Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

Antrag an. Er ließ lächelnd meinen Schatten
zur Erde gleiten, der alsbald seine Stelle auf
des Pferdes Schatten einnahm, und lustig ne-
ben mir hertrabte. Mir war sehr seltsam zu
Muth. Ich ritt an einem Trupp Landleute
vorbei, die vor einem wohlhabenden Mann ehr-
erbietig mit entblößtem Haupte Platz machten.
Ich ritt weiter, und blickte gierigen Auges und
klopfenden Herzens seitwärts vom Pferde herab
auf diesen sonst meinen Schatten, den ich jetzt
von einem Fremden, ja von einem Feinde, er-
borgt hatte.

Dieser ging unbekümmert neben her, und
pfiff eben ein Liedchen. Er zu Fuß, ich zu
Pferd', ein Schwindel ergriff mich, die Versu-
chung war zu groß, ich wandte plötzlich die
Zügel, drückte beide Sporen an, und so in
voller Karriere einen Seitenweg eingeschlagen,
aber ich entführte den Schatten nicht, der bei
der Wendung vom Pferde glitt und seinen ge-
setzmäßigen Eigenthümer auf der Landstrasse er-
wartete. Ich mußte beschämt umlenken, der
Mann im grauen Rocke, als er ungestört sein

Antrag an. Er ließ lächelnd meinen Schatten
zur Erde gleiten, der alsbald ſeine Stelle auf
des Pferdes Schatten einnahm, und luſtig ne-
ben mir hertrabte. Mir war ſehr ſeltſam zu
Muth. Ich ritt an einem Trupp Landleute
vorbei, die vor einem wohlhabenden Mann ehr-
erbietig mit entblößtem Haupte Platz machten.
Ich ritt weiter, und blickte gierigen Auges und
klopfenden Herzens ſeitwärts vom Pferde herab
auf dieſen ſonſt meinen Schatten, den ich jetzt
von einem Fremden, ja von einem Feinde, er-
borgt hatte.

Dieſer ging unbekümmert neben her, und
pfiff eben ein Liedchen. Er zu Fuß, ich zu
Pferd’, ein Schwindel ergriff mich, die Verſu-
chung war zu groß, ich wandte plötzlich die
Zügel, drückte beide Sporen an, und ſo in
voller Karriere einen Seitenweg eingeſchlagen,
aber ich entführte den Schatten nicht, der bei
der Wendung vom Pferde glitt und ſeinen ge-
ſetzmäßigen Eigenthümer auf der Landſtraſſe er-
wartete. Ich mußte beſchämt umlenken, der
Mann im grauen Rocke, als er ungeſtört ſein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0123" n="95"/>
Antrag an. Er ließ lächelnd meinen Schatten<lb/>
zur Erde gleiten, der alsbald &#x017F;eine Stelle auf<lb/>
des Pferdes Schatten einnahm, und lu&#x017F;tig ne-<lb/>
ben mir hertrabte. Mir war &#x017F;ehr &#x017F;elt&#x017F;am zu<lb/>
Muth. Ich ritt an einem Trupp Landleute<lb/>
vorbei, die vor einem wohlhabenden Mann ehr-<lb/>
erbietig mit entblößtem Haupte Platz machten.<lb/>
Ich ritt weiter, und blickte gierigen Auges und<lb/>
klopfenden Herzens &#x017F;eitwärts vom Pferde herab<lb/>
auf die&#x017F;en &#x017F;on&#x017F;t meinen Schatten, den ich jetzt<lb/>
von einem Fremden, ja von einem Feinde, er-<lb/>
borgt hatte.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;er ging unbekümmert neben her, und<lb/>
pfiff eben ein Liedchen. Er zu Fuß, ich zu<lb/>
Pferd&#x2019;, ein Schwindel ergriff mich, die Ver&#x017F;u-<lb/>
chung war zu groß, ich wandte plötzlich die<lb/>
Zügel, drückte beide Sporen an, und &#x017F;o in<lb/>
voller Karriere einen Seitenweg einge&#x017F;chlagen,<lb/>
aber ich entführte den Schatten nicht, der bei<lb/>
der Wendung vom Pferde glitt und &#x017F;einen ge-<lb/>
&#x017F;etzmäßigen Eigenthümer auf der Land&#x017F;tra&#x017F;&#x017F;e er-<lb/>
wartete. Ich mußte be&#x017F;chämt umlenken, der<lb/>
Mann im grauen Rocke, als er unge&#x017F;tört &#x017F;ein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[95/0123] Antrag an. Er ließ lächelnd meinen Schatten zur Erde gleiten, der alsbald ſeine Stelle auf des Pferdes Schatten einnahm, und luſtig ne- ben mir hertrabte. Mir war ſehr ſeltſam zu Muth. Ich ritt an einem Trupp Landleute vorbei, die vor einem wohlhabenden Mann ehr- erbietig mit entblößtem Haupte Platz machten. Ich ritt weiter, und blickte gierigen Auges und klopfenden Herzens ſeitwärts vom Pferde herab auf dieſen ſonſt meinen Schatten, den ich jetzt von einem Fremden, ja von einem Feinde, er- borgt hatte. Dieſer ging unbekümmert neben her, und pfiff eben ein Liedchen. Er zu Fuß, ich zu Pferd’, ein Schwindel ergriff mich, die Verſu- chung war zu groß, ich wandte plötzlich die Zügel, drückte beide Sporen an, und ſo in voller Karriere einen Seitenweg eingeſchlagen, aber ich entführte den Schatten nicht, der bei der Wendung vom Pferde glitt und ſeinen ge- ſetzmäßigen Eigenthümer auf der Landſtraſſe er- wartete. Ich mußte beſchämt umlenken, der Mann im grauen Rocke, als er ungeſtört ſein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/123
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/123>, abgerufen am 09.11.2024.