Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ein Mädel nimmt's eben auch nicht übel, wenn es gnädige Frau getitelt wird. Aber der reiche Banquier! Sieh, Mama, wir Fabrikanten sind am Ende mit unserm Plunder nur gemeiner Plunder. Aber ein Banquier ist in der Handelswelt allezeit ein Superlativus und dergleichen. Krümmt der alte Hahn den Finger und winkt nach Wien, flugs ist da am Hose Alles in Bewegung und fragt: was befehlen der Herr von Hahn? Nickt er mit dem Kopfe nach Berlin, flugs beugt sich Alles bis zur Erde. Solch Einem können der Teufel und die Engländer und dergleichen nichts anhaben. Davon, Mama, sprech' ich. Was sagst du dazu?

Ich finde die Wahl eben wie du sie machen konntest, vortrefflich! sagte Frau Bantes ernst und senkte die Augen auf ihren Suppenteller.

Friederike sah düster seitwärts nach ihrer Mutter und seufzte: Mama, auch Sie?

Der Commandant stierte noch immer den Brief an, während man so fortsprach. Donner, Hauptmännchen, können Sie sich nicht satt lesen? Ihre Suppe wird kalt! rief Herr Bantes.

Waldrich erwachte, sah noch einmal das Papier an und warf es hastig vor sich hin, als säße Pestgift daran. Er aß; ein Anderer nahm den Brief.

Papa Bantes ärgerte sich, daß Friederike nicht fröhlicher ward. Er schob Anfangs Alles auf die jähe Ueberraschung, daß das arme Mädchen keine Worte finden konnte. Inzwischen ließ er nicht ab und trieb

ein Mädel nimmt's eben auch nicht übel, wenn es gnädige Frau getitelt wird. Aber der reiche Banquier! Sieh, Mama, wir Fabrikanten sind am Ende mit unserm Plunder nur gemeiner Plunder. Aber ein Banquier ist in der Handelswelt allezeit ein Superlativus und dergleichen. Krümmt der alte Hahn den Finger und winkt nach Wien, flugs ist da am Hose Alles in Bewegung und fragt: was befehlen der Herr von Hahn? Nickt er mit dem Kopfe nach Berlin, flugs beugt sich Alles bis zur Erde. Solch Einem können der Teufel und die Engländer und dergleichen nichts anhaben. Davon, Mama, sprech' ich. Was sagst du dazu?

Ich finde die Wahl eben wie du sie machen konntest, vortrefflich! sagte Frau Bantes ernst und senkte die Augen auf ihren Suppenteller.

Friederike sah düster seitwärts nach ihrer Mutter und seufzte: Mama, auch Sie?

Der Commandant stierte noch immer den Brief an, während man so fortsprach. Donner, Hauptmännchen, können Sie sich nicht satt lesen? Ihre Suppe wird kalt! rief Herr Bantes.

Waldrich erwachte, sah noch einmal das Papier an und warf es hastig vor sich hin, als säße Pestgift daran. Er aß; ein Anderer nahm den Brief.

Papa Bantes ärgerte sich, daß Friederike nicht fröhlicher ward. Er schob Anfangs Alles auf die jähe Ueberraschung, daß das arme Mädchen keine Worte finden konnte. Inzwischen ließ er nicht ab und trieb

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="7">
        <p><pb facs="#f0043"/>
ein Mädel nimmt's eben auch nicht übel, wenn es gnädige Frau getitelt wird. Aber der      reiche Banquier! Sieh, Mama, wir Fabrikanten sind am Ende mit unserm Plunder nur gemeiner      Plunder. Aber ein Banquier ist in der Handelswelt allezeit ein Superlativus und dergleichen.      Krümmt der alte Hahn den Finger und winkt nach Wien, flugs ist da am Hose Alles in Bewegung und      fragt: was befehlen der Herr von Hahn? Nickt er mit dem Kopfe nach Berlin, flugs beugt sich      Alles bis zur Erde. Solch Einem können der Teufel und die Engländer und dergleichen nichts      anhaben. Davon, Mama, sprech' ich. Was sagst du dazu?</p><lb/>
        <p>Ich finde die Wahl eben wie du sie machen konntest, vortrefflich! sagte Frau Bantes ernst und      senkte die Augen auf ihren Suppenteller.</p><lb/>
        <p>Friederike sah düster seitwärts nach ihrer Mutter und seufzte: Mama, auch Sie?</p><lb/>
        <p>Der Commandant stierte noch immer den Brief an, während man so fortsprach. Donner,      Hauptmännchen, können Sie sich nicht satt lesen? Ihre Suppe wird kalt! rief Herr Bantes.</p><lb/>
        <p>Waldrich erwachte, sah noch einmal das Papier an und warf es hastig vor sich hin, als säße      Pestgift daran. Er aß; ein Anderer nahm den Brief.</p><lb/>
        <p>Papa Bantes ärgerte sich, daß Friederike nicht fröhlicher ward. Er schob Anfangs Alles auf      die jähe Ueberraschung, daß das arme Mädchen keine Worte finden konnte. Inzwischen ließ er      nicht ab und trieb<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0043] ein Mädel nimmt's eben auch nicht übel, wenn es gnädige Frau getitelt wird. Aber der reiche Banquier! Sieh, Mama, wir Fabrikanten sind am Ende mit unserm Plunder nur gemeiner Plunder. Aber ein Banquier ist in der Handelswelt allezeit ein Superlativus und dergleichen. Krümmt der alte Hahn den Finger und winkt nach Wien, flugs ist da am Hose Alles in Bewegung und fragt: was befehlen der Herr von Hahn? Nickt er mit dem Kopfe nach Berlin, flugs beugt sich Alles bis zur Erde. Solch Einem können der Teufel und die Engländer und dergleichen nichts anhaben. Davon, Mama, sprech' ich. Was sagst du dazu? Ich finde die Wahl eben wie du sie machen konntest, vortrefflich! sagte Frau Bantes ernst und senkte die Augen auf ihren Suppenteller. Friederike sah düster seitwärts nach ihrer Mutter und seufzte: Mama, auch Sie? Der Commandant stierte noch immer den Brief an, während man so fortsprach. Donner, Hauptmännchen, können Sie sich nicht satt lesen? Ihre Suppe wird kalt! rief Herr Bantes. Waldrich erwachte, sah noch einmal das Papier an und warf es hastig vor sich hin, als säße Pestgift daran. Er aß; ein Anderer nahm den Brief. Papa Bantes ärgerte sich, daß Friederike nicht fröhlicher ward. Er schob Anfangs Alles auf die jähe Ueberraschung, daß das arme Mädchen keine Worte finden konnte. Inzwischen ließ er nicht ab und trieb

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T14:15:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T14:15:44Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/43
Zitationshilfe: Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/43>, abgerufen am 21.11.2024.