Böttner, Gottfried: Eine in Gott ruhende/ und also gantz ruhige Elisabeth. Zittau, 1686.Elisabeth. meine Sünden gehen über mein Häubt/ wie eine schwereLast sind sie mir zu schwer worden. Sie hatte etwan eine sonderbare Abscheu für einer Fliege/ welche die meisten wol leiden [k]önnen/ und konte sich sonst für etwas entsetzen/ dessen andere lachen. Das steckte in jhrer Natur/ die Sie nicht ändern konte. Also achtete Sie auch groß/ was manche für gar kleine oder keine Sünde und eine Kurtzweil achten/ wol wissend/ daß grosse Sünden aus gering-gehaltenen klei- nen zu entstehen pflegen/ wie kleine Kranckheiten zu grossen werden/ wenn man sie verachtet/ (s) ja daß man auch um kleiner Sünden willen könne verdammt werden/ wie Men- schen nicht nur mitten in der See und andern grossen Was- sern/ sondern auch am Ufer und in einer schlechten Bach ersauffen können. (t) Also entstand denn bey jhr ein Grä- men um das/ was Welt-Leute in den Wind schlagen und keiner Rede werth halten. Macht manchmal ein kleines Steinlein in dem Schuche/ oder ein Stäublein in dem Au- ge grosse Ungelegenheit: so machte zuweilen ein geringes Versehen bey jhr nicht wenigen Kummer und Gemüths- Unruhe. Sie verstand gar wol/ wie ein Christ auff seinen Nechsten achtung zu geben habe/ und wie man sich der Sün- de anderer könne theilhafftig machen/ und eine schwere Verantwortung auff sich laden. Daher gerieth Sie zu- weilen in Bangigkeit. Wo Sie es manchmal gedachte gar gut zu machen/ da kam Kummer heraus/ und Sie fand Jammer und Noth/ wo Sie Christliche Zufriedenheit such- te. Wenn Hiob spricht: Meine Kleider werden mir scheuß-Job. 9, 31. lich anstehen/ so leget der selige D. Luther die Kleider von den (s) Chrysost. Homil. XII. in Ep. ad Rom. cit. Spizel. Lit. Feli- ciss, p. 340. s. (t) Geier. Betracht. der Sterbligk. Part. II. p. 352. ex Aug. B 2
Eliſabeth. meine Suͤnden gehen uͤber mein Haͤubt/ wie eine ſchwereLaſt ſind ſie mir zu ſchwer worden. Sie hatte etwan eine ſonderbare Abſcheu fuͤr einer Fliege/ welche die meiſten wol leiden [k]oͤnnen/ und konte ſich ſonſt fuͤr etwas entſetzen/ deſſen andere lachen. Das ſteckte in jhrer Natur/ die Sie nicht aͤndern konte. Alſo achtete Sie auch groß/ was manche fuͤr gar kleine oder keine Suͤnde und eine Kurtzweil achten/ wol wiſſend/ daß groſſe Suͤnden aus gering-gehaltenen klei- nen zu entſtehen pflegen/ wie kleine Kranckheiten zu groſſen werden/ wenn man ſie verachtet/ (ſ) ja daß man auch um kleiner Suͤnden willen koͤnne verdam̃t werden/ wie Men- ſchen nicht nur mitten in der See und andern groſſen Waſ- ſern/ ſondern auch am Ufer und in einer ſchlechten Bach erſauffen koͤnnen. (t) Alſo entſtand denn bey jhr ein Graͤ- men um das/ was Welt-Leute in den Wind ſchlagen und keiner Rede werth halten. Macht manchmal ein kleines Steinlein in dem Schuche/ oder ein Staͤublein in dem Au- ge groſſe Ungelegenheit: ſo machte zuweilen ein geringes Verſehen bey jhr nicht wenigen Kummer und Gemuͤths- Unruhe. Sie verſtand gar wol/ wie ein Chriſt auff ſeinen Nechſten achtung zu geben habe/ und wie man ſich der Suͤn- de anderer koͤnne theilhafftig machen/ und eine ſchwere Verantwortung auff ſich laden. Daher gerieth Sie zu- weilen in Bangigkeit. Wo Sie es manchmal gedachte gar gut zu machen/ da kam Kummer heraus/ und Sie fand Jammer und Noth/ wo Sie Chriſtliche Zufriedenheit ſuch- te. Wenn Hiob ſpricht: Meine Kleider werden mir ſcheuß-Job. 9, 31. lich anſtehen/ ſo leget der ſelige D. Luther die Kleider von den (ſ) Chryſoſt. Homil. XII. in Ep. ad Rom. cit. Spizel. Lit. Feli- ciſſ, p. 340. ſ. (t) Geier. Betracht. der Sterbligk. Part. II. p. 352. ex Aug. B 2
