Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hartmann, Adam Samuel: Der letzte Wille des Sohnes Gottes. Lissa, 1677.

Bild:
<< vorherige Seite

Christliche Leich-Predigt.
wohl-versehene Apotheke/ kein Bezoar, kein Alkermes, kein Ein-
horn/ keine stärckende Perlen-Milch wieder die Stärcke des To-
des. Kein Artzt ist so erfahren/ daß er ein Recept wieder den Tod
verschreiben; kein Theologus so fromm/ daß er ihn von sich abwei-
sen; kein Jurist so beredt/ daß er eine Sache wieder jhn erhalten
könne. Er ist das rothe Meer/ durch welches wir alle müssen; der
Zoll/ den wir alle bezahlen/ das Gesetze/ das wir alle mit unserm
Blute unterschreiben müssen. Wir sind alle eines Wesens und alle
einer Vergängligkeit. Ein Thon ist zwar feiner als der andere;
ein Glaß reiner als das andere; ein Gefäß zierlicher als das ander/
aber alle sind gleich zerbrechlich. Eben also/ wiewol sich ein zufäl-
liger Unterscheid unter den Menschen findet/ so sind sie im Wesen
alle einander gleich. Weil wir alle gesündiget/ müssen wir alle ster-
ben. Weil der König und Selave auff einerley weise gearbeitet/
Rom. 6, 23.werden sie mit gleicher Müntze bezahlet. Der Tod ist der Sün-
den Sold.
Der Unterscheid/ so sich zwischen den Lebenden fin-
det/ erstreckt sich nicht weiter/ als zum Grabe. Da heist es:
Hic terminus esto. Es ist zwar ein Baum dicker/ höher/ gerader
als der ander/ wenn sie aber abgehauen und verbrennet werden/ ist
ihrer aller einerley Asche. Warlich! So ein grosser Unterscheid
sich findet unter den Menschen in ihrem Leben/ so gering ist er in
ihrem Tode. Könige/ Fürsten/ Herren/ Edele/ Frauen/ Götter und
Göttinnen in ihrem Leben/ sind sterbliche Menschen in ihrem Tode.

Aber/ gleich wie der alleredelste Stamm zuforderst abgehauen
wird/ da im Gegentheil der hökrichte Dornpusch stehen bleibet/
weil jener zu Erbauung eines Pallasts bequemer als dieser/ also
fället offt der Allerhöchste die allerschönsten Bäume/ daß Er Pfei-
ler des Himmlischen Jerusalems daraus mache. Einen Beweiß
dessen haben wir für unsern Augen an der Hoch- und Wohl-Edel-
Gebornen/ VielEhren-reichen/ Hoch-Tugend begabten Frawen
Maria Canitzin gebornen von Senitzin/ (&c. &c. pleno tit.)

Sie

Chriſtliche Leich-Predigt.
wohl-verſehene Apotheke/ kein Bezoar, kein Alkermes, kein Ein-
horn/ keine ſtaͤrckende Perlen-Milch wieder die Staͤrcke des To-
des. Kein Artzt iſt ſo erfahren/ daß er ein Recept wieder den Tod
verſchreiben; kein Theologus ſo from̃/ daß er ihn von ſich abwei-
ſen; kein Juriſt ſo beredt/ daß er eine Sache wieder jhn erhalten
könne. Er iſt das rothe Meer/ durch welches wir alle muͤſſen; der
Zoll/ den wir alle bezahlen/ das Geſetze/ das wir alle mit unſerm
Blute unterſchreiben muͤſſen. Wir ſind alle eines Weſens und alle
einer Vergaͤngligkeit. Ein Thon iſt zwar feiner als der andere;
ein Glaß reiner als das andere; ein Gefaͤß zierlicher als das ander/
aber alle ſind gleich zerbrechlich. Eben alſo/ wiewol ſich ein zufaͤl-
liger Unterſcheid unter den Menſchen findet/ ſo ſind ſie im Weſen
alle einander gleich. Weil wir alle geſündiget/ muͤſſen wir alle ſter-
ben. Weil der Koͤnig und Selave auff einerley weiſe gearbeitet/
Rom. 6, 23.werden ſie mit gleicher Muͤntze bezahlet. Der Tod iſt der Sün-
den Sold.
Der Unterſcheid/ ſo ſich zwiſchen den Lebenden fin-
det/ erſtreckt ſich nicht weiter/ als zum Grabe. Da heiſt es:
Hic terminus eſto. Es iſt zwar ein Baum dicker/ hoͤher/ gerader
als der ander/ weñ ſie aber abgehauen und verbrennet werden/ iſt
ihrer aller einerley Aſche. Warlich! So ein groſſer Unterſcheid
ſich findet unter den Menſchen in ihrem Leben/ ſo gering iſt er in
ihrem Tode. Koͤnige/ Fuͤrſten/ Herren/ Edele/ Frauen/ Goͤtter und
Goͤttiñen in ihrem Leben/ ſind ſterbliche Menſchen in ihrem Tode.

