Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.im ersten Augenblicke, und einander bedenklich mit großen Augen anstarrend. Da polterte es auf der Treppe. Siehe, herein traten die drei Bräutigame der Jungfrauen. Wisset ihr schon, rief der eine, der flüchtige Winterkönig ist in unsern Stadtmauern. Da wäre ein Fang zu machen! sagte der zweite. Die Angst liegt dem langen, hagern Weißrock im Angesicht! rief der dritte. Ein froher Schauder überfloß die Mädchen. Sie starrten sich wieder mir großen, forschenden Augen an. Es war, als redeten sie mit den starren Blicken zusammen, als verständen sie einander. Plötzlich reichten sie einander die Hände und sagten: Ja, es gilt! es gilt! Alle drei mit einander und ungetheilt. Dann ließen sie die Hände los und Jede drehte sich hin zu ihrem Bräutigam. Veronika sprach zu dem ihrigen: Läßt mein Liebster den Winterkönig lebendig aus unsern Stadtmauern ziehen, so will ich lieber des Winterkönigs Metze, als meines Liebsten ehelich Gemahl sein. So wahr mir Gott helfe mit seinen Heiligen. Franziska sprach zu dem ihrigen: Läßt mein Liebster den Winterkönig diese Nacht überleben, will ich eher den Tod, als meinen Liebsten küssen, und mein Liebster soll ewig die Hochzeit umsonst erwarten. So war mir Gott mit seinen Heiligen helfe. Jacobea sprach zu dem ihrigen: Der Schlüssel im ersten Augenblicke, und einander bedenklich mit großen Augen anstarrend. Da polterte es auf der Treppe. Siehe, herein traten die drei Bräutigame der Jungfrauen. Wisset ihr schon, rief der eine, der flüchtige Winterkönig ist in unsern Stadtmauern. Da wäre ein Fang zu machen! sagte der zweite. Die Angst liegt dem langen, hagern Weißrock im Angesicht! rief der dritte. Ein froher Schauder überfloß die Mädchen. Sie starrten sich wieder mir großen, forschenden Augen an. Es war, als redeten sie mit den starren Blicken zusammen, als verständen sie einander. Plötzlich reichten sie einander die Hände und sagten: Ja, es gilt! es gilt! Alle drei mit einander und ungetheilt. Dann ließen sie die Hände los und Jede drehte sich hin zu ihrem Bräutigam. Veronika sprach zu dem ihrigen: Läßt mein Liebster den Winterkönig lebendig aus unsern Stadtmauern ziehen, so will ich lieber des Winterkönigs Metze, als meines Liebsten ehelich Gemahl sein. So wahr mir Gott helfe mit seinen Heiligen. Franziska sprach zu dem ihrigen: Läßt mein Liebster den Winterkönig diese Nacht überleben, will ich eher den Tod, als meinen Liebsten küssen, und mein Liebster soll ewig die Hochzeit umsonst erwarten. So war mir Gott mit seinen Heiligen helfe. Jacobea sprach zu dem ihrigen: Der Schlüssel <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="10"> <p><pb facs="#f0065"/> im ersten Augenblicke, und einander bedenklich mit großen Augen anstarrend.</p><lb/> <p>Da polterte es auf der Treppe. Siehe, herein traten die drei Bräutigame der Jungfrauen. Wisset ihr schon, rief der eine, der flüchtige Winterkönig ist in unsern Stadtmauern.</p><lb/> <p>Da wäre ein Fang zu machen! sagte der zweite.</p><lb/> <p>Die Angst liegt dem langen, hagern Weißrock im Angesicht! rief der dritte.</p><lb/> <p>Ein froher Schauder überfloß die Mädchen. Sie starrten sich wieder mir großen, forschenden Augen an. Es war, als redeten sie mit den starren Blicken zusammen, als verständen sie einander. Plötzlich reichten sie einander die Hände und sagten: Ja, es gilt! es gilt! Alle drei mit einander und ungetheilt. Dann ließen sie die Hände los und Jede drehte sich hin zu ihrem Bräutigam.</p><lb/> <p>Veronika sprach zu dem ihrigen: Läßt mein Liebster den Winterkönig lebendig aus unsern Stadtmauern ziehen, so will ich lieber des Winterkönigs Metze, als meines Liebsten ehelich Gemahl sein. So wahr mir Gott helfe mit seinen Heiligen.</p><lb/> <p>Franziska sprach zu dem ihrigen: Läßt mein Liebster den Winterkönig diese Nacht überleben, will ich eher den Tod, als meinen Liebsten küssen, und mein Liebster soll ewig die Hochzeit umsonst erwarten. So war mir Gott mit seinen Heiligen helfe.</p><lb/> <p>Jacobea sprach zu dem ihrigen: Der Schlüssel<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0065]
im ersten Augenblicke, und einander bedenklich mit großen Augen anstarrend.
Da polterte es auf der Treppe. Siehe, herein traten die drei Bräutigame der Jungfrauen. Wisset ihr schon, rief der eine, der flüchtige Winterkönig ist in unsern Stadtmauern.
Da wäre ein Fang zu machen! sagte der zweite.
Die Angst liegt dem langen, hagern Weißrock im Angesicht! rief der dritte.
Ein froher Schauder überfloß die Mädchen. Sie starrten sich wieder mir großen, forschenden Augen an. Es war, als redeten sie mit den starren Blicken zusammen, als verständen sie einander. Plötzlich reichten sie einander die Hände und sagten: Ja, es gilt! es gilt! Alle drei mit einander und ungetheilt. Dann ließen sie die Hände los und Jede drehte sich hin zu ihrem Bräutigam.
Veronika sprach zu dem ihrigen: Läßt mein Liebster den Winterkönig lebendig aus unsern Stadtmauern ziehen, so will ich lieber des Winterkönigs Metze, als meines Liebsten ehelich Gemahl sein. So wahr mir Gott helfe mit seinen Heiligen.
Franziska sprach zu dem ihrigen: Läßt mein Liebster den Winterkönig diese Nacht überleben, will ich eher den Tod, als meinen Liebsten küssen, und mein Liebster soll ewig die Hochzeit umsonst erwarten. So war mir Gott mit seinen Heiligen helfe.
Jacobea sprach zu dem ihrigen: Der Schlüssel
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/65 |
Zitationshilfe: | Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/65>, abgerufen am 16.02.2025. |