Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

auf das junge Frauenzimmer, welches bescheiden die Augen zum Teller niedersenkte.

Waldrich's Augen aber gingen voller Verwunderung über Gebühr weit auf. Hilf, heiliger Himmel! welch ein höheres Wesen ist das kleine Riekchen geworden! So rief Waldrich nun eben nicht, aber er dachte es doch bei sich, wie er jetzt die Bescheidene aufmerksamer ansah. Er sagte den Eltern etwas Verbindliches, so gut er es in der ersten Bestürzung aufzubringen wußte, und war herzlich zufrieden, als der alte Papa rief: Noch einen Löffel Sauce und dergleichen, zu Ihrem trockenen Braten da, Herr Commandant !

Frau Bantes sprach von einem Sohne, der ihr schon als Kind früh verstorben war, und noch immer sprach sie mit bewegtem Mutterherzen.

Laß gut sein, Mama! rief der Papa, wer weiß, er wäre am Ende vielleicht auch ein Windbeutel und dergleichen geworden, wie der Georg.

Jetzt war die Reihe an Waldrich, die Augen bescheiden auf den Teller niederzusenken; denn mit dem Windbeutel Georg meinte man keinen Andern, als seine eigene Wenigkeit.

Aber wissen Sie denn, Papa, ob Georg wirklich solch ein Windbeutel geworden, wie Sie ihn sich vorstellen? sagte Friederike. Die Frage erwärmte den Commandanten durchdringender, als das Glas alten Burgunders, welches er eben angesetzt hatte, um seine

auf das junge Frauenzimmer, welches bescheiden die Augen zum Teller niedersenkte.

Waldrich's Augen aber gingen voller Verwunderung über Gebühr weit auf. Hilf, heiliger Himmel! welch ein höheres Wesen ist das kleine Riekchen geworden! So rief Waldrich nun eben nicht, aber er dachte es doch bei sich, wie er jetzt die Bescheidene aufmerksamer ansah. Er sagte den Eltern etwas Verbindliches, so gut er es in der ersten Bestürzung aufzubringen wußte, und war herzlich zufrieden, als der alte Papa rief: Noch einen Löffel Sauce und dergleichen, zu Ihrem trockenen Braten da, Herr Commandant !

Frau Bantes sprach von einem Sohne, der ihr schon als Kind früh verstorben war, und noch immer sprach sie mit bewegtem Mutterherzen.

Laß gut sein, Mama! rief der Papa, wer weiß, er wäre am Ende vielleicht auch ein Windbeutel und dergleichen geworden, wie der Georg.

Jetzt war die Reihe an Waldrich, die Augen bescheiden auf den Teller niederzusenken; denn mit dem Windbeutel Georg meinte man keinen Andern, als seine eigene Wenigkeit.

Aber wissen Sie denn, Papa, ob Georg wirklich solch ein Windbeutel geworden, wie Sie ihn sich vorstellen? sagte Friederike. Die Frage erwärmte den Commandanten durchdringender, als das Glas alten Burgunders, welches er eben angesetzt hatte, um seine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0013"/>
auf das junge Frauenzimmer, welches      bescheiden die Augen zum Teller niedersenkte.</p><lb/>
        <p>Waldrich's Augen aber gingen voller Verwunderung über Gebühr weit auf. Hilf, heiliger Himmel!      welch ein höheres Wesen ist das kleine Riekchen geworden! So rief Waldrich nun eben nicht, aber      er dachte es doch bei sich, wie er jetzt die Bescheidene aufmerksamer ansah. Er sagte den      Eltern etwas Verbindliches, so gut er es in der ersten Bestürzung aufzubringen wußte, und war      herzlich zufrieden, als der alte Papa rief: Noch einen Löffel Sauce und dergleichen, zu Ihrem      trockenen Braten da, Herr Commandant !</p><lb/>
        <p>Frau Bantes sprach von einem Sohne, der ihr schon als Kind früh verstorben war, und noch      immer sprach sie mit bewegtem Mutterherzen.</p><lb/>
        <p>Laß gut sein, Mama! rief der Papa, wer weiß, er wäre am Ende vielleicht auch ein Windbeutel      und dergleichen geworden, wie der Georg.</p><lb/>
        <p>Jetzt war die Reihe an Waldrich, die Augen bescheiden auf den Teller niederzusenken; denn mit      dem Windbeutel Georg meinte man keinen Andern, als seine eigene Wenigkeit.</p><lb/>
        <p>Aber wissen Sie denn, Papa, ob Georg wirklich solch ein Windbeutel geworden, wie Sie ihn sich      vorstellen? sagte Friederike. Die Frage erwärmte den Commandanten durchdringender, als das Glas      alten Burgunders, welches er eben angesetzt hatte, um seine<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0013] auf das junge Frauenzimmer, welches bescheiden die Augen zum Teller niedersenkte. Waldrich's Augen aber gingen voller Verwunderung über Gebühr weit auf. Hilf, heiliger Himmel! welch ein höheres Wesen ist das kleine Riekchen geworden! So rief Waldrich nun eben nicht, aber er dachte es doch bei sich, wie er jetzt die Bescheidene aufmerksamer ansah. Er sagte den Eltern etwas Verbindliches, so gut er es in der ersten Bestürzung aufzubringen wußte, und war herzlich zufrieden, als der alte Papa rief: Noch einen Löffel Sauce und dergleichen, zu Ihrem trockenen Braten da, Herr Commandant ! Frau Bantes sprach von einem Sohne, der ihr schon als Kind früh verstorben war, und noch immer sprach sie mit bewegtem Mutterherzen. Laß gut sein, Mama! rief der Papa, wer weiß, er wäre am Ende vielleicht auch ein Windbeutel und dergleichen geworden, wie der Georg. Jetzt war die Reihe an Waldrich, die Augen bescheiden auf den Teller niederzusenken; denn mit dem Windbeutel Georg meinte man keinen Andern, als seine eigene Wenigkeit. Aber wissen Sie denn, Papa, ob Georg wirklich solch ein Windbeutel geworden, wie Sie ihn sich vorstellen? sagte Friederike. Die Frage erwärmte den Commandanten durchdringender, als das Glas alten Burgunders, welches er eben angesetzt hatte, um seine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:15:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:15:44Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/13
Zitationshilfe: Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/13>, abgerufen am 21.11.2024.