Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Geschenke. Jacobea freute sich im Geiste, als Gräfin von Gräbern den Neid und die Bewunderung der ganzen Stadt zu erregen, und ward gegen den Ungestüm des neuen Liebhabers nachgiebiger. Dieser aber war doch ein böser Vogel. Denn als er zu Veronika kam, fand er sie noch schöner, als die schöne Jacobea; und wie er endlich gar die blondlockige Franziska sah, däuchten ihm die Andern fast häßlich. Er sagte aber der blondlockigen Franziska und der rabenlockigen Veronika, einer jeden insbesondere, von ihren Liebsten fast die gleiche Geschichte. Er habe unterwegs die drei Junggesellen in einer Herberge gefunden, mit zwei jungen Mädchen gar ausgelassen scherzend, bei vollen Weinbechern. Alle hätten in den Krieg nach Böhmenland ziehen wollen, und die Dirnen mit ihnen. Als sie von ihm im Gespräch vernommen, er werde auf seiner Reise durch das Städtlein Herbesheim ziehen, habe der Eine an Jacobea den Brief geschrieben und ihn gebeten, solchen mitzunehmen. Die Andern hätten aber gespottet und gesagt: Wir haben wohl hier bei lustigen Mädeln Besseres zu thun, als Briefe zu schreiben; wollet Ihr Euch für uns beschweren, so saget ihnen, wir zögen nach Böhmenland, weil wir auf ihr Geheiß ein übles Werk gethan. Und wir schicken ihnen statt des Briefes den Brautring zurück. Sie sollen sich durch den Mann trösten lassen, dem er besser, als ihnen, an den Finger passe. Schon bei Veronika behauptete der Graf, der Geschenke. Jacobea freute sich im Geiste, als Gräfin von Gräbern den Neid und die Bewunderung der ganzen Stadt zu erregen, und ward gegen den Ungestüm des neuen Liebhabers nachgiebiger. Dieser aber war doch ein böser Vogel. Denn als er zu Veronika kam, fand er sie noch schöner, als die schöne Jacobea; und wie er endlich gar die blondlockige Franziska sah, däuchten ihm die Andern fast häßlich. Er sagte aber der blondlockigen Franziska und der rabenlockigen Veronika, einer jeden insbesondere, von ihren Liebsten fast die gleiche Geschichte. Er habe unterwegs die drei Junggesellen in einer Herberge gefunden, mit zwei jungen Mädchen gar ausgelassen scherzend, bei vollen Weinbechern. Alle hätten in den Krieg nach Böhmenland ziehen wollen, und die Dirnen mit ihnen. Als sie von ihm im Gespräch vernommen, er werde auf seiner Reise durch das Städtlein Herbesheim ziehen, habe der Eine an Jacobea den Brief geschrieben und ihn gebeten, solchen mitzunehmen. Die Andern hätten aber gespottet und gesagt: Wir haben wohl hier bei lustigen Mädeln Besseres zu thun, als Briefe zu schreiben; wollet Ihr Euch für uns beschweren, so saget ihnen, wir zögen nach Böhmenland, weil wir auf ihr Geheiß ein übles Werk gethan. Und wir schicken ihnen statt des Briefes den Brautring zurück. Sie sollen sich durch den Mann trösten lassen, dem er besser, als ihnen, an den Finger passe. Schon bei Veronika behauptete der Graf, der <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="10"> <p><pb facs="#f0072"/> Geschenke. Jacobea freute sich im Geiste, als Gräfin von Gräbern den Neid und die Bewunderung der ganzen Stadt zu erregen, und ward gegen den Ungestüm des neuen Liebhabers nachgiebiger.</p><lb/> <p>Dieser aber war doch ein böser Vogel. Denn als er zu Veronika kam, fand er sie noch schöner, als die schöne Jacobea; und wie er endlich gar die blondlockige Franziska sah, däuchten ihm die Andern fast häßlich. Er sagte aber der blondlockigen Franziska und der rabenlockigen Veronika, einer jeden insbesondere, von ihren Liebsten fast die gleiche Geschichte. Er habe unterwegs die drei Junggesellen in einer Herberge gefunden, mit zwei jungen Mädchen gar ausgelassen scherzend, bei vollen Weinbechern. Alle hätten in den Krieg nach Böhmenland ziehen wollen, und die Dirnen mit ihnen. Als sie von ihm im Gespräch vernommen, er werde auf seiner Reise durch das Städtlein Herbesheim ziehen, habe der Eine an Jacobea den Brief geschrieben und ihn gebeten, solchen mitzunehmen. Die Andern hätten aber gespottet und gesagt: Wir haben wohl hier bei lustigen Mädeln Besseres zu thun, als Briefe zu schreiben; wollet Ihr Euch für uns beschweren, so saget ihnen, wir zögen nach Böhmenland, weil wir auf ihr Geheiß ein übles Werk gethan. Und wir schicken ihnen statt des Briefes den Brautring zurück. Sie sollen sich durch den Mann trösten lassen, dem er besser, als ihnen, an den Finger passe.</p><lb/> <p>Schon bei Veronika behauptete der Graf, der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0072]
Geschenke. Jacobea freute sich im Geiste, als Gräfin von Gräbern den Neid und die Bewunderung der ganzen Stadt zu erregen, und ward gegen den Ungestüm des neuen Liebhabers nachgiebiger.
Dieser aber war doch ein böser Vogel. Denn als er zu Veronika kam, fand er sie noch schöner, als die schöne Jacobea; und wie er endlich gar die blondlockige Franziska sah, däuchten ihm die Andern fast häßlich. Er sagte aber der blondlockigen Franziska und der rabenlockigen Veronika, einer jeden insbesondere, von ihren Liebsten fast die gleiche Geschichte. Er habe unterwegs die drei Junggesellen in einer Herberge gefunden, mit zwei jungen Mädchen gar ausgelassen scherzend, bei vollen Weinbechern. Alle hätten in den Krieg nach Böhmenland ziehen wollen, und die Dirnen mit ihnen. Als sie von ihm im Gespräch vernommen, er werde auf seiner Reise durch das Städtlein Herbesheim ziehen, habe der Eine an Jacobea den Brief geschrieben und ihn gebeten, solchen mitzunehmen. Die Andern hätten aber gespottet und gesagt: Wir haben wohl hier bei lustigen Mädeln Besseres zu thun, als Briefe zu schreiben; wollet Ihr Euch für uns beschweren, so saget ihnen, wir zögen nach Böhmenland, weil wir auf ihr Geheiß ein übles Werk gethan. Und wir schicken ihnen statt des Briefes den Brautring zurück. Sie sollen sich durch den Mann trösten lassen, dem er besser, als ihnen, an den Finger passe.
Schon bei Veronika behauptete der Graf, der
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Zitationshilfe: | Zschokke, Heinrich: Der todte Gast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 11. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [59]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/zschokke_gast_1910/72>, abgerufen am 16.02.2025. |