<TEI> <text> <body> <div type="fsThanks" n="1"> <div type="preface" n="2"> <p><pb facs="#f0011" n="11"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Eliſabeth.</hi></fw><lb/> meine Suͤnden gehen uͤber mein Haͤubt/ wie eine ſchwere<lb/> Laſt ſind ſie mir zu ſchwer worden. Sie hatte etwan eine<lb/> ſonderbare Abſcheu fuͤr einer Fliege/ welche die meiſten wol<lb/> leiden <supplied>k</supplied>oͤnnen/ und konte ſich ſonſt fuͤr etwas entſetzen/ deſſen<lb/> andere lachen. Das ſteckte in jhrer Natur/ die Sie nicht<lb/> aͤndern konte. Alſo achtete Sie auch groß/ was manche<lb/> fuͤr gar kleine oder keine Suͤnde und eine Kurtzweil achten/<lb/> wol wiſſend/ daß groſſe Suͤnden aus gering-gehaltenen klei-<lb/> nen zu entſtehen pflegen/ wie kleine Kranckheiten zu groſſen<lb/> werden/ wenn man ſie verachtet/ <note place="foot" n="(ſ)"><hi rendition="#aq">Chryſoſt. Homil. XII. in Ep. ad Rom. cit. Spizel. Lit. Feli-<lb/> ciſſ, p. 340. ſ.</hi></note> ja daß man auch um<lb/> kleiner Suͤnden willen koͤnne verdam̃t werden/ wie Men-<lb/> ſchen nicht nur mitten in der See und andern groſſen Waſ-<lb/> ſern/ ſondern auch am Ufer und in einer ſchlechten Bach<lb/> erſauffen koͤnnen. <note place="foot" n="(t)"><hi rendition="#aq">Geier.</hi> Betracht. der Sterbligk. <hi rendition="#aq">Part. II. p. 352. ex Aug.</hi></note> Alſo entſtand denn bey jhr ein Graͤ-<lb/> men um das/ was Welt-Leute in den Wind ſchlagen und<lb/> keiner Rede werth halten. Macht manchmal ein kleines<lb/> Steinlein in dem Schuche/ oder ein Staͤublein in dem Au-<lb/> ge groſſe Ungelegenheit: ſo machte zuweilen ein geringes<lb/> Verſehen bey jhr nicht wenigen Kummer und Gemuͤths-<lb/> Unruhe. Sie verſtand gar wol/ wie ein Chriſt auff ſeinen<lb/> Nechſten achtung zu geben habe/ und wie man ſich der Suͤn-<lb/> de anderer koͤnne theilhafftig machen/ und eine ſchwere<lb/> Verantwortung auff ſich laden. Daher gerieth Sie zu-<lb/> weilen in Bangigkeit. Wo Sie es manchmal gedachte gar<lb/> gut zu machen/ da kam Kummer heraus/ und Sie fand<lb/> Jammer und Noth/ wo Sie Chriſtliche Zufriedenheit ſuch-<lb/> te. Wenn <hi rendition="#aq">Hiob</hi> ſpricht: Meine Kleider werden mir ſcheuß-<note place="right"><hi rendition="#aq">Job.</hi> 9, 31.</note><lb/> lich anſtehen/ ſo leget der ſelige <hi rendition="#aq">D.</hi> Luther die Kleider von<lb/> <fw place="bottom" type="sig">B 2</fw><fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [11/0011]
Eliſabeth.
meine Suͤnden gehen uͤber mein Haͤubt/ wie eine ſchwere
Laſt ſind ſie mir zu ſchwer worden. Sie hatte etwan eine
ſonderbare Abſcheu fuͤr einer Fliege/ welche die meiſten wol
leiden koͤnnen/ und konte ſich ſonſt fuͤr etwas entſetzen/ deſſen
andere lachen. Das ſteckte in jhrer Natur/ die Sie nicht
aͤndern konte. Alſo achtete Sie auch groß/ was manche
fuͤr gar kleine oder keine Suͤnde und eine Kurtzweil achten/
wol wiſſend/ daß groſſe Suͤnden aus gering-gehaltenen klei-
nen zu entſtehen pflegen/ wie kleine Kranckheiten zu groſſen
werden/ wenn man ſie verachtet/ (ſ) ja daß man auch um
kleiner Suͤnden willen koͤnne verdam̃t werden/ wie Men-
ſchen nicht nur mitten in der See und andern groſſen Waſ-
ſern/ ſondern auch am Ufer und in einer ſchlechten Bach
erſauffen koͤnnen. (t) Alſo entſtand denn bey jhr ein Graͤ-
men um das/ was Welt-Leute in den Wind ſchlagen und
keiner Rede werth halten. Macht manchmal ein kleines
Steinlein in dem Schuche/ oder ein Staͤublein in dem Au-
ge groſſe Ungelegenheit: ſo machte zuweilen ein geringes
Verſehen bey jhr nicht wenigen Kummer und Gemuͤths-
Unruhe. Sie verſtand gar wol/ wie ein Chriſt auff ſeinen
Nechſten achtung zu geben habe/ und wie man ſich der Suͤn-
de anderer koͤnne theilhafftig machen/ und eine ſchwere
Verantwortung auff ſich laden. Daher gerieth Sie zu-
weilen in Bangigkeit. Wo Sie es manchmal gedachte gar
gut zu machen/ da kam Kummer heraus/ und Sie fand
Jammer und Noth/ wo Sie Chriſtliche Zufriedenheit ſuch-
te. Wenn Hiob ſpricht: Meine Kleider werden mir ſcheuß-
lich anſtehen/ ſo leget der ſelige D. Luther die Kleider von
den
Job. 9, 31.
(ſ) Chryſoſt. Homil. XII. in Ep. ad Rom. cit. Spizel. Lit. Feli-
ciſſ, p. 340. ſ.
(t) Geier. Betracht. der Sterbligk. Part. II. p. 352. ex Aug.
B 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |