Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327.

Bild:
<< vorherige Seite

wird bei dem herben Scherz, den das Leben mit ihm,
und bei dem arglosen, den er mit sich selbst treibt, ein ge-
rührtes Lächeln ziehn. Und du, mein Eduard, wenn
Du das grundehrliche Buch ansiehst, und dabei denkst,
daß viele unbekannte Herzensverwandte es mit uns lieben
lernen, fühlst auch vielleicht einen Balsamtropfen in die
heiße Wunde fallen, die Dir und Allen, die Dich lieben,
der Tod geschlagen hat.

Und endlich: es gibt -- ich habe mich durch mannich-
fache Erfahrung davon überzeugt -- es gibt für die ge-
druckten Bücher einen Genius, der sie in die rechten
Hände bringt, und, wenn nicht immer, doch sehr oft die
unrechten davon abhält. Auf allen Fall hat er ein un-
sichtbares Vorhängschloß vor jedwedem ächten Geistes- und
Gemüthswerke, und weiß mit einer ganz untrüglichen Ge-
schicklichkeit auf- und zuzuschließen.

Diesem Genius, mein sehr lieber Schlemihl, ver-
traue ich Dein Lächeln und Deine Thränen an, und somit
Gott befohlen!

Nennhausen, Ende Mai 1814.
fouque.


wird bei dem herben Scherz, den das Leben mit ihm,
und bei dem argloſen, den er mit ſich ſelbſt treibt, ein ge-
ruͤhrtes Laͤcheln ziehn. Und du, mein Eduard, wenn
Du das grundehrliche Buch anſiehſt, und dabei denkſt,
daß viele unbekannte Herzensverwandte es mit uns lieben
lernen, fuͤhlſt auch vielleicht einen Balſamtropfen in die
heiße Wunde fallen, die Dir und Allen, die Dich lieben,
der Tod geſchlagen hat.

Und endlich: es gibt — ich habe mich durch mannich-
fache Erfahrung davon uͤberzeugt — es gibt fuͤr die ge-
druckten Buͤcher einen Genius, der ſie in die rechten
Haͤnde bringt, und, wenn nicht immer, doch ſehr oft die
unrechten davon abhaͤlt. Auf allen Fall hat er ein un-
ſichtbares Vorhaͤngſchloß vor jedwedem aͤchten Geiſtes- und
Gemuͤthswerke, und weiß mit einer ganz untruͤglichen Ge-
ſchicklichkeit auf- und zuzuſchließen.

Dieſem Genius, mein ſehr lieber Schlemihl, ver-
traue ich Dein Laͤcheln und Deine Thraͤnen an, und ſomit
Gott befohlen!

Nennhauſen, Ende Mai 1814.
fouqué.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015" n="233"/>
wird bei dem herben Scherz, den das Leben mit ihm,<lb/>
und bei dem arglo&#x017F;en, den er mit &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t treibt, ein ge-<lb/>
ru&#x0364;hrtes La&#x0364;cheln ziehn. Und du, mein <hi rendition="#g">Eduard</hi>, wenn<lb/>
Du das grundehrliche Buch an&#x017F;ieh&#x017F;t, und dabei denk&#x017F;t,<lb/>
daß viele unbekannte Herzensverwandte es mit uns lieben<lb/>
lernen, fu&#x0364;hl&#x017F;t auch vielleicht einen Bal&#x017F;amtropfen in die<lb/>
heiße Wunde fallen, die Dir und Allen, die Dich lieben,<lb/>
der Tod ge&#x017F;chlagen hat.</p><lb/>
        <p>Und endlich: es gibt &#x2014; ich habe mich durch mannich-<lb/>
fache Erfahrung davon u&#x0364;berzeugt &#x2014; es gibt fu&#x0364;r die ge-<lb/>
druckten Bu&#x0364;cher einen Genius, der &#x017F;ie in die rechten<lb/>
Ha&#x0364;nde bringt, und, wenn nicht immer, doch &#x017F;ehr oft die<lb/>
unrechten davon abha&#x0364;lt. Auf allen Fall hat er ein un-<lb/>
&#x017F;ichtbares Vorha&#x0364;ng&#x017F;chloß vor jedwedem a&#x0364;chten Gei&#x017F;tes- und<lb/>
Gemu&#x0364;thswerke, und weiß mit einer ganz untru&#x0364;glichen Ge-<lb/>
&#x017F;chicklichkeit auf- und zuzu&#x017F;chließen.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;em Genius, mein &#x017F;ehr lieber <hi rendition="#g">Schlemihl</hi>, ver-<lb/>
traue ich Dein La&#x0364;cheln und Deine Thra&#x0364;nen an, und &#x017F;omit<lb/>
Gott befohlen!</p><lb/>
        <closer>
          <salute><hi rendition="#g">Nennhau&#x017F;en</hi>, Ende Mai 1814.<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#b">fouqué.</hi></hi></salute>
        </closer>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0015] wird bei dem herben Scherz, den das Leben mit ihm, und bei dem argloſen, den er mit ſich ſelbſt treibt, ein ge- ruͤhrtes Laͤcheln ziehn. Und du, mein Eduard, wenn Du das grundehrliche Buch anſiehſt, und dabei denkſt, daß viele unbekannte Herzensverwandte es mit uns lieben lernen, fuͤhlſt auch vielleicht einen Balſamtropfen in die heiße Wunde fallen, die Dir und Allen, die Dich lieben, der Tod geſchlagen hat. Und endlich: es gibt — ich habe mich durch mannich- fache Erfahrung davon uͤberzeugt — es gibt fuͤr die ge- druckten Buͤcher einen Genius, der ſie in die rechten Haͤnde bringt, und, wenn nicht immer, doch ſehr oft die unrechten davon abhaͤlt. Auf allen Fall hat er ein un- ſichtbares Vorhaͤngſchloß vor jedwedem aͤchten Geiſtes- und Gemuͤthswerke, und weiß mit einer ganz untruͤglichen Ge- ſchicklichkeit auf- und zuzuſchließen. Dieſem Genius, mein ſehr lieber Schlemihl, ver- traue ich Dein Laͤcheln und Deine Thraͤnen an, und ſomit Gott befohlen! Nennhauſen, Ende Mai 1814. fouqué.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/15
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. In: Adelbert von Chamisso's Werke. Bd. 4. Leipzig, 1836. S. 225-327, S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2749/15>, abgerufen am 23.11.2024.