Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827.Schatten gelassen?" und gleich wieder darauf von Sobald ich mich in der rollenden Kutsche Schatten gelaſſen?„ und gleich wieder darauf von Sobald ich mich in der rollenden Kutſche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0040" n="16"/> Schatten gelaſſen?„ und gleich wieder darauf von<lb/> ein Paar Frauen: “Jeſus Maria! der arme Menſch<lb/> hat keinen Schatten!„ Das fing an mich zu ver-<lb/> drießen, und ich vermied ſehr ſorgfältig, in die<lb/> Sonne zu treten. Das ging aber nicht überall<lb/> an, zum Beiſpiel nicht über die Breiteſtraſſe, die<lb/> ich zunächſt durchkreuzen mußte, und zwar, zu<lb/> meinem Unheil, in eben der Stunde, wo die Kna-<lb/> ben aus der Schule gingen. Ein verdammter<lb/> buckeliger Schlingel, ich ſeh’ ihn noch, hatte es<lb/> gleich weg, daß mir ein Schatten fehle. Er ver-<lb/> rieth mich mit großem Geſchrei der ſämmtlichen<lb/> literariſchen Straſſenjugend der Vorſtadt, welche<lb/> ſofort mich zu rezenſiren und mit Koth zu bewer-<lb/> fen anfing: “Ordentliche Leute pflegten ihren<lb/> Schatten mit ſich zu nehmen, wann ſie in die<lb/> Sonne gingen.„ Um ſie von mir abzuwehren,<lb/> warf ich Gold zu vollen Händen unter ſie, und<lb/> ſprang in einen Miethswagen, zu dem mir<lb/> mitleidige Seelen verhalfen.</p><lb/> <p>Sobald ich mich in der rollenden Kutſche<lb/> allein fand, fing ich bitterlich an zu weinen. Es<lb/> mußte ſchon die Ahnung in mir aufſteigen: daß,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0040]
Schatten gelaſſen?„ und gleich wieder darauf von
ein Paar Frauen: “Jeſus Maria! der arme Menſch
hat keinen Schatten!„ Das fing an mich zu ver-
drießen, und ich vermied ſehr ſorgfältig, in die
Sonne zu treten. Das ging aber nicht überall
an, zum Beiſpiel nicht über die Breiteſtraſſe, die
ich zunächſt durchkreuzen mußte, und zwar, zu
meinem Unheil, in eben der Stunde, wo die Kna-
ben aus der Schule gingen. Ein verdammter
buckeliger Schlingel, ich ſeh’ ihn noch, hatte es
gleich weg, daß mir ein Schatten fehle. Er ver-
rieth mich mit großem Geſchrei der ſämmtlichen
literariſchen Straſſenjugend der Vorſtadt, welche
ſofort mich zu rezenſiren und mit Koth zu bewer-
fen anfing: “Ordentliche Leute pflegten ihren
Schatten mit ſich zu nehmen, wann ſie in die
Sonne gingen.„ Um ſie von mir abzuwehren,
warf ich Gold zu vollen Händen unter ſie, und
ſprang in einen Miethswagen, zu dem mir
mitleidige Seelen verhalfen.
Sobald ich mich in der rollenden Kutſche
allein fand, fing ich bitterlich an zu weinen. Es
mußte ſchon die Ahnung in mir aufſteigen: daß,
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