Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

gedacht haben, ist doch die einzige, die Sie
vernünftiger Weise einschlagen können; hinab in
das Thal dürfen Sie nicht, und über das Ge-
birg werden Sie noch weniger zurückkehren wol-
len, von wo Sie hergekommen sind -- diese ist
auch gerade meine Strasse. -- Ich sehe Sie
schon vor der aufgehenden Sonne erblassen.
Ich will Ihnen Ihren Schatten auf die Zeit
unserer Gesellschaft leihen, und Sie dulden mich
dafür in Ihrer Nähe; Sie haben so Ihren
Bendel nicht mehr bei sich; ich will Ihnen
gute Dienste leisten. Sie lieben mich nicht,
das ist mir leid. Sie können mich darum doch
benutzen. Der Teufel ist nicht so schwarz, als
man ihn malt. Gestern haben Sie mich geär-
gert, das ist wahr, heute will ich's Ihnen nicht
nachtragen, und ich habe Ihnen schon den Weg
bis hieher verkürzt, das müssen Sie selbst ge-
stehen -- nehmen Sie doch nur einmal Ihren
Schatten auf Probe wieder an."

Die Sonne war aufgegangen, auf der
Strasse kamen uns Menschen entgegen; ich
nahm, obgleich mit innerlichem Widerwillen, den

gedacht haben, iſt doch die einzige, die Sie
vernünftiger Weiſe einſchlagen können; hinab in
das Thal dürfen Sie nicht, und über das Ge-
birg werden Sie noch weniger zurückkehren wol-
len, von wo Sie hergekommen ſind — dieſe iſt
auch gerade meine Straſſe. — Ich ſehe Sie
ſchon vor der aufgehenden Sonne erblaſſen.
Ich will Ihnen Ihren Schatten auf die Zeit
unſerer Geſellſchaft leihen, und Sie dulden mich
dafür in Ihrer Nähe; Sie haben ſo Ihren
Bendel nicht mehr bei ſich; ich will Ihnen
gute Dienſte leiſten. Sie lieben mich nicht,
das iſt mir leid. Sie können mich darum doch
benutzen. Der Teufel iſt nicht ſo ſchwarz, als
man ihn malt. Geſtern haben Sie mich geär-
gert, das iſt wahr, heute will ich’s Ihnen nicht
nachtragen, und ich habe Ihnen ſchon den Weg
bis hieher verkürzt, das müſſen Sie ſelbſt ge-
ſtehen — nehmen Sie doch nur einmal Ihren
Schatten auf Probe wieder an.„

Die Sonne war aufgegangen, auf der
Straſſe kamen uns Menſchen entgegen; ich
nahm, obgleich mit innerlichem Widerwillen, den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0122" n="94"/>
gedacht haben, i&#x017F;t doch die einzige, die Sie<lb/>
vernünftiger Wei&#x017F;e ein&#x017F;chlagen können; hinab in<lb/>
das Thal dürfen Sie nicht, und über das Ge-<lb/>
birg werden Sie noch weniger zurückkehren wol-<lb/>
len, von wo Sie hergekommen &#x017F;ind &#x2014; die&#x017F;e i&#x017F;t<lb/>
auch gerade meine Stra&#x017F;&#x017F;e. &#x2014; Ich &#x017F;ehe Sie<lb/>
&#x017F;chon vor der aufgehenden Sonne erbla&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Ich will Ihnen Ihren Schatten auf die Zeit<lb/>
un&#x017F;erer Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft leihen, und Sie dulden mich<lb/>
dafür in Ihrer Nähe; Sie haben &#x017F;o Ihren<lb/><hi rendition="#g">Bendel</hi> nicht mehr bei &#x017F;ich; ich will Ihnen<lb/>
gute Dien&#x017F;te lei&#x017F;ten. Sie lieben mich nicht,<lb/>
das i&#x017F;t mir leid. Sie können mich darum doch<lb/>
benutzen. Der Teufel i&#x017F;t nicht &#x017F;o &#x017F;chwarz, als<lb/>
man ihn malt. Ge&#x017F;tern haben Sie mich geär-<lb/>
gert, das i&#x017F;t wahr, heute will ich&#x2019;s Ihnen nicht<lb/>
nachtragen, und ich habe Ihnen &#x017F;chon den Weg<lb/>
bis hieher verkürzt, das mü&#x017F;&#x017F;en Sie &#x017F;elb&#x017F;t ge-<lb/>
&#x017F;tehen &#x2014; nehmen Sie doch nur einmal Ihren<lb/>
Schatten auf Probe wieder an.&#x201E;</p><lb/>
        <p>Die Sonne war aufgegangen, auf der<lb/>
Stra&#x017F;&#x017F;e kamen uns Men&#x017F;chen entgegen; ich<lb/>
nahm, obgleich mit innerlichem Widerwillen, den<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0122] gedacht haben, iſt doch die einzige, die Sie vernünftiger Weiſe einſchlagen können; hinab in das Thal dürfen Sie nicht, und über das Ge- birg werden Sie noch weniger zurückkehren wol- len, von wo Sie hergekommen ſind — dieſe iſt auch gerade meine Straſſe. — Ich ſehe Sie ſchon vor der aufgehenden Sonne erblaſſen. Ich will Ihnen Ihren Schatten auf die Zeit unſerer Geſellſchaft leihen, und Sie dulden mich dafür in Ihrer Nähe; Sie haben ſo Ihren Bendel nicht mehr bei ſich; ich will Ihnen gute Dienſte leiſten. Sie lieben mich nicht, das iſt mir leid. Sie können mich darum doch benutzen. Der Teufel iſt nicht ſo ſchwarz, als man ihn malt. Geſtern haben Sie mich geär- gert, das iſt wahr, heute will ich’s Ihnen nicht nachtragen, und ich habe Ihnen ſchon den Weg bis hieher verkürzt, das müſſen Sie ſelbſt ge- ſtehen — nehmen Sie doch nur einmal Ihren Schatten auf Probe wieder an.„ Die Sonne war aufgegangen, auf der Straſſe kamen uns Menſchen entgegen; ich nahm, obgleich mit innerlichem Widerwillen, den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/122
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/122>, abgerufen am 21.11.2024.