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Hartmann, Adam Samuel: Der letzte Wille des Sohnes Gottes. Lissa, 1677.

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Christliche Leich-Predigt.
grosse Brunn/ darauß man Wasser schöpffet/ der heist Poeniten-
tia,
Busse. Von dar kommt man ins Vor-hauß/ das ist der Glau-
be/
der weiset den Eingang zum Throne der Gnaden. Und baldist
dar Custos Palatii, der heilige Geist/ der geheime Rath Gottes/
der schleust auff das allerheiligste Cabinet, darinnen ist der Friede
des Gewissens.
Und nun man bis dahin kommt; so geräth man
zu der gloriösen Wohnung JEsu Christi. So muß man pas-
siren
durch die Thore der Gnaden/ zur gesegneten Herrligkeit.
Wir wissen daß die Sonne am Himmel sey. Wir wissen aber nicht
worauß Sie geschaffen sey? Werden derselben gewahr bloß durch
ihr Licht und Hitze. So ist die Gnaden-Wahl eine Sonne. Die
schärffsten Adlers-Augen können in dieselbe nicht sehen/ wir wer-
den aber jhrer gewahr durch die Hitze des Beruffs/ durch das Licht
des Glaubens/ durch die Strahlen der gutten Wercke. GOtt
hat uns erwehlet vor der Welt. Geschaffen mit der Welt. Be-
ruffen von der Welt. Gerechtfertiget in der Welt. Der uns er-
wehlet hat/ da wir nichts nicht waren/ hat uns beruffen/ da wir
nichtig und elend waren/ hat uns gerechtfertiget/ da wir Sünder
waren/ wird uns herrlich machen/ wenn wir seyn werden/ was
wir noch nie waren/ nehmlich heilig und vollkommen nach sei-
nem Bilde.

Man sagt daß das Haupt oder das erste Qvall des Nili nicht
könne gefunden werden; aber manche herrliche Spring-Qvellen
die von demselben herrühren/ sind uns wohl bekant. So ists mit der
Gnaden-wahl. Jhr erstes Haupt-qvall ist zu tieff verborgen/ aber
die süssen Spring-qvellen der Beruffung/ Rechtfertigung etc. sind
Gott lob bekant. Aus denen last uns unsre Erwehlung fest machen.

Alle andere unnöthige Concepten, fürwitzige Nachsinnungen/
Subtiliteten, Distinctiones, &c. &c. und Einbildungen/ verra-
then den Hoch-Muth des Hertzens/ machen dem Menschen keine
heilige Versicherung/ sondern erwecken in jhm eine thörichte Leicht-
sinnigkeit. Esau der Jäger richtete seinem Vater sein gefangenes

Wild-
[D 2]

Chriſtliche Leich-Predigt.
groſſe Brunn/ darauß man Waſſer ſchöpffet/ der heiſt Pœniten-
tia,
Buſſe. Von dar kom̃t man ins Vor-hauß/ das iſt der Glau-
be/
der weiſet den Eingang zum Throne der Gnaden. Und baldiſt
dar Cuſtos Palatii, der heilige Geiſt/ der geheime Rath Gottes/
der ſchleuſt auff das allerheiligſte Cabinet, darinnen iſt der Friede
des Gewiſſens.
Und nun man bis dahin kom̃t; ſo geraͤth man
zu der glorioͤſen Wohnung JEſu Chriſti. So muß man pas-
ſiren
durch die Thore der Gnaden/ zur geſegneten Herrligkeit.
Wir wiſſen daß die Sonne am Himmel ſey. Wir wiſſen aber nicht
worauß Sie geſchaffen ſey? Werden derſelben gewahr bloß durch
ihr Licht und Hitze. So iſt die Gnaden-Wahl eine Sonne. Die
ſchaͤrffſten Adlers-Augen koͤnnen in dieſelbe nicht ſehen/ wir wer-
den aber jhrer gewahr durch die Hitze des Beruffs/ durch das Licht
des Glaubens/ durch die Strahlen der gutten Wercke. GOtt
hat uns erwehlet vor der Welt. Geſchaffen mit der Welt. Be-
ruffen von der Welt. Gerechtfertiget in der Welt. Der uns er-
wehlet hat/ da wir nichts nicht waren/ hat uns beruffen/ da wir
nichtig und elend waren/ hat uns gerechtfertiget/ da wir Suͤnder
waren/ wird uns herꝛlich machen/ wenn wir ſeyn werden/ was
wir noch nie waren/ nehmlich heilig und vollkommen nach ſei-
nem Bilde.