Aber/ gleich wie der alleredelſte Stam̃ zuforderſt abgehauen
wird/ da im Gegentheil der hökrichte Dornpuſch ſtehen bleibet/
weil jener zu Erbauung eines Pallaſts bequemer als dieſer/ alſo
faͤllet offt der Allerhoͤchſte die allerſchoͤnſten Baͤume/ daß Er Pfei-
ler des Him̃liſchen Jeruſalems daraus mache. Einen Beweiß
deſſen haben wir fuͤr unſern Augen an der Hoch- und Wohl-Edel-
Gebornen/ VielEhren-reichen/ Hoch-Tugend begabten Frawen
Maria Canitzin gebornen von Senitzin/ (&c. &c. pleno tit.)

Sie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="fsSermon" n="1">
        <div type="preface" n="2">
          <p><pb facs="#f0004" n="2"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Chri&#x017F;tliche Leich-Predigt.</hi></fw><lb/>
wohl-ver&#x017F;ehene Apotheke/ kein <hi rendition="#aq">Bezoar,</hi> kein <hi rendition="#aq">Alkermes,</hi> kein Ein-<lb/>
horn/ keine &#x017F;ta&#x0364;rckende Perlen-Milch wieder die Sta&#x0364;rcke des To-<lb/>
des. Kein Artzt i&#x017F;t &#x017F;o erfahren/ daß er ein <hi rendition="#aq">Recept</hi> wieder den Tod<lb/>
ver&#x017F;chreiben; kein <hi rendition="#aq">Theologus</hi> &#x017F;o from&#x0303;/ daß er ihn von &#x017F;ich abwei-<lb/>
&#x017F;en; kein <hi rendition="#aq">Juri&#x017F;t</hi> &#x017F;o beredt/ daß er eine Sache wieder jhn erhalten<lb/>
könne. Er i&#x017F;t das rothe Meer/ durch welches wir alle mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en; der<lb/>
Zoll/ den wir alle bezahlen/ das Ge&#x017F;etze/ das wir alle mit un&#x017F;erm<lb/>
Blute unter&#x017F;chreiben mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Wir &#x017F;ind alle eines We&#x017F;ens und alle<lb/>
einer Verga&#x0364;ngligkeit. Ein Thon i&#x017F;t zwar feiner als der andere;<lb/>
ein Glaß reiner als das andere; ein Gefa&#x0364;ß zierlicher als das ander/<lb/>
aber alle &#x017F;ind gleich zerbrechlich. Eben al&#x017F;o/ wiewol &#x017F;ich ein zufa&#x0364;l-<lb/>
liger Unter&#x017F;cheid unter den Men&#x017F;chen findet/ &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie im We&#x017F;en<lb/>
alle einander gleich. Weil wir alle ge&#x017F;ündiget/ mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wir alle &#x017F;ter-<lb/>
ben. Weil der Ko&#x0364;nig und Selave auff einerley wei&#x017F;e gearbeitet/<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">Rom.</hi> 6, 23.</note>werden &#x017F;ie mit gleicher Mu&#x0364;ntze bezahlet. <hi rendition="#fr">Der Tod i&#x017F;t der Sün-<lb/>
den Sold.</hi> Der Unter&#x017F;cheid/ &#x017F;o &#x017F;ich zwi&#x017F;chen den Lebenden fin-<lb/>
det/ er&#x017F;treckt &#x017F;ich nicht weiter/ als zum Grabe. Da hei&#x017F;t es:<lb/><hi rendition="#aq">Hic terminus e&#x017F;to.</hi> Es i&#x017F;t zwar ein Baum dicker/ ho&#x0364;her/ gerader<lb/>
als der ander/ wen&#x0303; &#x017F;ie aber abgehauen und verbrennet werden/ i&#x017F;t<lb/>
ihrer aller einerley A&#x017F;che. Warlich! So ein gro&#x017F;&#x017F;er Unter&#x017F;cheid<lb/>
&#x017F;ich findet unter den Men&#x017F;chen in ihrem Leben/ &#x017F;o gering i&#x017F;t er in<lb/>
ihrem Tode. Ko&#x0364;nige/ Fu&#x0364;r&#x017F;ten/ Herren/ Edele/ Frauen/ Go&#x0364;tter und<lb/>
Go&#x0364;ttin&#x0303;en in ihrem Leben/ &#x017F;ind &#x017F;terbliche Men&#x017F;chen in ihrem Tode.</p><lb/>
