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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827.

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Gesellschaft an. Wann ich ausging, wobei mich
stets Bendel mit Argusaugen bewachen mußte,
so war es nur nach dem Förstergarten, und um
des Einen willen; denn meines Lebens inner-
lichstes Herz war meine Liebe.

O mein guter Chamisso, ich will hoffen,
Du habest noch nicht vergessen, was Liebe sei!
Ich lasse Dir hier Vieles zu ergänzen. Mina
war wirklich ein liebewerthes, gutes, frommes
Kind. Ich hatte ihre ganze Phantasie an mich
gefesselt, sie wußte in ihrer Demuth nicht, wo-
mit sie werth gewesen, daß ich nur nach ihr ge-
blickt; und sie vergalt Liebe um Liebe mit der
vollen jugendlichen Kraft eines unschuldigen
Herzens. Sie liebte wie ein Weib, ganz hin
sich opfernd; selbst vergessen, hingegeben den
nur meinend, der ihr Leben war; unbekümmert,
solle sie selbst zu Grunde gehen, das heißt, sie
liebte wirklich. --

Ich aber -- o welche schreckliche Stunden -- --
schrecklich! und würdig dennoch, daß ich sie zurück-
wünsche, hab' ich oft an Bendels Brust ver-
weint, als nach dem ersten bewußtlosen Rausch ich

Geſellſchaft an. Wann ich ausging, wobei mich
ſtets Bendel mit Argusaugen bewachen mußte,
ſo war es nur nach dem Förſtergarten, und um
des Einen willen; denn meines Lebens inner-
lichſtes Herz war meine Liebe.

O mein guter Chamiſſo, ich will hoffen,
Du habeſt noch nicht vergeſſen, was Liebe ſei!
Ich laſſe Dir hier Vieles zu ergänzen. Mina
war wirklich ein liebewerthes, gutes, frommes
Kind. Ich hatte ihre ganze Phantaſie an mich
gefeſſelt, ſie wußte in ihrer Demuth nicht, wo-
mit ſie werth geweſen, daß ich nur nach ihr ge-
blickt; und ſie vergalt Liebe um Liebe mit der
vollen jugendlichen Kraft eines unſchuldigen
Herzens. Sie liebte wie ein Weib, ganz hin
ſich opfernd; ſelbſt vergeſſen, hingegeben den
nur meinend, der ihr Leben war; unbekümmert,
ſolle ſie ſelbſt zu Grunde gehen, das heißt, ſie
liebte wirklich. —

Ich aber — o welche ſchreckliche Stunden — —
ſchrecklich! und würdig dennoch, daß ich ſie zurück-
wünſche, hab’ ich oft an Bendels Bruſt ver-
weint, als nach dem erſten bewußtloſen Rauſch ich

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[47/0071] Geſellſchaft an. Wann ich ausging, wobei mich ſtets Bendel mit Argusaugen bewachen mußte, ſo war es nur nach dem Förſtergarten, und um des Einen willen; denn meines Lebens inner- lichſtes Herz war meine Liebe. O mein guter Chamiſſo, ich will hoffen, Du habeſt noch nicht vergeſſen, was Liebe ſei! Ich laſſe Dir hier Vieles zu ergänzen. Mina war wirklich ein liebewerthes, gutes, frommes Kind. Ich hatte ihre ganze Phantaſie an mich gefeſſelt, ſie wußte in ihrer Demuth nicht, wo- mit ſie werth geweſen, daß ich nur nach ihr ge- blickt; und ſie vergalt Liebe um Liebe mit der vollen jugendlichen Kraft eines unſchuldigen Herzens. Sie liebte wie ein Weib, ganz hin ſich opfernd; ſelbſt vergeſſen, hingegeben den nur meinend, der ihr Leben war; unbekümmert, ſolle ſie ſelbſt zu Grunde gehen, das heißt, ſie liebte wirklich. — Ich aber — o welche ſchreckliche Stunden — — ſchrecklich! und würdig dennoch, daß ich ſie zurück- wünſche, hab’ ich oft an Bendels Bruſt ver- weint, als nach dem erſten bewußtloſen Rauſch ich

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl’s wundersame Geschichte. Nürnberg, 1827, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/19_ZZ_2754/71>, abgerufen am 24.11.2024.