Man ſagt daß das Haupt oder das erſte Qvall des Nili nicht
koͤnne gefunden werden; aber manche herꝛliche Spring-Qvellen
die von demſelben herruͤhren/ ſind uns wohl bekant. So iſts mit der
Gnaden-wahl. Jhr erſtes Haupt-qvall iſt zu tieff verborgen/ aber
die ſuͤſſen Spring-qvellen der Beruffung/ Rechtfertigung ꝛc. ſind
Gott lob bekant. Aus denen laſt uns unſre Erwehlung feſt machen.

Alle andere unnoͤthige Concepten, fuͤrwitzige Nachſinnungen/
Subtiliteten, Diſtinctiones, &c. &c. und Einbildungen/ verra-
then den Hoch-Muth des Hertzens/ machen dem Menſchen keine
heilige Verſicherung/ ſondern erwecken in jhm eine thoͤrichte Leicht-
ſinnigkeit. Eſau der Jaͤger richtete ſeinem Vater ſein gefangenes

Wild-
[D 2]
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[27/0029] Chriſtliche Leich-Predigt. groſſe Brunn/ darauß man Waſſer ſchöpffet/ der heiſt Pœniten- tia, Buſſe. Von dar kom̃t man ins Vor-hauß/ das iſt der Glau- be/ der weiſet den Eingang zum Throne der Gnaden. Und baldiſt dar Cuſtos Palatii, der heilige Geiſt/ der geheime Rath Gottes/ der ſchleuſt auff das allerheiligſte Cabinet, darinnen iſt der Friede des Gewiſſens. Und nun man bis dahin kom̃t; ſo geraͤth man zu der glorioͤſen Wohnung JEſu Chriſti. So muß man pas- ſiren durch die Thore der Gnaden/ zur geſegneten Herrligkeit. Wir wiſſen daß die Sonne am Himmel ſey. Wir wiſſen aber nicht worauß Sie geſchaffen ſey? Werden derſelben gewahr bloß durch ihr Licht und Hitze. So iſt die Gnaden-Wahl eine Sonne. Die ſchaͤrffſten Adlers-Augen koͤnnen in dieſelbe nicht ſehen/ wir wer- den aber jhrer gewahr durch die Hitze des Beruffs/ durch das Licht des Glaubens/ durch die Strahlen der gutten Wercke. GOtt hat uns erwehlet vor der Welt. Geſchaffen mit der Welt. Be- ruffen von der Welt. Gerechtfertiget in der Welt. Der uns er- wehlet hat/ da wir nichts nicht waren/ hat uns beruffen/ da wir nichtig und elend waren/ hat uns gerechtfertiget/ da wir Suͤnder waren/ wird uns herꝛlich machen/ wenn wir ſeyn werden/ was wir noch nie waren/ nehmlich heilig und vollkommen nach ſei- nem Bilde. Man ſagt daß das Haupt oder das erſte Qvall des Nili nicht koͤnne gefunden werden; aber manche herꝛliche Spring-Qvellen die von demſelben herruͤhren/ ſind uns wohl bekant. So iſts mit der Gnaden-wahl. Jhr erſtes Haupt-qvall iſt zu tieff verborgen/ aber die ſuͤſſen Spring-qvellen der Beruffung/ Rechtfertigung ꝛc. ſind Gott lob bekant. Aus denen laſt uns unſre Erwehlung feſt machen. Alle andere unnoͤthige Concepten, fuͤrwitzige Nachſinnungen/ Subtiliteten, Diſtinctiones, &c. &c. und Einbildungen/ verra- then den Hoch-Muth des Hertzens/ machen dem Menſchen keine heilige Verſicherung/ ſondern erwecken in jhm eine thoͤrichte Leicht- ſinnigkeit. Eſau der Jaͤger richtete ſeinem Vater ſein gefangenes Wild- D 2

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Zitationshilfe: Hartmann, Adam Samuel: Der letzte Wille des Sohnes Gottes. Lissa, 1677, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/354523/29>, abgerufen am 28.04.2024.