ausrichte,
wenn ich mir nicht von ihrer Anwendung eine
befriedigende Rechenschaft geben kann, wenn
mich Unruhe, Langeweile, Ueberdruß dabey
drücken? Werden sie mir nicht erst dann recht
schätzbar, wenn ich sie mit Freudigkeit dazu ge-
brauche, wozu sie mir der Schöpfer gegeben
hat, wenn ich das, was er mir hier auf Erden
zu thun aufgetragen hat, willig thue, und mich
dadurch meiner Bestimmung nähere? Hat
wohl die Schönheit des Körpers einen wah-
ren, bleibenden Werth, wenn sie nicht durch die
Schönheit der Seele, durch einen richtigen Ver-
stand und ein gutes, tugendhaftes Herz belebet
und erhöhet wird; wenn eben so wenig geistige
Vollkommenheit und inneres Verdienst damit
verbunden ist, als mit der Schönheit der Blu-
me des Feldes; wenn sie so wie diese ganz ver-
welket, und nicht durch reife, edle Früchte ersetzt
wird? Haben Rang und Stand einen wah-

ren
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Werth der Dinge.
Sind ſie mehr Endzwecke, oder mehr Mittel
zu höhern Endzwecken? Hängt ihr Werth
mehr von ihrem Beſitze, oder von dem würdi-
gen Gebrauche ab, den man davon machet?
Hat alſo meine Geſundheit, haben meine
Kräfte einen großen Werth, wenn ich nicht
etwas Gutes und Nützliches damit ausrichte,
wenn ich mir nicht von ihrer Anwendung eine
befriedigende Rechenſchaft geben kann, wenn
mich Unruhe, Langeweile, Ueberdruß dabey
drücken? Werden ſie mir nicht erſt dann recht
ſchätzbar, wenn ich ſie mit Freudigkeit dazu ge-
brauche, wozu ſie mir der Schöpfer gegeben
hat, wenn ich das, was er mir hier auf Erden
zu thun aufgetragen hat, willig thue, und mich
dadurch meiner Beſtimmung nähere? Hat
wohl die Schönheit des Körpers einen wah-
ren, bleibenden Werth, wenn ſie nicht durch die
Schönheit der Seele, durch einen richtigen Ver-
ſtand und ein gutes, tugendhaftes Herz belebet
und erhöhet wird; wenn eben ſo wenig geiſtige
Vollkommenheit und inneres Verdienſt damit
verbunden iſt, als mit der Schönheit der Blu-
me des Feldes; wenn ſie ſo wie dieſe ganz ver-
welket, und nicht durch reife, edle Früchte erſetzt
wird? Haben Rang und Stand einen wah-

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D 3
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[53/0075] Werth der Dinge. Sind ſie mehr Endzwecke, oder mehr Mittel zu höhern Endzwecken? Hängt ihr Werth mehr von ihrem Beſitze, oder von dem würdi- gen Gebrauche ab, den man davon machet? Hat alſo meine Geſundheit, haben meine Kräfte einen großen Werth, wenn ich nicht etwas Gutes und Nützliches damit ausrichte, wenn ich mir nicht von ihrer Anwendung eine befriedigende Rechenſchaft geben kann, wenn mich Unruhe, Langeweile, Ueberdruß dabey drücken? Werden ſie mir nicht erſt dann recht ſchätzbar, wenn ich ſie mit Freudigkeit dazu ge- brauche, wozu ſie mir der Schöpfer gegeben hat, wenn ich das, was er mir hier auf Erden zu thun aufgetragen hat, willig thue, und mich dadurch meiner Beſtimmung nähere? Hat wohl die Schönheit des Körpers einen wah- ren, bleibenden Werth, wenn ſie nicht durch die Schönheit der Seele, durch einen richtigen Ver- ſtand und ein gutes, tugendhaftes Herz belebet und erhöhet wird; wenn eben ſo wenig geiſtige Vollkommenheit und inneres Verdienſt damit verbunden iſt, als mit der Schönheit der Blu- me des Feldes; wenn ſie ſo wie dieſe ganz ver- welket, und nicht durch reife, edle Früchte erſetzt wird? Haben Rang und Stand einen wah- ren D 3

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Zitationshilfe: Zollikofer, Georg Joachim: Andachtsübungen und Gebete zum Privatgebrauche für nachdenkende und gutgesinnte Christen. Leipzig, 1785, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zollikofer_andachtsuebungen01_1785/75>, abgerufen am 29.11.2024.