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Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713.

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Die bittere Klage
Propheten auch hier gehen/ weßhalben er zu seinem GOtt seuffzete/ ihm
Wasser genung zu geben in seine Augen/ und dieselben zu Thränen-Qvel-
len zu machen. Alleine/ was solten ihm denn diese häuffige Thränen?
Er antwortet selber in obangeführten Worten: Die Erschlagenen in
seinem Volcke darmit zu beweinen/ und bitterlich zu beklagen;
daß
ich Tag und Nacht beweinen möchte die Erschlagenen in meinem Volck.

Treuen Lehrern und Predigern gehet das Elend und Unglück ihrer
Zuhörer so nahe/ als wann es ihnen selbsten wiederführe/ weinen bitterlich
darüber/ bitten um Abwendung desselben/ und wo müglich/ wollen sie es
lieber vor ihnen ausstehen. Ach! HErr/ spricht Amos, sey gnädig/ wer
will Jacob wieder auffhelffen? denn er ist ja geringe/ (Amos. VII, 2.)
Jch habe grosse Traurigkeit und Schmertzen ohn Unterlaß in meinem Her-
zen; Jch habe gewünschet verbannet zu seyn von Christo für meine Brü-
der/ die meine Gefreunde sind nach dem Fleich/ (Rom. IX, 2. 3.) Und so
war auch Jeremias gesinnet/ und verlangete Thränen genung zu haben/ zu
beweinen die Erschlagenen in seinem Volck. Ohne allen Zweiffel dem
erzörneten GOtt damit in die Zorn-Ruthe zu fallen/ seinen Feuer-brennen-
den Zorn/ nebst der wohlverdienten Straffe darmit entweder gäntzlich auff-
zuheben/ oder doch zu mindern/ und in eine väterliche Zucht-Ruthe zu ver-
wandeln/ damit GOtt sein Volck züchtigen möge/ aber doch mit Maßen/
damit es sich nicht vor unschuldig hielte/ (Jerem. XXX, 11.) Und darmit
man sehen möge/ daß ihm diese bittere Klage ein Ernst sey/ so wünschet er
Thränen genung in seinen Augen zu haben/ die Erschlagenen in seinem
Volcke Tag und Nacht zu beweinen.

Fromme Kinder GOttes/ die es redlich mit ihrem GOtt meynen/ ge-
dencken/ und verlangen Tag und Nacht nach ihm/ (Jes. XXVI, 9.) Jere-
mias
beweinete Tag und Nacht seine Erschlagene im Volck/ und führet
die bittere Klage: Ach! daß ich Wassers genung hätte in meinem
Haupte/ und meine Augen Thränen-Qvellen wären/ daß ich Tag
und Nacht beweinen möchte die Erschlagene in meinem Volck.

Transitio
ad
Textum,
Eine fast eben dergleichen bittere Klage führte zu seiner Zeit der Kö-
nigliche Prophet David über den unverhofften und plötzlichen Todtes-
Fall seines hertzgeliebtesten Seelen-Freundes/ des Jonathans, indem er
sich in unsern ietzt abgelesenen und vorhabenden Leichen-Texte über ihn/
& Locum
Commu-
nem.
nachdem er von seinen Feinden gewaltsamer Weise ermordet worden/
wehmüthig vernehmen lässet: Jonathan ist auff deinen Höhen er-
schlagen; Es ist mir leyd um dich/ mein Bruder Jonathan.
Und

da

Die bittere Klage
Propheten auch hier gehen/ weßhalben er zu ſeinem GOtt ſeuffzete/ ihm
Waſſer genung zu geben in ſeine Augen/ und dieſelben zu Thraͤnen-Qvel-
len zu machen. Alleine/ was ſolten ihm denn dieſe haͤuffige Thraͤnen?
Er antwortet ſelber in obangefuͤhrten Worten: Die Erſchlagenen in
ſeinem Volcke darmit zu beweinen/ und bitterlich zu beklagen;
daß
ich Tag und Nacht beweinen moͤchte die Erſchlagenen in meinem Volck.

Treuen Lehrern und Predigern gehet das Elend und Ungluͤck ihrer
Zuhoͤrer ſo nahe/ als wann es ihnen ſelbſten wiederfuͤhre/ weinen bitterlich
daruͤber/ bitten um Abwendung deſſelben/ und wo muͤglich/ wollen ſie es
lieber vor ihnen ausſtehen. Ach! HErr/ ſpricht Amos, ſey gnaͤdig/ wer
will Jacob wieder auffhelffen? denn er iſt ja geringe/ (Amos. VII, 2.)
Jch habe groſſe Traurigkeit und Schmertzen ohn Unterlaß in meinem Her-
zen; Jch habe gewuͤnſchet verbannet zu ſeyn von Chriſto fuͤr meine Bruͤ-
der/ die meine Gefreunde ſind nach dem Fleich/ (Rom. IX, 2. 3.) Und ſo
war auch Jeremias geſinnet/ und verlangete Thraͤnen genung zu haben/ zu
beweinen die Erſchlagenen in ſeinem Volck. Ohne allen Zweiffel dem
erzoͤrneten GOtt damit in die Zorn-Ruthe zu fallen/ ſeinen Feuer-brennen-
den Zorn/ nebſt der wohlverdienten Straffe darmit entweder gaͤntzlich auff-
zuheben/ oder doch zu mindern/ und in eine vaͤterliche Zucht-Ruthe zu ver-
wandeln/ damit GOtt ſein Volck zuͤchtigen moͤge/ aber doch mit Maßen/
damit es ſich nicht vor unſchuldig hielte/ (Jerem. XXX, 11.) Und darmit
man ſehen moͤge/ daß ihm dieſe bittere Klage ein Ernſt ſey/ ſo wuͤnſchet er
Thraͤnen genung in ſeinen Augen zu haben/ die Erſchlagenen in ſeinem
Volcke Tag und Nacht zu beweinen.