          <p>Aber/ gleich wie der alleredel&#x017F;te Stam&#x0303; zuforder&#x017F;t abgehauen<lb/>
wird/ da im Gegentheil der hökrichte Dornpu&#x017F;ch &#x017F;tehen bleibet/<lb/>
weil jener zu Erbauung eines Palla&#x017F;ts bequemer als die&#x017F;er/ al&#x017F;o<lb/>
fa&#x0364;llet offt der Allerho&#x0364;ch&#x017F;te die aller&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Ba&#x0364;ume/ daß Er Pfei-<lb/>
ler des Him&#x0303;li&#x017F;chen Jeru&#x017F;alems daraus mache. Einen Beweiß<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en haben wir fu&#x0364;r un&#x017F;ern Augen an der Hoch- und Wohl-Edel-<lb/>
Gebornen/ VielEhren-reichen/ Hoch-Tugend begabten Frawen<lb/><hi rendition="#fr">Maria Canitzin</hi> gebornen von <hi rendition="#fr">Senitzin/</hi> (<hi rendition="#aq">&amp;c. &amp;c. pleno tit.</hi>)<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Sie</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[2/0004] Chriſtliche Leich-Predigt. wohl-verſehene Apotheke/ kein Bezoar, kein Alkermes, kein Ein- horn/ keine ſtaͤrckende Perlen-Milch wieder die Staͤrcke des To- des. Kein Artzt iſt ſo erfahren/ daß er ein Recept wieder den Tod verſchreiben; kein Theologus ſo from̃/ daß er ihn von ſich abwei- ſen; kein Juriſt ſo beredt/ daß er eine Sache wieder jhn erhalten könne. Er iſt das rothe Meer/ durch welches wir alle muͤſſen; der Zoll/ den wir alle bezahlen/ das Geſetze/ das wir alle mit unſerm Blute unterſchreiben muͤſſen. Wir ſind alle eines Weſens und alle einer Vergaͤngligkeit. Ein Thon iſt zwar feiner als der andere; ein Glaß reiner als das andere; ein Gefaͤß zierlicher als das ander/ aber alle ſind gleich zerbrechlich. Eben alſo/ wiewol ſich ein zufaͤl- liger Unterſcheid unter den Menſchen findet/ ſo ſind ſie im Weſen alle einander gleich. Weil wir alle geſündiget/ muͤſſen wir alle ſter- ben. Weil der Koͤnig und Selave auff einerley weiſe gearbeitet/ werden ſie mit gleicher Muͤntze bezahlet. Der Tod iſt der Sün- den Sold. Der Unterſcheid/ ſo ſich zwiſchen den Lebenden fin- det/ erſtreckt ſich nicht weiter/ als zum Grabe. Da heiſt es: Hic terminus eſto. Es iſt zwar ein Baum dicker/ hoͤher/ gerader als der ander/ weñ ſie aber abgehauen und verbrennet werden/ iſt ihrer aller einerley Aſche. Warlich! So ein groſſer Unterſcheid ſich findet unter den Menſchen in ihrem Leben/ ſo gering iſt er in ihrem Tode. Koͤnige/ Fuͤrſten/ Herren/ Edele/ Frauen/ Goͤtter und Goͤttiñen in ihrem Leben/ ſind ſterbliche Menſchen in ihrem Tode. Rom. 6, 23. Aber/ gleich wie der alleredelſte Stam̃ zuforderſt abgehauen wird/ da im Gegentheil der hökrichte Dornpuſch ſtehen bleibet/ weil jener zu Erbauung eines Pallaſts bequemer als dieſer/ alſo faͤllet offt der Allerhoͤchſte die allerſchoͤnſten Baͤume/ daß Er Pfei- ler des Him̃liſchen Jeruſalems daraus mache. Einen Beweiß deſſen haben wir fuͤr unſern Augen an der Hoch- und Wohl-Edel- Gebornen/ VielEhren-reichen/ Hoch-Tugend begabten Frawen Maria Canitzin gebornen von Senitzin/ (&c. &c. pleno tit.) Sie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/354523
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/354523/4
Zitationshilfe: Hartmann, Adam Samuel: Der letzte Wille des Sohnes Gottes. Lissa, 1677, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/354523/4>, abgerufen am 03.12.2024.