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Schöttgen, Christian: Leben und letzte Stunden HERRN Christoph Theodosii Walthers. Halle, 1742.

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daß man ihm am Fuß eine Ader öffnen solte, als woran er gewohnt
wäre. Der Herr Doctor wolte nicht gern dazu rathen, auf sein
inständiges Anhalten ließ ers geschehen. Das weggelassene Blut
zeigte, nachdem es erkaltet, einen zähen Schleim, gleich einer dicken
Haut, und unter solchem ein hellrothes Geblüt mit etwas wässeri-
ger Feuchtigkeit vermenget. Nach dem Aderlassen ließ das Stechen
auf der Brust ziemlich nach, worüber er sich etwas vergnügt be-
zeigte, hatte aber doch wenig Ruhe. Die folgende Nacht conti-
nuirte die Unruhe, so, daß er sich etliche mal umbetten ließ, auch
sich in grosser Hitze und starckem Schweiß befand. Jndessen hat
der Patient stets zu GOtt geseufzet, und sich sein Ende vorgestellet,
auch sich von seinem Bruder vorbeten und singen lassen.

§. 33.

Den 28. früh begehrte er, daß ihm der Bruder die Augen und
das Gesicht abwaschen solte, dabey er denn ausrief: O! o! Er la-
bet und erquicket. Bald drauf sagte er: Der Zorn des Vaters
brennet bis in die unterste Hölle. Dann wiederum: Der Erlö-
sungs-Tag ist da. Nachmittags ließ er seinen letzten Willen zu
Pappier bringen, welchen er von Wort zu Wort dictirte. Wenn
ein Punct aufgeschrieben war, ließ er sich denselben hinreichen, än-
derte auch selber, was ihm nicht recht war. Auf dessen Verlangen
ward der hiesige Archidiaconus, Herr M. Moritz Carl Christian
Woog, geholet, welcher ihm aus GOttes Wort mit christlichem Trost
und Ermahnung beygestanden. Derselbe hat den Seligen in der
schönsten Verfassung gefunden, indem er die von ihm gethane
Vorstellungen allezeit auf sich appliciret. Es kamen unter andern
die Worte vor: der Selige habe sein Pfund auch unter den Hey-
den zu deren Bekehrung angewandt. Allein er antwortete: Nicht
uns, HErr, nicht uns. Als von der Seligkeit geredet ward, hub
er die Hände auf, und sagte: Freude, Freude.

§. 34.

Nach ein paar Stunden bezeigte der Selige ein Verlangen
nach dem heiligen Abendmahl, worauf gedachter Herr Archidiaco-
nus nochmals erschien, da denn der Selige seine Beichte bußfertig
ablegte, und darauf die Absolution erhielt. Hierauf winckte er
seinem Bruder, daß er ihn aufrichten, und er das heilige Abend-

mahl
D 2

daß man ihm am Fuß eine Ader oͤffnen ſolte, als woran er gewohnt
waͤre. Der Herr Doctor wolte nicht gern dazu rathen, auf ſein
inſtaͤndiges Anhalten ließ ers geſchehen. Das weggelaſſene Blut
zeigte, nachdem es erkaltet, einen zaͤhen Schleim, gleich einer dicken
Haut, und unter ſolchem ein hellrothes Gebluͤt mit etwas waͤſſeri-
ger Feuchtigkeit vermenget. Nach dem Aderlaſſen ließ das Stechen
auf der Bruſt ziemlich nach, woruͤber er ſich etwas vergnuͤgt be-
zeigte, hatte aber doch wenig Ruhe. Die folgende Nacht conti-
nuirte die Unruhe, ſo, daß er ſich etliche mal umbetten ließ, auch
ſich in groſſer Hitze und ſtarckem Schweiß befand. Jndeſſen hat
der Patient ſtets zu GOtt geſeufzet, und ſich ſein Ende vorgeſtellet,
auch ſich von ſeinem Bruder vorbeten und ſingen laſſen.

§. 33.

Den 28. fruͤh begehrte er, daß ihm der Bruder die Augen und
das Geſicht abwaſchen ſolte, dabey er denn ausrief: O! o! Er la-
bet und erquicket. Bald drauf ſagte er: Der Zorn des Vaters
brennet bis in die unterſte Hoͤlle. Dann wiederum: Der Erloͤ-
ſungs-Tag iſt da. Nachmittags ließ er ſeinen letzten Willen zu
Pappier bringen, welchen er von Wort zu Wort dictirte. Wenn
ein Punct aufgeſchrieben war, ließ er ſich denſelben hinreichen, aͤn-
derte auch ſelber, was ihm nicht recht war. Auf deſſen Verlangen
ward der hieſige Archidiaconus, Herr M. Moritz Carl Chriſtian
Woog, geholet, welcher ihm aus GOttes Wort mit chriſtlichem Troſt
und Ermahnung beygeſtanden. Derſelbe hat den Seligen in der
ſchoͤnſten Verfaſſung gefunden, indem er die von ihm gethane
Vorſtellungen allezeit auf ſich appliciret. Es kamen unter andern
die Worte vor: der Selige habe ſein Pfund auch unter den Hey-
den zu deren Bekehrung angewandt. Allein er antwortete: Nicht
uns, HErr, nicht uns. Als von der Seligkeit geredet ward, hub
er die Haͤnde auf, und ſagte: Freude, Freude.

§. 34.

Nach ein paar Stunden bezeigte der Selige ein Verlangen
nach dem heiligen Abendmahl, worauf gedachter Herr Archidiaco-
nus nochmals erſchien, da denn der Selige ſeine Beichte bußfertig
ablegte, und darauf die Abſolution erhielt. Hierauf winckte er
ſeinem Bruder, daß er ihn aufrichten, und er das heilige Abend-

mahl
D 2
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[27/0027] daß man ihm am Fuß eine Ader oͤffnen ſolte, als woran er gewohnt waͤre. Der Herr Doctor wolte nicht gern dazu rathen, auf ſein inſtaͤndiges Anhalten ließ ers geſchehen. Das weggelaſſene Blut zeigte, nachdem es erkaltet, einen zaͤhen Schleim, gleich einer dicken Haut, und unter ſolchem ein hellrothes Gebluͤt mit etwas waͤſſeri- ger Feuchtigkeit vermenget. Nach dem Aderlaſſen ließ das Stechen auf der Bruſt ziemlich nach, woruͤber er ſich etwas vergnuͤgt be- zeigte, hatte aber doch wenig Ruhe. Die folgende Nacht conti- nuirte die Unruhe, ſo, daß er ſich etliche mal umbetten ließ, auch ſich in groſſer Hitze und ſtarckem Schweiß befand. Jndeſſen hat der Patient ſtets zu GOtt geſeufzet, und ſich ſein Ende vorgeſtellet, auch ſich von ſeinem Bruder vorbeten und ſingen laſſen. §. 33. Den 28. fruͤh begehrte er, daß ihm der Bruder die Augen und das Geſicht abwaſchen ſolte, dabey er denn ausrief: O! o! Er la- bet und erquicket. Bald drauf ſagte er: Der Zorn des Vaters brennet bis in die unterſte Hoͤlle. Dann wiederum: Der Erloͤ- ſungs-Tag iſt da. Nachmittags ließ er ſeinen letzten Willen zu Pappier bringen, welchen er von Wort zu Wort dictirte. Wenn ein Punct aufgeſchrieben war, ließ er ſich denſelben hinreichen, aͤn- derte auch ſelber, was ihm nicht recht war. Auf deſſen Verlangen ward der hieſige Archidiaconus, Herr M. Moritz Carl Chriſtian Woog, geholet, welcher ihm aus GOttes Wort mit chriſtlichem Troſt und Ermahnung beygeſtanden. Derſelbe hat den Seligen in der ſchoͤnſten Verfaſſung gefunden, indem er die von ihm gethane Vorſtellungen allezeit auf ſich appliciret. Es kamen unter andern die Worte vor: der Selige habe ſein Pfund auch unter den Hey- den zu deren Bekehrung angewandt. Allein er antwortete: Nicht uns, HErr, nicht uns. Als von der Seligkeit geredet ward, hub er die Haͤnde auf, und ſagte: Freude, Freude. §. 34. Nach ein paar Stunden bezeigte der Selige ein Verlangen nach dem heiligen Abendmahl, worauf gedachter Herr Archidiaco- nus nochmals erſchien, da denn der Selige ſeine Beichte bußfertig ablegte, und darauf die Abſolution erhielt. Hierauf winckte er ſeinem Bruder, daß er ihn aufrichten, und er das heilige Abend- mahl D 2

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Zitationshilfe: Schöttgen, Christian: Leben und letzte Stunden HERRN Christoph Theodosii Walthers. Halle, 1742, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/386596/27>, abgerufen am 21.11.2024.