Fromme Kinder GOttes/ die es redlich mit ihrem GOtt meynen/ ge-
dencken/ und verlangen Tag und Nacht nach ihm/ (Jeſ. XXVI, 9.) Jere-
mias
beweinete Tag und Nacht ſeine Erſchlagene im Volck/ und fuͤhret
die bittere Klage: Ach! daß ich Waſſers genung haͤtte in meinem
Haupte/ und meine Augen Thraͤnen-Qvellen waͤren/ daß ich Tag
und Nacht beweinen moͤchte die Erſchlagene in meinem Volck.

Tranſitio
ad
Textum,
Eine faſt eben dergleichen bittere Klage fuͤhrte zu ſeiner Zeit der Koͤ-
nigliche Prophet David uͤber den unverhofften und ploͤtzlichen Todtes-
Fall ſeines hertzgeliebteſten Seelen-Freundes/ des Jonathans, indem er
ſich in unſern ietzt abgeleſenen und vorhabenden Leichen-Texte uͤber ihn/
& Locum
Commu-
nem.
nachdem er von ſeinen Feinden gewaltſamer Weiſe ermordet worden/
wehmuͤthig vernehmen laͤſſet: Jonathan iſt auff deinen Hoͤhen er-
ſchlagen; Es iſt mir leyd um dich/ mein Bruder Jonathan.
Und

da
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[10/0010] Die bittere Klage Propheten auch hier gehen/ weßhalben er zu ſeinem GOtt ſeuffzete/ ihm Waſſer genung zu geben in ſeine Augen/ und dieſelben zu Thraͤnen-Qvel- len zu machen. Alleine/ was ſolten ihm denn dieſe haͤuffige Thraͤnen? Er antwortet ſelber in obangefuͤhrten Worten: Die Erſchlagenen in ſeinem Volcke darmit zu beweinen/ und bitterlich zu beklagen; daß ich Tag und Nacht beweinen moͤchte die Erſchlagenen in meinem Volck. Treuen Lehrern und Predigern gehet das Elend und Ungluͤck ihrer Zuhoͤrer ſo nahe/ als wann es ihnen ſelbſten wiederfuͤhre/ weinen bitterlich daruͤber/ bitten um Abwendung deſſelben/ und wo muͤglich/ wollen ſie es lieber vor ihnen ausſtehen. Ach! HErr/ ſpricht Amos, ſey gnaͤdig/ wer will Jacob wieder auffhelffen? denn er iſt ja geringe/ (Amos. VII, 2.) Jch habe groſſe Traurigkeit und Schmertzen ohn Unterlaß in meinem Her- zen; Jch habe gewuͤnſchet verbannet zu ſeyn von Chriſto fuͤr meine Bruͤ- der/ die meine Gefreunde ſind nach dem Fleich/ (Rom. IX, 2. 3.) Und ſo war auch Jeremias geſinnet/ und verlangete Thraͤnen genung zu haben/ zu beweinen die Erſchlagenen in ſeinem Volck. Ohne allen Zweiffel dem erzoͤrneten GOtt damit in die Zorn-Ruthe zu fallen/ ſeinen Feuer-brennen- den Zorn/ nebſt der wohlverdienten Straffe darmit entweder gaͤntzlich auff- zuheben/ oder doch zu mindern/ und in eine vaͤterliche Zucht-Ruthe zu ver- wandeln/ damit GOtt ſein Volck zuͤchtigen moͤge/ aber doch mit Maßen/ damit es ſich nicht vor unſchuldig hielte/ (Jerem. XXX, 11.) Und darmit man ſehen moͤge/ daß ihm dieſe bittere Klage ein Ernſt ſey/ ſo wuͤnſchet er Thraͤnen genung in ſeinen Augen zu haben/ die Erſchlagenen in ſeinem Volcke Tag und Nacht zu beweinen. Fromme Kinder GOttes/ die es redlich mit ihrem GOtt meynen/ ge- dencken/ und verlangen Tag und Nacht nach ihm/ (Jeſ. XXVI, 9.) Jere- mias beweinete Tag und Nacht ſeine Erſchlagene im Volck/ und fuͤhret die bittere Klage: Ach! daß ich Waſſers genung haͤtte in meinem Haupte/ und meine Augen Thraͤnen-Qvellen waͤren/ daß ich Tag und Nacht beweinen moͤchte die Erſchlagene in meinem Volck. Eine faſt eben dergleichen bittere Klage fuͤhrte zu ſeiner Zeit der Koͤ- nigliche Prophet David uͤber den unverhofften und ploͤtzlichen Todtes- Fall ſeines hertzgeliebteſten Seelen-Freundes/ des Jonathans, indem er ſich in unſern ietzt abgeleſenen und vorhabenden Leichen-Texte uͤber ihn/ nachdem er von ſeinen Feinden gewaltſamer Weiſe ermordet worden/ wehmuͤthig vernehmen laͤſſet: Jonathan iſt auff deinen Hoͤhen er- ſchlagen; Es iſt mir leyd um dich/ mein Bruder Jonathan. Und da Tranſitio ad Textum, & Locum Commu- nem.

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Zitationshilfe: Arnold, Johannes: Die Bittere Klage über den Erschlagenen in meinem Volck. Pirna, 1713, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/392439/10>, abgerufen am 28.03.2024.