Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.einander verbergen, und erhöhten damit nur die innere Macht derselben. Nach einer Weile trat Waldrich wieder zu ihr und sagte in treuherzigem Tone: Riekchen, dürfen wir noch mit einander bleiben, wie es bisher war? Waldrich, können wir denn gegen einander anders werden, wie bisher? Können? ich? Das ist unmöglich. Ach, ich wußte selbst nicht, Riekchen, was mein Glück gewesen. Nun ich dich verliere, weiß ich erst, daß ich verloren bin. Verlieren, Georg! Sage mir das nicht, und mache mich nicht unglücklich. Es ist ein entsetzliches Wort, das! Nenn' es nicht wieder. Aber wenn er kommt? Dann wird Gott sorgen. Da, nimm meine Hand, Georg, zehntausendmal lieber verlob' ich mich dem todten Gaste. Aber du sagst das weder dem Papa noch der Mama. Ich will es ihnen sagen, wenn es Zeit ist. Nimm auf dies Wort meine Hand und sei ruhig für mich. Er nahm die Hand und bedeckte sie mit heißen Küsten. Es ist ein Lebenswort, Fräulein! sagte Waldrich. Ich durfte es kaum erwarten. Aber ich nehme es von Ihnen. Brechen Sie es, so brechen Sie mein Leben. Und sind Sie nun wieder froh und glücklich? Ach, ich war's noch nie so, wie diesen Augenblick! rief er. einander verbergen, und erhöhten damit nur die innere Macht derselben. Nach einer Weile trat Waldrich wieder zu ihr und sagte in treuherzigem Tone: Riekchen, dürfen wir noch mit einander bleiben, wie es bisher war? Waldrich, können wir denn gegen einander anders werden, wie bisher? Können? ich? Das ist unmöglich. Ach, ich wußte selbst nicht, Riekchen, was mein Glück gewesen. Nun ich dich verliere, weiß ich erst, daß ich verloren bin. Verlieren, Georg! Sage mir das nicht, und mache mich nicht unglücklich. Es ist ein entsetzliches Wort, das! Nenn' es nicht wieder. Aber wenn er kommt? Dann wird Gott sorgen. Da, nimm meine Hand, Georg, zehntausendmal lieber verlob' ich mich dem todten Gaste. Aber du sagst das weder dem Papa noch der Mama. Ich will es ihnen sagen, wenn es Zeit ist. Nimm auf dies Wort meine Hand und sei ruhig für mich. Er nahm die Hand und bedeckte sie mit heißen Küsten. Es ist ein Lebenswort, Fräulein! sagte Waldrich. Ich durfte es kaum erwarten. Aber ich nehme es von Ihnen. Brechen Sie es, so brechen Sie mein Leben. Und sind Sie nun wieder froh und glücklich? Ach, ich war's noch nie so, wie diesen Augenblick! rief er. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="9"> <p><pb facs="#f0057"/> einander verbergen, und erhöhten damit nur die innere Macht derselben.</p><lb/> <p>Nach einer Weile trat Waldrich wieder zu ihr und sagte in treuherzigem Tone: Riekchen, dürfen wir noch mit einander bleiben, wie es bisher war?</p><lb/> <p>Waldrich, können wir denn gegen einander anders werden, wie bisher?</p><lb/> <p>Können? ich? Das ist unmöglich. Ach, ich wußte selbst nicht, Riekchen, was mein Glück gewesen. Nun ich dich verliere, weiß ich erst, daß ich verloren bin.</p><lb/> <p>Verlieren, Georg! Sage mir das nicht, und mache mich nicht unglücklich. Es ist ein entsetzliches Wort, das! Nenn' es nicht wieder.</p><lb/> <p>Aber wenn er kommt?</p><lb/> <p>Dann wird Gott sorgen. Da, nimm meine Hand, Georg, zehntausendmal lieber verlob' ich mich dem todten Gaste. Aber du sagst das weder dem Papa noch der Mama. Ich will es ihnen sagen, wenn es Zeit ist. Nimm auf dies Wort meine Hand und sei ruhig für mich.</p><lb/> <p>Er nahm die Hand und bedeckte sie mit heißen Küsten. Es ist ein Lebenswort, Fräulein! sagte Waldrich. Ich durfte es kaum erwarten. Aber ich nehme es von Ihnen. Brechen Sie es, so brechen Sie mein Leben.</p><lb/> <p>Und sind Sie nun wieder froh und glücklich?</p><lb/> <p>Ach, ich war's noch nie so, wie diesen Augenblick! rief er.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0057]
einander verbergen, und erhöhten damit nur die innere Macht derselben.
Nach einer Weile trat Waldrich wieder zu ihr und sagte in treuherzigem Tone: Riekchen, dürfen wir noch mit einander bleiben, wie es bisher war?
Waldrich, können wir denn gegen einander anders werden, wie bisher?
Können? ich? Das ist unmöglich. Ach, ich wußte selbst nicht, Riekchen, was mein Glück gewesen. Nun ich dich verliere, weiß ich erst, daß ich verloren bin.
Verlieren, Georg! Sage mir das nicht, und mache mich nicht unglücklich. Es ist ein entsetzliches Wort, das! Nenn' es nicht wieder.
Aber wenn er kommt?
Dann wird Gott sorgen. Da, nimm meine Hand, Georg, zehntausendmal lieber verlob' ich mich dem todten Gaste. Aber du sagst das weder dem Papa noch der Mama. Ich will es ihnen sagen, wenn es Zeit ist. Nimm auf dies Wort meine Hand und sei ruhig für mich.
Er nahm die Hand und bedeckte sie mit heißen Küsten. Es ist ein Lebenswort, Fräulein! sagte Waldrich. Ich durfte es kaum erwarten. Aber ich nehme es von Ihnen. Brechen Sie es, so brechen Sie mein Leben.
Und sind Sie nun wieder froh und glücklich?
Ach, ich war's noch nie so, wie diesen Augenblick! rief er.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T14:15:44Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T14:15:44Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |